Urlaubsplanung
Dienstagabend. Wir reden über den Urlaub. Man spricht Dinge bei ihm lieber öfter an.
„Der Urlaubsplan wird bei uns langsam festgezurrt – hast Du jetzt bei Dir die Wochen auch eingetragen?“
„Ich habe noch gar nichts eingetragen.“ Ist das sein Ernst jetzt?
„Aber wir haben das doch besprochen.“
„Wann wolltest Du nochmal Urlaub?“
„Das habe ich Dir geschickt…“
„Kannst Du es nochmal schicken…?“
Turns out.
Über Ostern hat er Nachtdienstwoche. Das war es dann mal wieder für irgendwelche Planungen diesbezüglich. Nur, bevor ich zu Ideen gekommen wäre. Wir wollen ja schließlich bei einem „ich bin bei allen sozialen Events nicht verfügbar“ bleiben.
Und über Pfingsten ist Sprungwoche beim Fallschirmspringen. Ergo ist er auch nicht da. Ein langes Wochenende mal mit der Freundin zu verbringen, kommt in seinem Dunstkreis eben nicht vor.
Und nächsten Monat bräuchte er endlich mal wieder Urlaub und müsste auch mal wieder ins Ausland. Könnte er ja machen, wenn ich Spätdienstwoche habe.
Komischerweise ist er immer dann schnell, wenn es darum geht Wochen zu blocken, die wir definitiv nicht zusammen verbringen können.
Gemeinsame Urlaubsplanung heißt aber für mich nicht: „Ich sag ihr mal, wann sie mich dieses Jahr nicht sehen wird.“ Es wäre für mich eher so ein: „Schau mal Mondkind, ich habe überlegt wir könnten in Woche xy Urlaub nehmen.“
Auch dieser Urlaubplan ist natürlich wieder eine Anpassungsleistung meinerseits. Ich würde ja niemals im Oktober zwei Wochen Urlaub nehmen – da wird das Wetter ja langsam wirklich zu schlecht. Aber im September kann er irgendwie nicht. Und davor sind Sommerferien, da dürfen wir nicht. Wenn er jetzt also im Oktober keinen Urlaub einträgt, wird das schon wieder schwer.
Und das mit dem Februar – Urlaub ist ja wohl nicht sein Ernst. Wegen wem konnten wir im Dezember nicht wegfahren, weil er vergessen hat, die Urlaubswoche in den Kalender einzutragen? Jetzt kann er doch nicht ernsthaft auf die Idee kommen einfach ohne mich eine Woche Urlaub zu planen. Und dann auch noch in der Spätdienstwoche, wo ich mal bei ihm schlafen könnte, wenn ich nicht viel zu spät raus komme. Hat er vielleicht mal darüber nachgedacht, dass ich auch gern in den Urlaub fahren würde? Er ist nicht der Einzige, der hier ein bisschen Auszeit mehr als nötig hätte.
Aber dieses Jahr wird es wegen des Facharztes eben schwer – ich kann nicht schon im Februar anfangen, irgendwelche Urlaubswochen einzuplanen, weil er es im Dezember vergeigt hat. Und diese Idee davon, dass wir dann eben beide die Konsequenzen tragen müssen, kommt ihm nicht in den Sinn.
Die neuste Idee ist übrigens, dass wir vielleicht über das Wochenende einen Mini – Urlaub machen. Ich habe Donnerstag Dienst und damit Freitag dienstfrei. Aber ehrlich gesagt – den Dezemberurlaub einfach nachzuholen und zweieinhalb Tage in den Schnee zu fahren, wird etwas knapp. Und ob das so eine gute Idee ist, Freitag völlig übermüdet und mit Übelkeit – wie das nach Diensten eben immer so ist – ewig im Auto zu sitzen und Samstag dann sowieso erstmal bis Mittag zu schlafen; na ich weiß nicht.
Viel gesehen habe ich übrigens von ihm die Woche nicht. Er hat frei nach Nachtdienst. Aber auf die Idee mal über Nacht zu bleiben, ist er nicht gekommen.
Ich glaube, im Moment sind das wirklich sehr ernsthafte Trennungsgedanken.
