Reisetagebuch #1

Das vorherrschede Gefühl heute ist Müdigkeit.
Die Nacht war kurz. Ich habe lange mit dem Packen gebraucht und dann unruhig geschlafen.

Es ist komisch. Die Wohnungstür wieder für ein paar Tage hinter mir zu zuziehen. Die Nacht nicht weg zu sein, für einen Dienst.
Bahnhof im Dorf. Leider steht dort heute ein sehr langer Zug, der Baumstämme geladen hat. Das versperrt die Sicht auf die Saalewiesen, auf denen der Nebel hängt. Den die Sonne bald ganz langsam auflösen wird.
Es warten erstaunlich viele Menschen an diesem Samstagmorgen auf einen Zug. Wenn man den Gesprächen der Gruppen so lauscht, haben die meisten irgendetwas mit dem Campus zu tun. Ist schon ein Medizin – Dorf hier.

Bahnhof in der nächst größeren Stadt. Sonst bin ich hier immer irgendwann spät abends aus dem Zug gefallen. Ich trete vor die Tür. Heute morgen stehen hier so viele Menschen  und selbst am hellichten Tag dauert es nicht lange, bis mich irgendwer von der Seite anquatscht und Geld für eine Fahrkarte braucht. „Mondkind, wir telefonieren so lange bis Du im Bus sitzt, ich möchte nicht, dass Dich jemand klaut“, hallt es durch meinem Kopf, als ich dem Menschen der mich eben angesprochen hat weiter humpeln sehe und sich meine Augen mit Tränen füllen. 

Vom Bahnhof der nächstgrößeren Stadt

Das letzte Mal als ich hier stand hatte ich nasse Füße und es hat geregnet. Heute scheint die Sonne und der Zug ist pünktlich. Das Vorhaben etwas zu lesen wird nichts. Ich muss mich bemühen nicht einzuschlafen und am Ende noch den Ausstieg zu verschlafen. Langsam ändert sich die Landschaft. Ähnelt wieder mehr der, die ich aus meiner Kindheit gewohnt bin. Je länger ich im Zug sitze, desto vertrauter sind die Ortsnamen. Und irgendwann sehe ich die Stadt, in der der Freund zuletzt gewohnt hat auf einem Zug stehen. Neben dem Namen der Studienstadt, der – weil die Stadt ein Drehkreuz ist – öfter auftaucht. 

Unterwegs...

Vertraute Straßen der Kindheit. Für einen Augenblick fühlt es sich an, als sei ich nie weg gewesen und kurzzeitig schmilzt die Zeit zwischen dem Damals und dem Heute.
Es ist eine eigenartige Begegnung mit dem Ich von früher, das ich für den Bruchteil einer Sekunde nochmal spüre. Es ist, als würde ich dieser Mondkind von damals nochmal Hallo sagen. Und irgendwie habe ich kurzzeitig das Bedürfnis sie zu schützen. Vor allem was da kommt. Und ich würde ihr gern sagen, dass sie besser aufpassen soll. Auf sich selbst und die Menschen um sich herum. Dass es am Ende nicht nur darum geht sich selbst zu retten, sondern auch die Menschen, die man liebt. Dass Schmerz nicht nur einen selbst trifft, sondern auch das Umfeld. Und irgendwie stelle ich mir gerade vor, wie wir beide das letzte Mal am Fluss entlang gehen. Und ich  dem Freund sagen würde: „Du darfst alles machen, aber Du darfst nicht einfach gehen. Und schon mal gar nicht, ohne ein Wort zu sagen.“ Ich würde so gerne irgendetwas retten können.

Morgen wage ich mich in die Stadt. Das erste Mal seit andershalb Jahren. Mal schauen wie es wird.

Mondkind

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Reise - Tagebuch #2

Von einem Gespräch mit dem Kardiochirurgen