Psychiatrie #4 Fortschritte und Wochenende


Wochenende in der Psychiatrie.
Ruhe auf der Station. Die meisten sind ausgeflogen. Tagesurlaub. Ich hatte heute keine Kraft, um ins Wohnheim zu fahren. Und außerdem weiß ich auch nicht, was ich da soll.

Es tut sich etwas. Vielleicht. Ganz langsam.
Mit viel Anstrengung meinerseits. Ich muss die Situation nun eben nehmen wie sie ist und versuchen, langsam mit dem Team hier zurecht zu kommen.

Vermutlich muss ich viel mehr und viel ehrlicher kommunizieren. Ich höre, dass ich ziemlich taff wirke. Man sieht mir einfach nicht an, was sich täglich in meinem Kopf abspielt. Und mir fällt es auch schwer, mich auf die Patientenrolle einzulassen. In der Visite zu sitzen und zu sagen, dass es mir schlecht geht, ist nahezu undenkbar. Irgendwie versuche ich doch immer positive Punkte zu finden und die auch voran zu stellen. Immer wenn ich die Ärzte sehe, habe ich das Gefühl, auch arbeiten zu müssen und kein Recht darauf zu haben, gerade auf der Patientenseite abzuhängen. Es funktioniert doch irgendwie. Hat irgendwie funktioniert…
Auch ins Schwesternzimmer würde ich nie gehen, wenn es mir nicht gut geht.
Beinahe fühle ich mich hier eingeengter, als in meinen vier Wänden. Dort wusste ich immer, dass ich im Notfall der Therapeutin schreiben konnte und wir einen außerplanmäßigen Termin machen können. Zwar habe ich auch das immer nur mit viel Bauchschmerzen gemacht, aber irgendwann habe ich gelernt, dass es okay ist und sie mich dafür nicht verurteilt.
Hier bin ich noch nicht in der Lage, mir außerplanmäßige Gespräche zu organisieren, wenn es mir nicht gut geht. Und dass meine Bezugsbetreuerin gerade krank ist und ich ab nächste Woche einen neuen Psychologen bekomme, weil die mir zugeteilte Psychologin in den Urlaub geht, macht es nicht besser. 

Blick auf das Gelände... 🌳🌿


Ich glaube, ich bin gerade viel zu sehr im Verdrängungsmodus. Eine Mauer zwischen mir selbst und der Realität. „Distanzierter Beschützer – Modus“ heißt das wohl in der Schematherapie, habe ich gelernt.
In ein paar Wochen fliegt mir alles um die Ohren. Wieder mal. Abhängig davon, ob ich den Wohnungsvertrag unterschreibe oder nicht, bin ich in rund einem Monat viele hundert Kilometer weit weg und muss alleine stehen und gehen. Weitestgehend zumindest. Wie sehr meine Anker da noch existieren, weiß ich noch nicht.
Ich weiß nicht, wie ich das machen will. Aber ich möchte auch dieses Drama vor den letzten Ortswechseln nicht mehr erleben. Das hat mich jedes Mal etwas mehr an meine Grenzen gebracht und bisher glaube ich nicht, dass das hier irgendwer auffangen wird.

Dennoch gibt es etwas Hoffnung nach dem Gespräch mit der Psychologin am Freitag. Ich hatte ihr einen Zettel mitgebracht (was allein viel Mut erfordert hat), den sie dann zu meiner Verzweiflung laut vorgelesen hat. Aber es ging genau um den Aspekt der zwei Leben, die ich lebe. Die nach außen hin „normale“ Welt und das Innen, das ganz anders aussieht.
Offensichtlich hat das den neuen Psychologen den ich bekommen werde dazu animiert, mir gleich für Dienstag wieder einen Termin zu geben. Von den Mitpatienten habe ich gehört, dass er ziemlich gut und engagiert sein soll – also hoffen wir mal auf Fortschritte.

Mit der Familie ist und bleibt es unterdessen schwierig. Aufgrund des Mietvertrags musste ich einige Telefonate führen. Nicht ein Mal habe ich dabei die Frage gehört, wie es mir denn hier geht.
Dafür hatte ich vertraute Stimmen aus der Ferne am Ohr. „Du hältst mich auf dem Laufenden“. Tiefe Dankbarkeit im Innen. Dass es doch noch Situationen gibt, in denen ich mich mal nicht verstecken muss.

Nächste Woche passiert viel. Entweder ich unterschreibe den Mietvertrag oder nicht – um das zu entscheiden, muss ich Montag nochmal einige Fragen mit der Maklerin klären. Beides hat weitreichende Konsequenzen. Und ich hoffe, dass ich hier endlich mal weiter komme, ein paar mehr Gespräche bekomme und ich es endlich zulassen kann, jemanden hinter die Mauern blicken zu lassen.

Allen Lesern wünsche ich einen guten Wochenstart!
Mondkind

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