Von den Erlebnissen eines Wochenendes

There's something in the silence
I never used to feel
There's something about knowing
That tells you this is real

When you're close
All I know I don't want to let you go

Hello happiness
Tell me where you've been
I missed the sound of your voice
I missed the touch of your skin
It's no secret I'm not who I used to be
Anyone can see
You're the difference in me

(Westlife – Difference in me)

 

Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Song nochmal zitieren werde.
Und auch wenn natürlich nicht alles okay ist, stimmt es doch in großen Teilen.

Montagmorgen.
Ich bin bereits um 5 Uhr wach und denke schon, dass die Nacht für mich gelaufen ist. Allerdings schlafe ich irgendwann im Verlauf tatsächlich nochmal kurz ein und das Nächste das ich merke ist, dass jemand die Decke ein Stück hoch zupft und drunter schlüpft.
Einer der letzten gemeinsamen Momente dieses Wochenendes, ein letztes Spüren des anderen Menschen. Ehe wir ein letztes Mal Kaffee kochen und gemeinsam frühstücken.

Ich mache noch ein bisschen Ordnung in der Wohnung, ehe ich – nachdem mein Freund schon unterwegs zur Arbeit ist – auch die Wohnungstür hinter mir zuziehe. Schon wieder voll im Montagsstress. Die Kollegen haben angerufen; wir sind schlecht besetzt auf der Intensivstation. Ich muss eher zum Spätdienst kommen und deshalb schnellstens von der Nachbarstadt heim düsen – was im Berufsverkehr nicht so schnell geht, wie ich das gern hätte. Und auf der Arbeit wartet direkt die nächste Hiobsbotschaft: Man möchte, dass ich am Mittwoch spontan einen Intensivdienst mache; mir hat man es noch als Option vorgeschlagen; im Dienstplan steht es aber schon fest drin. (An der Stelle sei mal kurz vergessen, dass man dafür eigentlich noch ein paar Kurse absolvieren sollte, wie zum Beispiel ein Intubationstraining… )Wir erinnern uns – ich kann nicht mal alleine eine Trachealkanüle wechseln. Ich bin mir noch nicht hundert prozentig sicher, was aus der Nummer wird, aber ich fürchte, ich werde nicht raus kommen. Ich habe so Angst, da nachts jemanden umzubringen. Und wenn ich ein Mal den ersten Dienst dort gemacht habe, werde ich das immer wieder tun müssen und damit wird sich auch die Anzahl der Dienste massiv erhöhen; ich bin ja schon bei sechs diesen Monat.
Und damit sinkt die Lebensqualität dann ziemlich – nicht wegen der Anzahl der Dienste, sondern wegen der Intensivdienste. Ich habe wirklich keine Lust mehr auf Nächte voller Herzrasen und Magenschmerzen – so wie es bei den Notaufnahme – Diensten auch die ersten Monate ganz extrem war. Und es bringt mir auch nichts als Neurologin. Es stopft die Löcher dieser Klinik. Aber sobald ich von dieser Intensiv endlich weg rotieren darf, möchte ich nie wieder etwas damit zu tun haben – während ich die Notaufnahmedienste ja gern weiter mache.
Ich verstehe bis heute nicht, warum die mich jobtechnisch nicht mal ein paar Monate in Ruhe lassen können. Muss man mein System immer und immer wieder auf den Prüfstand stellen? Das war doch schon im März klar, dass das so enden wird. Mit den altbekannten, massiven, kaum händelbaren Ängsten.

Es kann nicht bleiben, so wie es im Moment ist. Das ist seit Tagen mein Gefühl. Irgendetwas lauert da. Das ist kein Mondkind – Leben hier. Und Intensivdienste ohne genug Ahnung zu haben, sind mal Risiko genug, dass ich mir die nächsten Dramen auf die Schultern lade.

Und weil das alles schon wieder viel zu viel Verzweiflung ist, schauen wir einfach ein bisschen zurück in die Momente, die wir jetzt im Herzen tragen.
Wochenende. Das ist aktuell noch eine ständige Aneinanderreihung von ersten Malen.  


