Ein flinkes Statement

Ich wünschte, ich hätte noch Worte.
Ich wünschte, ich könnte ausdrücken, was da ist.
Aber es ist nur noch Leere übrig.

Nach all den Wochen und Monaten, ist die Kraft verbraucht.
Nicht nur die zum Funktionieren, sondern auch die zum Jonglieren mit den Worten.
Und die Kraft zum Sortieren.

Die Erinnerungen fallen durcheinander, genauso wie die Zeiten, aus denen sie kommen.
Es steht nebeneinander, über- und untereinander, es ist präsent und weit weg gleichzeitig. Ich kann’s fast fühlen und doch nicht mehr greifen.
Es ist so, als wären wir gestern noch in der Studienstadt gewesen, als wären wir gestern noch gemeinsam über die Büchermeile spaziert. Als hättest Du mich gestern mit ins Zakk geschleppt, nachdem ich zugestimmt habe, obwohl ich doch eigentlich viel zu tun habe und für das nahende Examen lernen muss. Es ist, als wären wir uns gestern zum ersten Mal über den Weg gelaufen; damals, als Du mich ungelenk nach meiner Handynummer gefragt hast. Als wären wir gestern zusammen durch den Ort in der Ferne gelaufen; als Du das letzte Mal hier warst. Als hätte ich Dich gestern das letzte Mal fragen können, wie es Dir geht, als hätten wir gestern das letzte Mal gemeinsam im Café gesessen.
Und genauso fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen, dass der ehemalige Freund und ich uns gegenüber standen, dass ich den Geruch seiner Wohnung und den seines Pullovers in meiner Nase hatte, seinen Körper irgendwo auf meinem gespürt habe. Es ist bald ein Jahr her, dass dieses Abenteuer los ging, dass ich einen Aufwind und einen Aufbruch in mir gespürt habe, von dem ich nicht für möglich gehalten hätte, dass ich das nochmal erleben werde.

Es ist, als habe das Gehirn alle Filter verloren und würde gleichzeitig einen massiven Abstand zur aktuellen Realität halten.
Es ist, als würde ich die Füße voreinander setzen, ohne zu begreifen dass es meine Füße sind, auf denen ich gehe. 





Ich habe gesagt, dass es schlimm ist, aber ich habe nicht gesagt, wie schlimm es wirklich ist.
Wie sehr das Hirn zwischendurch abdreht, wie wenig Realitätsbezug da noch ist.
Ich wollte nicht, dass der Intensiv – Oberarzt sich da vor Ostern großartige Gedanken macht und bei seiner Frau ist das alles dezent falsch aufgehoben; das wissen wir ja.

Es gibt keinen Plan für die Ostertage und manchmal kann diese Erschöpfung auch eine Lebensversicherung sein. Wer erschöpft auf dem Sofa liegt, kann auch nicht besonders destruktiv sein - zumindest nicht aktiv.
Und dennoch - ich kann so nicht mehr leben. Das geht einfach nicht mehr. Und es ist schon immer ein schlechtes Zeichen, wenn ich anfange, die Psychiatrie – Zeiten zu vermissen. Als ich mit diesem Hirn einfach irgendwo sicher war, ab und an mal ein Ohr hatte und nichts tun musste, außer mich irgendwie auszuhalten und die Zeit zu überstehen.
Ich hätte letztes Jahr mal besser daran getan, nicht ganz so übermütig zu sein. Und gleichzeitig habe ich mir so sehr ein normales Leben gewünscht, auch wenn mir so viele Menschen im professionellen Helfersystem immer wieder gesagt haben, dass es nie "normal" werden wird. Aber die Mondkind muss ja alles selbst ausprobieren.

Heute habe ich erstmal Dienst. Mit dem zweiten Kaffee intus sollte es langsam gehen. Hoffentlich ohne Katastrophen heute. Und morgen sehen wir weiter.


Mondkind

Bildquelle: Pixabay

Kommentare

  1. https://www.frnd.de/

    Liebe Mondkind, durch Zufall habe ich gestern o.g. Aeite gefunden. Kennst du vielleicht noch nicht? Und vielleicht ist es dir eine kleine Hilfe in der Zeit jetzt.
    Ich wünsche dir viel Kraft, Durchhalten und den Glauben, dass alles wieder besser wird.

