Psychiatrie #2 Die erste Woche



Seit über einer Woche mal wieder am heimischen Schreibtisch.
Ich habe Belastungserprobung bis 18 Uhr beantragt. Und da die Visite gleich am Donnerstag und Freitag ausgefallen ist, wurde einfach alles durchgewunken.
Und jetzt sitze ich hier. Mit dem PC vor mir auf dem Schreibtisch dessen Lüftung klingt, als würde ein Düsenjet neben mir abheben (was ist da schon wieder los?), einem Kaffee neben mir und dem gewohnten Blick nach draußen auf die Wiese.
Es fühlt sich komisch an zurück in einem Raum zu sein, durch dessen Luft so viel Unheil schwebte. Übernachten möchte ich hier immer noch nicht müssen. Immer noch liegen alle Utensilien hier, die einen heimlichen und leisen Abgang aus dem Diesseits ermöglichen. Noch bin ich nicht bereit, die zu eliminieren.

Mit dem Blog hochladen über den Surfstick – das wird sich wohl doch nicht ganz etablieren – vielleicht hin und wieder mal. Das braucht einfach zu viel Datenvolumen. Denn zwischendurch die Mails abrufen, muss ich ja auch noch, um nichts zu verpassen.

Psychiatrie – was ist so los dort? Was ist das Resümee nach einer Woche?
Ein bisschen ernüchternd ist es schon, ehrlich gesagt. Ich bin dort sicher und werde garantiert die nächsten Wochen überleben. Kurze Pause, um Luft zu holen. Ob es mehr wird, weiß ich allerdings noch nicht.
Ich fange halt wieder von vorne an. Also so komplett von vorne. Und da ich immer noch nicht weiß, ob die Oberärztin das ernst meint, mich innerhalb von wenigen Wochen in die Tagesklinik stecken zu wollen (was für mich ohne Rückzugsort einfach gar nicht geht), kann ich noch nicht sagen, ob wir bis dahin überhaupt im Jetzt angekommen sind. Ich weiß mittlerweile, was bei mir los ist. Das haben ein paar Jahre Therapie dann doch bewirkt. Die Psychologen wissen das nicht. Und fragen mich nach Erinnerungen aus Kindergarten und Grundschule, die nicht existieren. Im Anschluss versuchen sie heraus zu finden, warum da nichts existiert.
Die ganze Problematik mit dem Ort in der Ferne… - die wollen sie hinten anstellen. Dabei ist dieses „Ersatz  - zu – Hause“ doch das Resultat aus allem, was davor passiert ist und im Moment aktueller denn je, da ich in ein paar Wochen wissen muss, wie ich mich in diesem neuen, alten „zu Hause“ zurecht finde. Wie ich damit umgehe Angst zu haben, alle Menschen dort zu verlieren und wie ich mit dem Spannungsfeld aus Heimatgefühl und Job umgehe.

Manchmal glaube ich, wenn es mit der Suizidalität nicht so akut geworden wäre, hätte es vermutlich mehr gebracht, das zu versuchen, mit meiner Therapeutin zu lösen.
Nur fragt nach der Suizidalität dort auch keiner und deshalb weiß auch keiner, dass ich mir noch nicht sicher bin, ob das alles weiter geht. Das wird auch wesentlich davon abhängen, ob mir die Klinik irgendetwas bringt. So weiter machen wie bisher, kann ich definitiv nicht mehr. 

Klinikgelände... 🌼🌺


Ich merke diesmal positiv, dass ich nicht so sehr an der Klinik klebe, wie das letzte Mal. Damals war die Wohnsituation ja noch viel schwieriger, was wohl wesentlich dazu beigetragen hatte. Im Moment glaube ich, dass ich ganz froh sein werde, wenn ich wieder zurück nach Hause darf unter der – wie es mir aktuell scheint – utopischen Voraussetzung, dass es mir besser geht und ich hier keiner Angst mehr vor mir selbst haben muss. Obwohl die Räumlichkeiten sehr viel moderner sind als die der Station auf der ich das letzte Mal war, fühle ich mich dort einfach nicht so wohl, ernst genommen und gut aufgehoben.

Ansonsten habe ich letzte Woche all meinen Mut zusammen genommen und nochmal dem „alten“ Oberarzt, auf dessen Station ich ja nun nicht gelandet bin, eine Mail geschrieben und ihn gefragt, woran es nun gehakt hat, dass es nicht geklappt hat. Ich wollte da für mich einen Abschluss dieses Themas finden mit einer Erklärung, die vielleicht ein bisschen plausibel ist. Und irgendwie hatte ich gehofft, dass es eine gibt, da ich den Oberarzt ja eigentlich sehr mag.
Er hat mir dann geschrieben, dass ich doch einfach mal auf seine Station kommen und ihn im Arztzimmer aufsuchen solle. Gesagt, getan. Letzten Endes hat sich heraus gestellt, dass eine Aufnahme bei ihm schon grundsätzlich möglich gewesen wäre, eine Verkettung unglücklicher Umstände das aber verhindert habe. Er habe extra nochmal mit seiner Chefin geredet und hat auch betont, dass er mich schon sehr gern da gehabt hätte.
Wir haben dann noch ein bisschen über meine Zukunftsplanung geredet, über die aktuelle Situation mit der möglichen Wohnung, er hat nach meiner Schwester gefragt und hatte sogar ihre Meerschweinchen noch auf dem Schirm. Ich glaube ehrlich, dass diese zwanzig Minuten das hilfreichste Gespräch der Woche waren.

Klinik scheint im Übrigen auch immer ein Umschlagsplatz für Freundschaften zu sein. Im Moment sieht es so aus, als würde diesem Aufenthalt die nächste Freundschaft zum Opfer fallen. Was super schade wäre. Aber es scheint schwierig zu verstehen zu sein, dass ich nach einem Therapietag von früh bis spät nicht noch zwischen 18 und 20 Uhr Freunde da haben kann. Das schaffe ich kraftmäßig einfach gerade nicht. Dafür, dass ich hier vier Wochen quasi nur im Bett lag, ist es ja ohnehin schon mehr als genug Aktion im Moment.

So Ihr Lieben… - ich mache mich später mal wieder auf in die Klinik.
Ihr hört von mir. Früher oder später. Mit einem hoffentlich positiven Update. Ich würde mir so sehr wünschen, dass das hier alles doch noch etwas wird.

Mondkind

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