33 Monate

Mein lieber Freund,
wie geht es Dir?

Es ist erschreckend, wie schnell die Zeit vergeht. Es ist das dritte Mal, dass ich die ersten letzten Male erlebe. Vor drei Jahren um diese Zeit hat es nicht seit Tagen nur geregnet und war immer noch kalt, da waren wir schon mit leichter Jacke draußen und ich habe auf der Bank hinter der Burgmauer gelegen um mit Dir zu telefonieren. Wir haben Pläne geschmiedet, wie wir uns trotz Corona und der ganzen Maßnahmen und der großen Entfernung noch sehen können – nicht wissend, dass es nie mehr dazu kommen sollte.

Es passiert nicht viel hier; das Leben hat sich zurück in die Bahnen gelenkt, die ich kannte.
Ich versuche irgendwie meinen Job zu machen und dabei nicht kaputt zu gehen. Ich versuche zu akzeptieren, dass die Zeit in der ich eine gewisse Stabilität hatte wieder vorüber ist, dass ich es eben gerade annehmen muss, dass es wieder externe Unterstützung braucht. Und ich versuche mich mit diesem Konzept anzufreunden. Die Frau des Oberarztes ist jetzt nicht so gerade die Sympathieträgerin vor dem Herrn, aber ich muss zugeben – vielleicht ist es auch Zeichen einer guter Therapie, dass man mit seiner Therapeutin eben nicht so gern beim Kaffee säße – sie weiß, was sie tut, auch wenn sie mich eben ordentlich konfrontiert und stresst und ich da viel Weigerung spüre, mit ihr mitzugehen. Aber sie sagt auch, dass letzteres okay ist, solange wie ich mich eben doch irgendwann darauf einlasse und ich spüre halt, dass da viel in mir arbeitet, dass das grundsätzlich Sinn hat und dass ich mir mutmaßlich Vieles hätte einfacher machen können, hätte ich die Dinge eher durchschaut. Und gleichzeitig passieren da auch keine Wunder und der Weg wird noch weit.
Mit dem Intensiv – Oberarzt ist es anders, aber mindestens genauso wichtig. Er ist eher so dieser „Papa – Typ“ und mit ihm führe ich die Gespräche, die man eigentlich in der Familie führen sollte. Bei ihm kann ich darüber reden, wie es mir geht, dass das Thema mit dem ehemaligen Freund immer noch nicht durch ist (ich habe ewig nicht mehr mit meinem Papa telefoniert, weil da immer nur ein vorwurfsvolles „Ich hoffe das Thema ist langsam durch“ kommt und dann macht es mich traurig, dass ich nicht sagen kann „nein ist es nicht und ich habe schwierige Gefühle und Gedanken“, ohne dass er ausrastet – aber Du weißt ja selbst, wie das mit Papas so ist; bei Dir war das auch nicht anders oder besser). Bei ihm kann ich über die langen und schweren Nächte reden und manchmal auch über den ganzen Medizin – Kram. Irgendwelche Fälle besprechen, mich mal darüber auskotzen, dass die Ruhezeiten nicht eingehalten werden („Frau Mondkind, soll ich mal richtig bösen werden mit denen?“), über Probleme mit dem Auto sinnieren…
Es ist aktuell gut so wie es ist mit den beiden, aber das wird leider nicht mehr lange bleiben. Wenn ich im Mai in die ZNA gehe, sind die Gespräche mit dem Oberarzt Geschichte und so wichtig, dass er mir Zeit nach Dienstschluss einräumt, bin ich eben selbstverständlich auch nicht. Aber ich bin schon dankbar, dass das am Ende zumindest vier Monate so geklappt haben wird – und dass ich nie wusste, wie es in ein paar Wochen mit dem zwischenmenschlichen Halt weiter geht, habe ich schließlich über zwei Jahre so erlebt. Im April stehen noch ein paar blöde Termine an, die mich schon recht stressen; vielleicht wird es ein bisschen ruhiger im Mai, wenn das durch ist und ein bisschen länger Urlaub habe ich dann auch mal. 





Mir ist letztens aufgefallen als ich von der Frau des Oberarztes nach Hause gefahren bin: Ich vermisse unsere Post – Therapie – Café – Dates sehr doll. Aber es ist eben so. Das werden für immer wir sein, oder? Und ich vermisse die Studienstadt. Ich möchte sie bald besuchen.
Oh und ich bin letztens über einen Podcast gestolpert eines Menschen, der als Ex – In arbeitet. Soweit ich raus gefunden habe, sogar in der Studienstadt. Und ich habe mich gefragt, ob Du ihn kennen magst? Ab und an schaue ich auch mal auf der Seite der Psychiatrie vorbei, da gibt es jetzt irgendein Projekt, an dem der sehr geschätzte Herr Psychiater und auch Dein liebster Psychiater zusammen dran beteiligt sind. (Ich habe mich oft gefragt, ob er Dich noch kennt…)
Weißt Du – eigentlich wäre es auch eine coole Idee für das Psychiatrie – Jahr zurück in die Studienstadt zu gehen. Einfach mal für ein Jahr weg von hier. Und es wäre ja alles erstmal begrenzt. Nochmal schauen wie es so ist, in der alten Hood. Sich mit den Menschen von damals treffen, die Orte die wir beide kannten nochmal besuchen, vielleicht nochmal das alte Helfersystem aufgreifen, das immerhin viele Jahre verlässlich getragen hat. Ich hätte da Bock drauf. (Obwohl ich schon wieder meinen Intensiv – Oberarzt im Ohr habe, der mir dazu sagen würde, dass ein Ortswechsel, weil man irgendwo gerade fest steckt, es meistens nicht bringt) und es würde natürlich einige Probleme mit sich bringen: Was mache ich mit der Wohnung im dem Jahr, wäre wahrscheinlich das Drängendste – obwohl Untervermietung ja schon mal funktioniert hat. Ich überleg mir das nochmal…

Ich besuch Dich irgendwann mal wieder, okay?
Manchmal denke ich, es ist auch ein bisschen bescheuert, 300 Kilometer in eine Richtung zu fahren, um am Ende vor einem Holzkreuz zu stehen, aber was kann man machen? Irgendwie schafft dieser Ort ganz viel Verbindung zu Dir und ich vermisse Dich. Sehr. Und leider kann ich es halt nicht ändern, dass der Mensch, den ich mir am meisten zurück an meiner Seite wünschen würde, nicht mehr lebt.

So, ich rocke meine Woche und den nächsten Monat. Oh und Du hast ja auch noch bald Geburtstag. Da hören wir uns ganz sicher. (Diesmal habe ich auch nicht an dem Tag Deines Geburtstages Dienst, sondern den Tag danach ;) )
Ich hoffe, Du bist okay. Ich denk so oft, Du sitzt da immer noch irgendwo, schaust mir zu und hast ein paar Fäden in der Hand. Zumindest immer dann habe ich den Eindruck, wenn ich im Dienst über die Flure fege, in einer Nacht mal wirklich überhaupt nicht mehr kann und dann das Telefon wirklich mal ein paar Stunden ruhig ist. Wenn es mich dann wieder aus dem Schlaf reißt, dann denke ich: „Hey Du, ich weiß, dass Du immer noch bei mir bist.“
Ich vermiss Dich.


Ganz viel Liebe
Mondkind


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