Traurigkeit

Wir sitzen im Stationsstützpunkt.
Reden ein bisschen.
„Mondkind, hast Du eigentlich einen Freund?“, höre ich irgendwann.
Eine Frage, die so einfach ist.
Und doch so kompliziert.
Ich überlege ganz kurz.
„Nein“, entgegne ich.
Es fühlt sich gerade einfach nicht so an. Wir bewegen uns nirgendwo hin. Ich weiß nicht, wie lange das noch geht.
Und trotzdem fühlt es sich krass an.
Ich warte nicht mehr so richtig abends auf ihn.
Und trotzdem tut es irgendwie weh, wenn er sich erst so spät meldet, dass es absolut keinen Sinn mehr hat, dass er noch vorbei kommt. Weil ich dann viel zu spät im Bett wäre. Und es mir das langsam nicht mehr wert ist.
Es ist anders geworden mit uns. Wir haben das auch einfach nie zu Ende diskutiert.

***

Eine Patientin sitzt vor mir.
Wir machen biographische Anamnese.
„Ich habe vier Kinder. Die habe ich quasi alleine groß gezogen. Mein Ex – Mann ist Chirurg. Sie wissen ja, wie das ist bei Ärzten, der war nie zu Hause.“
Ich notiere etwas auf meinem Klemmbrett. Auch eine Aussage, die seltsam weh tut. Es kommt mir so bekannt vor.
Als ob ich mir nie überlegt hätte, wie das werden würde, wenn der Kardiochirurg und ich eine Familie gründen. Wahrscheinlich würde ich irgendwann in 20 Jahren dasselbe erzählen. Ich bin zwar auch Ärztin, aber trotzdem. Er kommt immer später als ich. Immer. Jeden Tag. Nie vor 20 Uhr. Oft sogar noch viel später.

Erst kommt der Job. Erst kommen die Patienten. Und dann kommt ganz lange nichts.
Es wäre wohl möglich. Eine Beziehung mit einem Arzt zu führen.
Aber dafür bräuchte es Kompromisse. Wie oft habe ich schon vorgeschlagen, einer könnte beim Anderen mal ein paar Tage bleiben. Aber es passiert nichts. Einfach gar nichts. Wir führen aktuell nicht mal mehr eine „Wochenendbeziehung.“ Vielleicht eine „Ein – Wochenende – im – Monat – Beziehung.“

Und obwohl ich Abstand nehmen wollte, bin ich manchmal sehr, sehr traurig. Und manchmal wartet man doch noch. An den Abenden. Wenn man vielleicht irgendwie hofft, dass er auch mal ein bisschen Zweisamkeit vermisst. Und es doch wohl ein Mal schaffen wird, nicht haarscharf so spät zu kommen, dass es eben nicht mehr geht. Weil das jetzt auch schon mehrere Abende hintereinander so war. Weil wir uns das ganze Wochenende nicht gesehen haben. Aber es ist eben so. 

Mondkind

Bildquelle: Pixabay

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