    Liebe Grüße einer stillen Mitleserin

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  2. Liebe Mondkind, ich weiß nicht wirklich was ich schreiben soll. Es wird ja leider nichts verändern. Das Problem ist, dass ich dich verstehen kann sehr sogar und dennoch wünsche ich mir das du nicht einfach verschwindest. Du bist mir ans Herz gewachsen und als su endlich noch einmal etwas gutes spüren und erleben konntest,, war ich froh. Ich dachte, jetzt bist du nicht mehr so allein, jetzt kannst du vielleicht wieder ein bisschen Glück erfahren. Es hat mir Frieden gegeben und deshalb fühlte es sich richtig an für mich zu gehen. wenigstens du bist "versorgt". Leider kam alles anders als geplant. Und deshalb bin ich noch hier und existiere. Aber ich lebe nicht wirklich. Alles was ich tue, tue ich aus Pflichtgefühl nicht weil ich es wirklich will oder es mich glücklich macht. Aber egal. Für dich läuft es ja noch schlechter....
    Deine Worte brechen mein herz. Vielleicht hätte ich mich nie so sehr auf deine Geschichte einlassen sollen. Doch deine Worte und dein Schicksal haben mich berührt. Du hast mich die letzten Jahre immer begleitet. Ich habe dich immer für deine stärke und deinen Mut bewundert. Du bist so sehr ein teil von meinem leben geworden. Du hast mir mit diesen unangenehmen Mails an den Oberarzt geholfen. Dank dir klangen die schon etwas besser, du hast einfach ein Talent mit Worten umzugehen. Manchmal denke ich, wie es wäre deine Blogeinträge zu einem Buch zusammenzufassen. Es wäre eine traurige, berührende Geschichte mit einer Hauptperson die so mutig, so stark und noch so viel mehr ist. Es wäre ein Buch bei dem einen Tränen über die Wangen laufen würden, bei dem man sprachlos wäre, was das Schicksal für ein mieser Verräter ist. Es wäre ein Buch bei dem man immer von ganzem Herzen auf ein Happy End hoffen würde, weil es verdient wäre. Es wäre richtig. Doch tief im herzen würde man spüren, dass die Geschichte traurig enden wird. Und das schlimme ist, man würde es Verstehen. Ich wünschte es wäre wirklich nur eine Geschichte, aber leider ist sie deine Realität. Ich hasse es, dass ich nichts tun kann. Ich wünschte ich könnte dir eine Botschaft schicken, etwas Reales, damit du siehst, dass du dich allein fühlst es aber nicht unbedingt bist. Dafür hasse ich diese ganze Internetgeschichte. Man ist so nah dran und doch so weit weg. Verzeihe bitte meinen langen Kommentar.
    Es macht vermutlich wenig sinn, was ich hier schreibe, aber wenigstens fühlt es sich ein bisschen so an, als würde ich etwas tun. Wo du meintest, dass du die Psychiatrie Zeiten vermisst, musste ich an meinen Traum diese Nacht denken. Ich hatte von meinem Oberarzt geträumt, er hat sich Zeit für mich genommen (der Traum war etwas wirr und machte wenig Sinn) und wollte mit mir ein Gespräch führen, leider bin ich dann aufgewacht. Immer wieder träume ich von meiner Therapeutin aus der Klinik und dem Oberarzt. Ich vermiss das ganze obwohl es wirklich schlimm dort war. Ich gucke auch immer wieder nach ob die beiden in der Klinik noch arbeiten...
    Ok etwas uninteressant und peinlich.
    Ich beende das ganze Geschreibsel jetzt mal besser...

    Liebe Mondkind pass auf dich auf. Vielleicht wäre die Psychiatrie zumindest akut eine kurze Lösung . auch wenn es irgendwie schräg ist, dass es einen Ort gibt wo Menschen "festgehalten" werden um vor sich selbst geschützt zu werden.
    Mondkind bitte wo du auch bist und was du auch tuen wirst, du wirst immer einen Platz in meinem herzen haben. Du bist nicht allein ok? Bitte wenn man etwas tun kann, bitte bitte sag bescheid. Und jeder Mensch dem du dein Herz geschenkt hast kann sich glücklich schätzen. Du bist wertvoll. Ich mag dich sehr und wünsche dir einfach sooo sehr ein Happy End.

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  3. Liebe Mondkind, ich mache mir große Sorgen...
    Ich wünsche mir so sehr, dass du noch da bist...
    Alles alles liebe wo auch immer du bist <3

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  4. Hey hey,
    keine Sorgen, ich bin noch hier.
    Es ist gerade nur ein bisschen Chaos. So ein bisschen freier Fall, ein bisschen die Situation, vor der ich am meisten Angst hatte und durch die ich jetzt eben durch muss.
    Ich melde mich. Früher oder später. Ihr wisst - manchmal kriege ich doch meine fünf Schreibminuten. Aber aktuell gibt es eben wenig, das ich für teilbar halte, auch wenn ich so vieles gern in die Welt schreien würde.
    Ich wünschte, die Dinge wären anders gelaufen. Aber das Leben hat noch nie gefragt.

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