Ich bin so am Ende mit meinen Nerven, ich kann das einfach nicht mehr mit ihm. Ich glaube ihm auch irgendwo, dass er nicht merkt, wie krass er mich manchmal verletzt, aber ich kann ihn nicht immer und immer wieder darauf hinweisen, dass er sich emotional verhält, wie ein Elefant im Porzellanladen. Das muss er irgendwann mal selbst merken.
Und ja, es wird weh tun. Aber ich kann das einfach nicht mehr. Wir haben doch keine Woche Ruhe in dieser Beziehung. Man läuft von einer Baustelle in die Nächste. Auf der Arbeit gibt es ständig Stress wegen des Facharztes, dann kommt man nach Hause und der Stress geht weiter. Es geht einfach nicht mehr. Wirklich nicht. Und das geht ja schon seit über einem Jahr so. Dazwischen gibt es immer mal wieder Lichtblicke und man denkt, wir gehen mal aufeinander zu, aber wenig später stellt sich wieder heraus, dass das eher die Hoffnung war. Meine Kapazitäten sind erschöpft und so viele Menschen um mich herum merken gerade, wie müde ich bin. Und daran ist nicht nur der Schlafmangel schuld. Der ist nämlich gar nicht so immens hoch.
***
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Bild vom letzten Winterurlaub 2023 |
Manchmal frage ich mich, was aus dem Leben geworden ist.
Ich verstehe schon, dass eine idealisierte Vergangenheit und die Realität einfach nicht kompatibel miteinander sind.
Ich verstehe schon, dass ich mehr im Jetzt bleiben soll, dass ich mehr an den Schrauben drehen soll, die im Jetzt zu bewegen sind.
Ich verstehe schon, dass ich jetzt Entscheidungen treffen soll und ein ständiger sentimentaler Rückschwenk irgendwie nichts bringt.
Und vermisse ich einfach so sehr.
Und ja - damals war es auch nicht einfach. Die Familie war ja nicht einfacher zu händeln. Aber wir hatten uns. Und zusammen haben wir alles irgendwie hinbekommen.
Ich hab mich kürzlich mal gefragt, wem ich wohl als Erstes von der Facharztprüfung berichten werde.
Und dann ist mir klar geworden, wie viel er nicht mehr miterleben hat.
Die ersten „ersten Dienste“ waren so viel Thema zwischen uns, weil ich so eine immense Angst davor hatte, aber als es dann soweit war die zu machen, war er schon tot.
Ich kann mich erinnern, da war um Mitternacht gerade mal Ruhe und ich bin kurz raus an die frische Luft und es war so schwer, weil ich es ihm so gern gesagt hätte, dass ich gerade dabei bin, meinen ersten "ersten Dienst" zu rocken und es gerade ganz gut läuft.
Mit seiner Mum habe ich in dieser Nacht geschrieben. „Du verlierst gerade Deinen Küken – Status“, hat sie geschrieben.
Und manchmal denke ich, dieses Leben von damals, das gibt es gar nicht mehr. Es ist so viel passiert. Ich habe mich auch so sehr geändert. Ich bin nicht mehr der Hasenfuß von damals.
Und er wird es nie mitbekommen, dass ich den Facharzt ja wohl doch hoffentlich irgendwann schaffen werde. Ich habe damals schon gesagt, dass es doch eine Option wäre, danach in die Psychosomatik zu gehen. Und egal ob ich das nun mache, oder nicht, aber damals hätte ich nie gedacht, dass ich lange genug in diesem Job überleben werde, um auch nur die Option zu haben.
Und manchmal denke ich mir, wahrscheinlich fehlt mir nicht nur er als Mensch, sondern auch diese Verbindung, die wir hatten. Dieses Gefühl, zumindest irgendwo mal einen Platz zu haben, irgendwo mal nicht darum kämpfen und verhandeln zu müssen.
Und manchmal geht es mir einfach schlecht damit, wie es eben ist. Es ist einfach so.
Dann versuche ich mir zu sagen, dass es doch okay ist. Ich mache meinen Job, bin denke ich gerade ganz okay darin, bereite mich auf den Facharzt vor und habe einen Freund – also alles was primär erstmal wichtig ist. Aber das ist halt auch eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise.
