25 Monate
Hey mein lieber Freund,
schon wieder ein Monatstag. Und wie so viele von diesen Monatstagen,
verbringe ich den natürlich im Dienst. Am Anfang habe ich mal gesagt, dass mir
das zu emotional anstrengend ist, diese Tage im Dienst zu sein, aber der
Job fordert scheinbar seinen Tribut.
Du sag – wie geht es Dir eigentlich?
Ich weiß gar nicht, ob ich heute so viel zu sagen habe.
Oder ob ich einfach nur ein paar Impressionen teilen möchte. Es
arbeitet viel in mir und in den letzten Tagen hat es so einige
Erklärungsansätze gegeben, warum das mit uns beiden so schwer war, aber wirklich ausspucken kann ich das noch nicht.
Das ändert
es auch nicht mehr und es wird niemals die Schuld von meinen Schultern nehmen,
die sich fast automatisch ergibt, wenn daran ein Menschenleben hängt. Aber irgendwann
vielleicht zu ahnen wo der Haken war, macht die Dinge vielleicht verstehbarer und dann braucht es nicht mehr all die dysfunktionalen Überzeugungen, die ich heute noch habe.
Es ist unfair, dass ich noch leben und atmen darf, dass ich die Studienstadt und all die Erinnerungen noch sehen und spüren darf, während Du das nicht mehr kannst.
Studienstadt.
Dieser Fluss und die Altstadt wird immer ein magischer Ort sein. Immer
ein Stückchen „wir“.
Es gibt eine Szene, die fällt mir immer ein, wenn ich in die Nähe der
Promenade kommen. Ich weiß nicht, wieso gerade diese Szene mir so präsent ist,
als sei es gestern gewesen. Du und ich auf der Büchermeile. Du läufst vor mir,
ich schleiche hinter Dir an den Tischen entlang und wir lesen unzählige
Buchrücken, ehe wir uns entscheiden, welche Bücher wir mitnehmen.
Es gibt so viele Cafes, an denen ich vorbei laufe und mir denke: „Hier
waren wir.“ Ich bin den einen Tag mit der Bahn in die Stadt gefahren, vorbei an
Deinem alten Arbeitsplatz, vorbei an dem Cafe, in dem wir uns zum ersten Mal
getroffen haben. Es gibt so viele Bus- und Bahnverbindungen, zu denen mir
irgendeine Erinnerung einfällt. Fast kann ich Dich hören und so manches Mal
hatte ich immer noch ein „warum läuft er da?“ im Kopf, wenn irgendeine Person
in der Ferne auch nur eine minimale Ähnlichkeit mit Dir hatte.
Vielleicht wird mein Kopf an diesem Ort nie verstehen können, was da
passiert ist. Wieso wir uns nicht mehr sehen, hören und spüren können.
Fast jeder Ort und jede Ecke ist mit irgendeiner Erinnerung an Dich
verknüpft.
Aktuell stehe ich tendentiell etwas stabiler, als die letzten beiden
Jahre. Und deswegen konnte ich diesmal in der Studienstadt nicht nur die
Erschütterung wahrnehmen, sondern auch die Dankbarkeit, dass wir beide diese
Zeit miteinander erleben durften. Ich glaube, es gibt nichts Wertvolleres als
gut gemeinsam verbrachte Zeit.
Und dennoch zeigt sich auch in der Studienstadt der Wandel der Zeit.
Die Fußgängerzone ist mittlerweile fertig; dort wo jahrelang eine Baustelle die
komplette Straße entlang war und viele Geschäfte nicht überlebt haben, weil das
so unattraktiv war, dort entlang zu gehen.
Und irgendwie war das ein seltsamer Stich ins Herz zu bemerken, dass
es jetzt auch Ecken in der Stadt gibt, die ich kennen lerne und die Du nie
kennen lernen wirst.
Ich würde mir bis heute wünschen, die Dinge wären anders gelaufen. Dass
ich nicht jeden Monat diesen Brief schreiben müsste. Und gleichzeitig – wenn ich
ehrlich bin – weiß ich nicht, ob das mit dieser Beziehung auf Dauer hätte etwas
werden können. Wir haben viel geredet – aber teilweise nicht über das
Wesentliche – so ehrlich muss man sein. Und dennoch würde ich mir wünschen zu
wissen, dass Du irgendwo leben und atmen würdest. Am Besten irgendwo in meiner
Nähe.
Wir haben so viel gemeinsam erlebt und gestemmt, dass ich Dich
freiwillig nie losgelassen hätte; das weißt Du hoffentlich.
Ganz viel Liebe in Richtung Universum.
Ich hoffe, Du bist okay – wo immer Du auch bist.
Drück mir die Daumen für den Dienst heute – ich bin so müde…
Mondkind
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