Über die Erschöpfung

Samstagnachmittag.
Ich liege auf dem Sofa.
Versuche ein bisschen Kraft zu tanken, weil ich eigentlich noch flott in die Stadt wollte. Und wenn ich sowieso schon mal da bin – in den Buchladen.
Und während ich da so liege, kommt mir etwas in den Sinn. Wenn ich die Frage beantworten müsste, wie Tage aktuell sich zumindest einigermaßen aushaltbar anfühlen, dann würde ich sagen: Ungefähr so, wie die Wochenenden laufen.
Nach jeder Aktivität braucht es ungefähr zwei Stunden Pause. Aufgrund von massiver Erschöpfung das nicht nur ein Gefühl von  lähmender Müdigkeit beinhaltet, sondern auch Kopfschmerzen, schwere Augen und generell dieses Gefühl, als hätte man gerade einen 24 Stunden Dienst hinter sich. Da wird Wohnung putzen, Wäsche waschen und Einkaufen zur tagesfüllenden Aufgabe.
Und „Pause“ bedeutet dann auch nicht mit einem Kaffeebecher in der Hand in sozialen Medien abzuhängen oder zu telefonieren – Pause bedeutet wirklich liegen und warten, bis es besser wird.
Und ich kann schon verstehen, dass Menschen mich für super bekloppt halten, wenn ich versuche zu erklären, dass es schon manchmal abends noch grenzwertig ist, es irgendwie zu schaffen sich die Haare zu waschen (ich konnte das im letzten Sommer auch nicht mehr verstehen) und ich gleichzeitig irgendwie in diesem Job arbeite. Es wird alles an diesem ganz niedrigen Energielevel angepasst. Was kann ich essen, was jetzt relativ schnell gemacht ist und trotzdem noch irgendwie gesund ist und kein Fertigessen ist? Schaffe ich das noch, einen Salat zu machen? Muss ich wirklich einkaufen, oder kann ich das irgendwie auf morgen schieben? Muss ich jetzt wirklich meine Jacken waschen vor dem Frühling, oder wird es nächste Woche immer noch kalt sein?

Wie ich diese Arbeitstage gerade noch packe… - ich weiß es nicht. Mit viel Durchhaltevermögen, viel Gereiztsein, was ich versuche zu verbergen, vielen Tränen außerhalb der Arbeit. Mit absoluter Stille in der Wohnung, sobald ich hier bin, um die Reizüberflutung des Tages zu beenden.
Und natürlich nervt es, dass ich nebenbei so gut wie nichts mehr auf die Reihe kriege. Denn ich glaube, ich würde schon gerne manche Dinge tun und Leben sollte eben mehr sein, als irgendwie zu jonglieren – sonst wird das sehr zermürbend.


Ein altes Bild. Aber so sieht es hier zur Zeit viel zu oft aus...


Ich weiß nicht, ob man dieses Gesamtpaket hier aktuell schon wieder als Depression bezeichnen kann, letzten Endes macht das auch nicht den gravierenden Unterschied. Aber wenn ich es retrospektiv mal betrachte ist es doch so, dass diese Zustände immer über zwei Dinge dekompensiert sind. Entweder die Erschöpfung war so massiv und ich kam da gar nicht raus, weil eben kaum etwas dagegen hilft, dass ich irgendwann nicht mehr weiter machen konnte, obwohl ich das so gern irgendwie schaffen wollte. Ich habe all die Jahre immer wieder versucht etwas zu finden, was mich aus diesen Erschöpfungszuständen raus bringt, aber da hilft wenig bis nichts. Kein Schlafen, kein Urlaub, all die Dinge, die Menschen normalweise als Erholung bezeichnen, helfen eben nicht. Ich weiß bis heute nicht, was ich da machen kann.
Oder es waren – zweitens -  diese ganz schweren Nächte, die manchmal kommen und in denen kein rationales Denken mehr hilft. Wenn das irgendwer im professionellen Helfersystem mitbekommen hat, haben die sich das auch nicht lange angeschaut, obwohl es am Ende meist wirklich eine Erleichterung war, das nicht mehr alleine durchstehen zu müssen.

Und letzten Endes ist es einfach irgendwie traurig zu sehen – und ich fühle mich da auch sehr schuldig – dass sich der Intensiv – Oberarzt und seine Frau so viel Mühe geben und das trotzdem immer weiter bergab läuft. Zwar vielleicht nicht so schnell wie es ohne die beiden wäre, aber die richtige Richtung ist es eben auch nicht.

Ich hoffe, ich kriege das irgendwie bald hin, das Ruder da mal ein bisschen rum zu reißen.
Der Intensiv – Oberarzt und ich wollen sich wahrscheinlich sowieso Anfang nächster Woche nochmal treffen und ich habe mich schon gefragt, ob ich ihm das wohl irgendwie erklären kann. Und ob wir vielleicht mal gemeinsam darüber nachdenken können, wie wir auf der Arbeit ein bisschen Entlastung schaffen können. Und damit meine ich gar nicht, dass ich weniger arbeiten möchte oder weniger Dienste machen möchte, sondern ob es zum Beispiel eine Idee wäre, dass ich für einige Zeit ein ruhigeres Arbeitszimmer bekomme oder so etwas. Allein dieses ständige raus und rein Rennen von Ärzten und Schwestern, die Privatgespräche nebenbei, die Lautstärke in diesem Raum ziehen so viel Energie (wenn es mir gut geht, stört mich das nicht, aber jetzt eben schon). Ziel wäre es am Ende eben mit genau der Leistungsfähigkeit, die ich jetzt noch gerade so habe im Job bleiben zu können.

So… - ich lege mich schnell hin; morgen muss ich doch recht früh aufstehen; Dienst halt.
Mondkind


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