Mondkind
Ersteinmal finde ich es schwer das ganze hier zu bewerten, aber ich lese deinen blog schon sehr lange und schon bevor der große knall vor 5 jähren kam. Seitdem hat sich viel verändert und auch du hast dich verändert und bist gewachsen. Ich kann verstehen, dass das keine leichte situation mit dem kardiochirugen ist. Wenn ich so aus der Außenperspektive und als langjähriger Leser das ganze versuche zu verstehen, wirkt es so das du angst hast. Angst allein zu sein, wenn du dich trennst. Angst die Möglichkeit zu verpassen eine Familie zu gründen. Aber ist das was du da hast wirklich eine gute basis dafür? Ich habe mich oft gefragt, was du und der verstorbene freund für eine Beziehung hattet. Es klang so als wäre von deiner Seite das ganze eher freundschaftlich und er eben dein engster vertrauter. Andererseits hast du mal geschrieben, dass ihr ja möglicherweise irgendwann mal kinder hättet haben können. Ich vermute, dsss dein großer traum eine eigene Familie ist. Eine die gesund ist, besser als deine Ursprungsfamilie bzw. gesünder und intakt. Aber logisch gesehen, hat die Beziehung jetzt schon mehr Tiefs als Hochs, eine basis für eine glückliche Familie sieht anders aus. vielleicht hast du Torschlusspanik, du hast erst mit ende 20 erste Beziehungserfahrungen gesammelt. aber ich glaube es ist fatal weiter an dieser Beziehung festzuhalten. wenn es dir hilft, könntest du dir auch sagen, dass du vielleicht durch dieses Festhalten gerade verpasst dem richtigen über den weg zu laufen. weil du gerade Scheuklappen aufhast und in einer Beziehung bist. wäre das anders, hättest du vielleicht schon den perfekten typen im Supermarkt kennen gelernt doch so läufst du an ihm vorbei. sich zu lösen ist verflucht schwer, besonders wenn es um liebe geht. doch aktuell ist das ganze vor allem anstrengend, er gibt sich kaum mühe und ihm reicht das wahrscheinlich, ist er glücklich vermutlich nicht. er spürt vielleicht sogar deinen Unmut das nervt ihn aber er hat keine lust sich damit auseinanderzusetzen. wenn du nicht den Schlussstrich ziehst, wird das vielleicht noch ewig so gehen. aber das ist es doch nicht wert. du siehst doch, wie schnell du einen neuen partner gefunden hast. wenn man das ganze liest wirk die Beziehung einfach sehr oberflächlich und du bist mehr wert als das.
AntwortenLöschenwovor hast du angst? allein und einsam zu sein, dass kann man auch in einer Beziehung. du bist noch so jung, sammle Erfahrung, lebe ein bisschen probier dich aus. es ist schwer aus der Komfortzone herauszukommen. aber du engst dich so unfassbar in deinem leben ein. verbietest dir die Psychosomatik weil deine Familie dir das schlecht geredet hat. wem willst du oder vielmehr musst du was beweise? du hast Medizin studiert, arbeitest erfolgreich in dem beruf. was musst du noch erreichen, dass du die zufrieden stellst. soll doch deine Schwester Titel und posten sammeln. warum brichst du nichtmal aus? du bist so mutig, so stark und so gewachsen, doch das ist für manche eben nicht sichtbar und als erfolg messbar. am ende musst du das alles natürlich selbst entscheiden. vielleicht kannst du auch in 20 jähren noch in die Psychosomatik gehen, vielleicht ist das alles jetzt noch zu früh. mach dir eine liste was du vom leben dir noch wünscht. überleg dir was du am ende deines Lebens bereuen würdest getan oder nicht getan zu haben. mach dich frei von Erwartungen. du hast Medizin studiert und rettest leben. in der Psychosomatik doch sogar fast eher als sonst wo. keine Ahnung warum du und deine Familie denkst das das ein schlechterer Bereich ist. du muss für diesen Job doch noch viel mehr können. du hast doch Erfahrungen due du nutzen kannst. am ende kannst du auch hier Oberarzt oder Chefarzt oder Direktorin werden. find ich und glaub ich de meisten nicht weniger beeindruckend als von anderen Bereichen. aber es ist dein leben. tu was sich richtig anfühlt und wenn du es nicht weiß, dann wird die Zeit kommen, wann du es weißt. was sagt denn deine Schwester zu alldem oder freunde? du bist mehr wert als ein vermeintliches ideal zu erfüllen. sei stolz auf dich. jeder schritt denn du gehst verändert dein leben. sei mutig und lass dich nicht Unterkriegen
AntwortenLöschenHey,
LöschenDanke erstmal für diesen langen und ausführlichen Kommentar.
