Planänderung


Atmen.
Und existieren.
Das ist doch alles, was Du aktuell tun musst.
Mehr ist doch gar nicht nötig. Mehr mache ich auch ehrlich gesagt nicht.
Überleben ist manchmal auch anstrengend genug.

Ich habe meine Mutter am Telefon.
„Also Mondkind, ich halte das mit der Klinik ja für den größten Quatsch. Es scheint ja zu Deinem Lebensglück zu gehören, aber damit machst Du Dir das jetzt alles kaputt. Fahr doch einfach mal in den Urlaub. Du kannst doch hier hoch in den Norden zu meinem Freund kommen – da bekommst Du sogar kostenlos ein Zimmer. Besser geht es doch nicht…“
„Nein, das mit der Klinik ist nicht mein Lebensglück“, setze ich zur Verteidigung an. „Aber was nützt Dir der Urlaub, wenn es Dir schlecht geht? Dann macht es das nur noch schlimmer…“
„Und geht es Dir denn schlecht?“, fragt sie.
„Ja“, entgegne ich. Am Telefon klinge ich jetzt auch nicht wie ein Spring – ins – Feld. Das muss sogar meine Mama zugeben.

Und irgendwie… - man muss ja mal so gar keine Ahnung von psychischen Krankheiten haben um zu wissen, dass Urlaub bei Depressionen absolut nichts bringt. Das sollte sich doch mittlerweile bis zum Laien herum gesprochen haben.

Sie holt zu einer zweiten Argumentationsschleife aus. „Also Mondkind, Du musst aufpassen, dass Du da keine Rechnung bekommst…“
„Ich habe mit dem Oberarzt gesprochen. Es gibt keine Rechnung. Das ist alles geklärt…“
„Also Mondkind, da würde ich mich nicht drauf verlassen – das brauchst Du schriftlich. Weißt Du denn, was so ein Klinikaufenthalt kostet? Da kommen schnell mal 10 000 Euro zusammen. Da brauchst Du Dir keine Gedanken mehr um eine neue Küche in Deiner Wohnung machen. Das ist ein Klacks dagegen. Du kannst das mit der Klinik wirklich nicht machen…“

Ich auf dem grünen Stuhl. Er übereck. Dunkles Büro. Im letzten Herbst.
Während draußen die Blätter fielen, legten wir uns einen Plan zurecht. Der war gut. Wirklich gut.
Heute bleiben nur noch die Erinnerungen. Von Zeit zu Zeit hört man einen Satz aus der Ferne. Oder auch zwei. Aber man geht alleine. Die Kraft, die Hoffnung aus dem Gestern muss reichen.

Planänderung.
Mamas Freund will mich in den Ort in der Ferne fahren. Man komme auch extra einen Tag eher aus dem Urlaub zurück. An einem Tag hin und zurück ist selbst für einen Gesunden viel. Das muss doch jetzt nicht sein - ich habe nicht darum gebeten. Und ich hätte doch auch Fahrkarten gehabt.

Aber vermutlich wäre ich am Ende doch nicht gefahren. 13 Stunden auf Straße und Schienen halte ich im Moment einfach nicht aus. Ich weiß nicht, ob man das irgendwann mal sagen darf – insbesondere, wenn man schon weit vor dem Examen am Rande des Machbaren ging. Aber ich kann einfach nicht mehr. Wirklich nicht. Mittlerweile hat es auch eine Mondkind erwischt, die mehr Zeit im Bett als irgendwo sonst verbringt. Für mich ist das im Moment einfach nur furchtbar.

Und was ist, wenn Mamas Freund die Tour nicht schafft? Und ich Dienstag nicht pünktlich in der Ambulanz stehe? Und bis dahin vermutlich sowieso stundenlang non – stop gehört habe, wieso die Klinik schlecht ist? Und mich dezent über die Therapeutin hinweg gesetzt habe, die das gar nicht so gut findet, wenn ich jetzt aufbreche in den Ort in der Ferne?

Wo doch die Überlegung war, sie am Dienstag darum zu bitten, mich über die Notaufnahme in die Psychiatrie zu schicken, wenn die das gerade organisatorisch nicht hinbekommen. Als ob klein Mondkind sich trauen würde um so etwas zu bitten… - aber einen Plan kann man ja haben.

Morgen früh soll ich dem Seelsorger ja noch ein Update geben. Vielleicht hat er ja eine Idee, wie jetzt zu verfahren ist…
Denn eigentlich muss ich vermutlich dankbar sein... 

Mondkind

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