 

Freitagabend.
Es dämmert schon, als ich durch den mir mittlerweile vertrauten Ort fahre, an der Fußgängerzone und unendlich vielen Zebrastreifen vorbei, den steilen Berg hinauf und das Auto vor dem Haus parke. Wenig später spüre ich endlich die sehr vermissten Arme auf meine Rücken, den Geruch seines Shirts in meiner Nase und langsam legt sich eine eigenartige Ruhe über mich.
Die Woche war anstrengend. Zwei Dienste, unglaubliches Chaos im Kopf. Viele Ambivalenzen, viele innere Widerstände, die sich über die Tage sehr spürbar aufgebaut haben. Auf der einen Seite möchte ich über das, was die letzten zwei Jahre passiert ist, überhaupt nicht mehr reden, auf der anderen Seite drückt es doch – insbesondere auf den Magen.
Und deshalb führen wir sofort Freitagabend tiefgründige Gespräche. Es geht – wie schon so oft um die Themen Schuld und Verantwortung und um das Sterben. Mein Freund ist der Meinung, dass da mehrere Schwierigkeiten gibt. Zum Einen hätte ich das Schuldthema irgendwann mal am liebsten los und das werde ich nicht los und das macht Stress. Und sobald ich die Verantwortung und damit die Schuld von mir weg zu schieben versuche, habe ich das nächste Problem. Denn auch ich habe da in der Vergangenheit nicht sehr verantwortungsvoll gehandelt und es mehr als ein Mal darauf angelegt, dass Jemand anders mir die Verantwortung abnimmt. Das war alles sicher viel Not – und trotzdem macht man sich damit schuldig. Ob ich es nun von der Perspektive der Hinterbliebenen oder der der Perspektive der Lebensmüdigkeit betrachte – Schuld trage ich auf jeden Fall. Das zweite Problem ist, dass es auch problematisch ist, die Schuld an eine höhere Instanz abzugeben – der Moral zum Beispiel. Auch mit dieser Idee wird man zu keiner Lösung kommen. Schuld annehmen, das sei wohl des Rätsels Lösung. Und dennoch ist es unfair einen Tod auf meinen Schultern tragen zu müssen, für den ich eigentlich nicht aktiv verantwortlich bin. Aber eben passiv.
Auch mit dem Sterben tue ich mich so schwer, wie selten im Leben. Wir reden darüber, dass jeder nicht nur die Verantwortung für sein Leben, sondern auch für sein Sterben hat und dass man auch nicht nur für die anderen leben muss. Und das ist irgendwo richtig, aber es macht mir Angst. Und am Ende haben wir es aber doch sowieso nicht in der Hand. Menschen sterben und das Einzige das wir tun können, ist irgendwie damit umzugehen. Leben, Lieben und Sterben haben mir noch nie mehr Angst gemacht, als jetzt.
Und das letzte große Thema für diesen Abend ist das Vergessen. Damit meine ich nicht, dass man die Existenz des verstorbenen Menschen vergisst, aber mit der Zeit werden die Erinnerungen doch blasser. Sie tragen nicht mehr die hundert Prozent Emotionen in sich. Klar, ich weiß, dass es so viele gute Momente gab, aber die nachzufühlen, wird schwieriger. Und da noch niemand gegen die Zeit gewonnen hat ist das ein Kampf gegen das Verblassen, den man nur verlieren kann. Und noch etwas: Wenn der jetzige Freund morgen sterben würde, dann würde all das was wir heute haben in zwei Jahren auch blasser sein. Und auch das ist aktuell eine schreckliche Vorstellung. Klar, es ist das Leben irgendwo – aber doch unfassbar grausam.
Vielleicht liegt es daran, dass Freitagabend ist und ein paar meiner Gehirnzellen schon schlafen, aber ich habe diesen Menschen gegenüber selten so standfest und auf eine liebe Art streng erlebt. Heute kommt er mir vor wie eine Wand, an der ich mir ständig den Kopf anschlage. Er lässt sich Null auf meine Argumentation ein. Aber wahrscheinlich ist das richtig so; ich kann ihn in seiner Haltung akzeptieren; wenn auch aktuell nicht unbedingt vom Inhalt her. Aber ein bisschen Widerstand an dem ich mich reiben kann, brauche ich wohl doch. Irgendwann stellen wir fest, dass ich mit der Verarbeitung des ganzen Themas wohl noch nicht sonderlich weit gekommen bin.