Ich versuche mal ein bisschen darauf einzugehen.
Vom Prinzip her, wenn ich es reflektiere, sehe ich das schon auch so, dass ich sehr große Angst davor habe alleine zu sein und vor allen Dingen zu bleiben. Ich meine, ich kann die Dinge auch alleine rocken, das ist nicht das Problem – das musste ich ja schon oft genug. Aber ja, du hast schon Recht: sich jetzt zu trennen würde bedeuten wieder dort zu sein, wo ich 2020 schon mal war. Erstmal keinen Partner zu haben heißt ja nicht, dass das immer so bleiben muss, aber es fehlt eben erstmal die Grundlage um überhaupt in der Lage zu sein, eine eigene Familie zu gründen. (Und mir muss jetzt niemand um die Ecke kommen, dass das auch ohne festen Partner geht – das weiß ich, aber das möchte ich nicht).
Ich sehe das schon alles, aber ich kann da (noch) keine Handlung für mich draus ziehen. In der Psychosomatik haben wir immer gesagt, dass es noch einen „Gewinn“ geben muss, wenn jemand in destruktiven Situationen bleibt und woraus der besteht, ist mir noch nicht ganz klar. Vielleicht ist es einfach simple Vermeidung, vielleicht – das habe ich ja letztens schon mal postuliert – arbeite ich mich ein bisschen an ihm ab, um etwas aus der Vergangenheit „wieder gut“ zu machen, vielleicht ist es auch noch irgendetwas anderes.
Tja – was der verstorbene Freund und ich für eine Beziehung hatten, wird wohl noch eine Weile die Preisfrage bleiben. Als er in mein Leben gefallen ist, habe ich noch zu Hause gewohnt und hatte keine Ahnung von der Welt, von Beziehungen, davon, wie das Leben läuft. Er hat mich in der Uni angesprochen, wir sind dann vier Stunden spazieren gegangen und dann hat er mich nach meiner Handynummer gefragt und ich habe sie ihm gegeben. Dieser Spaziergang war, als hätte ich eine andere Hälfte von mir gefunden – ich habe davor und danach keinen Menschen erlebt, mit dem ich so eine tiefe emotionale Bindung hatte und mit dem ich so auf einer Wellenlänge war. Und dann war er eben einfach da. Ich glaube, bis zu seinem Tod habe ich nicht hinterfragt, wie viel Bedeutung diese Beziehung in meinem Leben hatte, ich habe es als viel zu selbstverständlich hingenommen.
LöschenNatürlich gab es in dieser Beziehung sehr, sehr wenig Sexualität. Als wir uns kennen gelernt haben, war ich noch mitten in der Anorexie – es ging schon damit los, dass ich mit meinem Körper an sich überhaupt nicht zurecht kam. Ich weiß, dass ihm das sehr gefehlt hat und dass viele Menschen – wahrscheinlich inklusive wir selbst – der Meinung waren, dass eine Beziehung ohne funktionierende Sexualität, keine romantische Beziehung sein kann. Aus einer heutigen Sicht weiß ich, dass es diese Beziehungsmodelle sehr wohl gibt.
Wir haben diese „Was sind wir“ – Frage nie wirklich zu Ende ausdiskutiert; vielleicht auch aus einer Angst heraus, dass wir es anders benennen müssen, als wir es fühlen. Heute ist das ein großes Problem.
Aber es ist natürlich schon so, dass die beiden Beziehungen danach anders liefen. Während es beim verstorbenen Freund in erster Linie eine tiefe emotionale Bindung war, die uns aneinander hat hängen lassen, war es sowohl beim Exfreund als auch beim Kardiochirurgen eher eine sexuelle Anziehung. Das kannte ich bis zum Exfreund überhaupt nicht. Es wäre mit beiden nicht möglich gewesen Gespräche zu führen, die eine Tiefe hatten, die denen mit dem verstorbenen Freund nahe kommen.