 

Samstag.
Ich habe es so sehr vermisst, diesen Menschen neben mir zu spüren. Es war zwar nur eine Woche, aber es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Ich könnte den ganzen Tag mit ihm liegen, nur in dem Moment bleiben in dem wir sind und vergessen, dass es einen Raum und eine Zeit um uns herum gibt. Dass dieser Moment begrenzt ist auf ein Wochenende, dass die Intensivstation am Ende des Wochenendes wieder wartet mit ihren medizinischen und zwischenmenschlichen Dramen.
Diesen Menschen zu spüren ist ein Emotionsfeuerwerk und ein so starker Gegenpol zu dem Sturm, der immer noch – oder gerade wieder sehr ausgeprägt – in meinem Kopf herrscht.

Irgendwann stehen wir dann aber doch auf und fahren ins Möbelhaus. Ich komme endlich mal dazu einen Lampenschirm fürs Schlafzimmer zu kaufen (fehlen also nur noch Bad und Wohnzimmer) und das nächste Projekt wird es, den auch anzubringen. Es ist schon immer noch ein bisschen komisch in aller Öffentlichkeit offensichtlich als Paar durch die Gegend zu spazieren. Und gleichzeitig ist es ein unglaubliches Glück, das permanent das Herz flutet. Mein Freund braucht eine Lampe für seine Praxis, die wir dann auch auf dem Heimweg direkt dort vorbei bringen.
Und dann stehen wir dort. In dem Raum, in dem die Entscheidung für dieses Abenteuer hier gefallen ist. Damals lag eine vertikale, unsichtbare Grenze zwischen uns, die wir nicht übertreten durften. Wir setzen uns nochmal gegenüber – so, wie es damals war. Fast kann ich ihn nochmal spüren, diesen Schmerz in mir so viel für einen Menschen zu empfinden, bei dem das nicht so sein darf. Ich erinnere mich an diese letzte Stunde in der alten Beziehungskonstellation, in der wir über allerhand Formalitäten zwischen uns geredet haben und mir – obwohl ich mir vorher sehr lange rational den Kopf zerbrochen hatte und so einige Pro- und Contra – Listen für die eine oder andere Möglichkeit geschrieben hatte – klar geworden ist, dass ich diese unsichtbare Grenze zwischen uns nicht mehr aushalten will. Und ich mir doch des Risikos bewusst war, dass das ein gehöriger Schuss in den Ofen werden kann und es sicherer wäre, alles so zu lassen wie es ist und nie wieder darüber zu reden.
Und dann steht er auf und nimmt mich einfach in den Arm. Heute dürfen wir das in diesem Raum.
Damals war ich sehr unsicher mit dieser Entscheidung. Ich hatte keine Ahnung, ob das so funktionieren wird. Ob ich überhaupt in der Lage dafür bin. Ich hatte große Angst einen Fehler zu machen Heute wünschte ich, ich hätte damals den Schatten von uns beiden sieben Wochen später in diesem Raum sehen können. Und spüren können, dass sich all das Kämpfen und Verzweifeln lohnen wird. Heute bin ich dankbar, für diesen Mut. So oft in meinem Leben waren die kopflosesten Entscheidungen, in denen ich nach sehr langer, reiflicher Überlegung am Ende doch meinem Herz gefolgt bin, die Besten.
Es ist ein hochemotionaler Augenblick und ich spüre so viel Dankbarkeit in meinem Herzen, dass wir beide nicht aufgegeben haben, obwohl es so schwer war.
Und irgendwie kann ich so oft immer noch nicht glauben, dass es wirklich wieder ein „wir“ gibt. 


 

 

Sonntag.
Der Morgen startet ruhig. Er schlüpft unter meine Decke im Wohnzimmer und ich bin so erschöpft, dass ich über Stunden kaum wach werde. Wenn er seinen Arm auf meinem Magen platziert, verschiebe ich ihn jedes Mal um ein paar Zentimeter, damit der Druck auf dem Magen ein bisschen abnimmt.
Und das bringt uns wieder dazu, über die Erschöpfung und die Magenschmerzen zu reden, was neben der Erschöpfung durch die Dienste und die Intensivstation wahrscheinlich leider ein ziemlich psychosomatisches Konstrukt ist.
„Man sollte darüber reden, bevor es überall anfängt zu drücken“, werde ich belehrt und auch zum wiederholten Mal, dass es für ihn okay ist. Obwohl ich da extrem vorsichtig geworden bin, weil ich ihn auch nicht überbeanspruchen möchte. „Ich bin einfach ziemlich verwirrt seit ein paar Tagen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das kleine bisschen Frieden, das ich mit der ganzen Situation schon mal gefunden hatte, sich komplett in Luft aufgelöst hat. Das fühlt sich manchmal wieder an, wie im Sommer 2020. Ich weiß auch nicht, woher das kommt.“ „Ich weiß schon, woher das kommt“, sagt er nach einer kurzen Pause. „Naja, wahrscheinlich hat das etwas mit uns zu tun“, entgegne ich. Er nickt.
Es sind kaum auszuhaltende Ambivalenzen, weshalb ich da auch viel verdrängt habe die letzten Wochen – jetzt kommt es nur geballt zurück. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl den verstorbenen Freund zu verraten, auf der anderen Seite fühle ich seit so langer Zeit das Leben wieder und bin unendlich dankbar dafür. Es gibt so viele Ängste, von denen ich wünschte, dass sie komplett irrational sind, aber das sind sie nicht. Wenn wir uns am Ende des Wochenendes verabschieden, dann habe ich immer Angst, dass wir uns nicht mehr sehen. Dann habe ich immer im Kopf, dass das was zwischen uns ist, im Zweifel für ein ganzes Leben reichen muss. Dieses Bewusstsein wie viel es zu verlieren gibt, schafft auch eine gewisse Ohnmacht. Ich merke auch langsam, dass viele Konzepte, die ich im Kopf hatte so nicht haltbar sind. Ich war überzeugt davon, dass ich mich nie wieder verlieben kann. Nie wieder einen Freund haben werde. Dass das in gewisser Hinsicht die Strafe ist für das, was ich versäumt habe. Und jetzt spüre ich, dass die Liebe mit jeder Woche mehr wird und bin erstaunt wie viel Liebe noch in mein Herz passt. Der lebende Freund ist wie ein riesiges Geschenk mit Schleife drauf, das einfach so in mein Leben gefallen ist und verdient habe ich das halt irgendwie nicht.
Und ich spüre auch das erste Mal, wie viel Drama die letzten Jahre waren. Ich konnte das nicht immer so sehen, dann wäre ich daran vermutlich kaputt gegangen, aber rückblickend betrachtet tut es sehr weh. Es gab Zeiten, in denen die Psychiatrie mehr zwischenmenschliches zu Hause war, als jeder andere Ort das je hätte sein können. Und ich bin unglaublich dankbar, dass es solche Einrichtungen gibt, die auffangen können, wenn sonst nichts mehr hält. Aber das sind vertikale Beziehungen. Übergangslösungen. Krisenmanagement. Und dennoch habe ich daran so gehangen, habe mich auffangen lassen von Menschen, die ich kaum kannte, weil ich ein zwischenmenschliches zu Hause einfach nicht hatte. Jetzt finde ich das langsam und spüre, dass ich sehr hoffe nie wieder in der Psychiatrie zu sitzen, was wahrscheinlich sehr gesund ist, aber im Rückblick eben doch schmerzt. Ich wünschte, da wären nach dem Tod des Freundes private Beziehungen gewesen, die hätten tragen können. Und gleichzeitig spüre ich, dass mein Freund und ich wahrscheinlich mittlerweile genug Liebe ineinander stecken, um den anderen nicht hängen zu lassen – egal wie groß die Meinungsverschiedenheiten zwischen uns auch waren und vielleicht noch sein werden. Aber ich meine immer mehr zu spüren, dass wir uns aufeinander verlassen können und im jeweils anderen einen Platz gefunden haben, an dem wir bleiben können.
Es gibt so viele Dinge, die neu überdacht, neu bewertet und neu integriert werden müssen und ich befürchte, da wird für lange Zeit auch eine sehr, sehr große Angst bleiben. Wenn man so oft am Abgrund stand, so oft das Sterben schon fast gesehen hat, weil es so oft so unaushaltbar schwer schien und so end- und auswegslos, dann fällt es schwer zu vertrauen. Obwohl ich eine tiefe Dankbarkeit spüre, es bis hierher geschafft zu haben und vielleicht erleben und spüren zu dürfen, dass sich all diese Dramen am Ende doch noch gelohnt haben.
Und während ich so vor mich hin sinniere, versuche aus dem Gedankenpotpourri einen nachvollziehbaren roten Faden zu generieren, laufen die Tränen. Er fängt jede Einzelne davon mit einem Taschentuch auf und signalisiert immer wieder, dass es okay ist.
Und ich bin dankbar, dass er auch diese Mondkind – Seite akzeptiert. Und auf meinen Gedanken, dass so viel Negativität vielleicht auch etwas mit Undankbarkeit der Situation gegenüber zu tun hat unterstreicht, dass das Glück und die Schwere parallel existieren können. Das Eine radiert das andere nicht aus. Das muss nur auch ich akzeptieren.

Irgendwann stehen wir auf. Nachdem wir letzte Woche so eine schöne Fahrradtour gemacht haben, gibt es Wiederholungsbedarf.
Wir fahren ziemlich steile Schotterwege entlang und ich habe mehr als ein Mal Angst mit seinem Fahrrad einfach weg zu rutschen. Irgendwann kommen wir an einer Stelle am Fluss an, an der er eine Kurve macht und ein paar Steine im Wasser liegen. Wir halten an, setzen uns auf die Steine und picknicken. Und dann spüre ich seine Arme auf meinem Rücken und seine Lippen auf meinen irgendwo in diesem Wald auf der Lichtung und nur ein paar Enten beobachten uns. Und dann habe ich schon wieder Tränen in den Augen. „Was ist Mondkind?“, fragt er. „Manchmal ist es einfach schön“, sage ich. Ich bin echt so eine emotionale Vollkatastrophe im Moment. Mir wird immer wieder klar, was das für ein Wunder ist. Und ich verstehe so oft auch nicht, was ich in seinem Leben zu suchen habe.

Unsere Radtour endet mit einer Pizza in einem Restaurant, das in einem Park liegt, durch den ich im Januar unzählige Male zu Fuß unterwegs war. Und als wir mit unseren Fahrrädern hinein fahren, habe ich das Gefühl, ich lerne mit ihm die Stadt irgendwie ein zweites Mal kennen. Nicht, dass die Orte heute anders aussehen würden, aber es ist ein anderes Gefühl. Zwischen der Person, die im Januar diesen Park durchquert hat, ihr Übergangs – zu – Hause eben notgedrungen in einer Klinik hatte und der Mondkind von heute liegen Welten. Und die Mondkind vom Dezember letzten Jahres möchte ich bitte so schnell nicht mehr erleben.
Am Abend müssen wir nochmal die Story wiederholen, wie wir uns kennen gelernt haben, wer wann eine Ahnung hatte, was wir uns gedacht haben. Ich könne das jedes Wochenende wieder durchkauen, weil es schön und so hochemotional ist. Und nachdem das so ein unglaublich schwieriger Start war und er – wie er kürzlich mal sagte – meine Ängste da ordentlich auf die Probe gestellt hat, fange ich langsam an zu glauben, dass das mit uns lange halten könnte. „Ich habe mich für Dich entschieden“, hat mein Freund gesagt und somit all das, was er mich fühlen lässt, verbal unterstrichen.

Ich traue mich zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit vorsichtig in die Zukunft zu blicken.
Und ich glaube, es könnte richtig gut werden. 


 

Jetzt werden wir aber eine Weile nur noch wenig Zeit füreinander finden. Mal ist er unterwegs, mal habe ich Dienste ohne Ende. Wir haben uns schon überlegt, ob sich aus den Spätdiensten zumindest mal ein Abend generieren lässt, aber die Intensiv ist eine Wundertüte und eigentlich weiß heute Niemand, wie er übermorgen arbeitet – manchmal nicht mal, wie er morgen arbeitet.
Und dennoch kann ich es kaum erwarten – das nächste Wochenende, das komplett uns gehört. Auch, wenn das erst Richtung Ende August sein wird.

Und jetzt überleben wir erstmal den Tag morgen und den Dienst danach. (Ich habe bisher nicht mal ein Buch über klinische internistische Notfälle. Neuro - Notfälle kommen da eher selten vor...)
Nachdem wir heute wieder auf dem Boden der Tatsache angekommen sind. Ich bin morgen alleine auf der Intensiv, komme nicht umhin meine ersten PEGs zu legen fürchte ich. Leider lässt sich Vieles auf der Intensiv aktuell nicht vermeiden. So gerne ich es auch würde. Ich glaube, ich kann die ganzen Hürden die ich überspringen muss, bis ich wieder in den Armen des Freundes liegen darf aktuell nicht mal überblicken. 
Er fehlt mir schon jetzt sehr.

Mondkind

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