How to start a year...


Erster Blogpost dieses Jahr.
Die Uhren stehen wieder auf Null. Neuanfang. So ein bisschen zumindest. Alle Errungenschaften des letzten Jahres sind im Gestern. Jetzt sammeln wir von vorn. Gute Momente, weniger gute Momente und einen Haufen Erinnerungen. Wir versuchen etwas zu erreichen, sodass wir in 12 Monaten sagen können, dass das Jahr sich gelohnt hat.
Im Moment ist es alles sehr wackelig. Aber ich hoffe, dass es geht.

Es gab schon einige Situationen, in diesen ersten Tagen, die mich nachdenklich gestimmt haben. Mein Umfeld vermutlich mal wieder mehr als mich. Ich bin mittlerweile beim stummen Akzeptieren angekommen, weil da zu wenig Energie ist, um sich noch großartig aufzuregen.
Allerdings… - um all das mal ein bisschen abzumildern: Ich erinnere mich an die Zeit vor einem Jahr. PJ auf der Chirurgie. Und die vor mir liegenden dreieinhalb Monate schienen in Anbetracht der Arbeitsbedingungen eine Unendlichkeit zu sein. „Mondkind, was kannst Du eigentlich überhaupt…?“, hatte mich ein Kollege in spe in den ersten Tagen angefahren, als ich nicht wusste, wie man an der Uni ein Röntgen anmeldet. Die hatten ja ein völlig anderes Dokumentations- und Verwaltungsprogramm. „Patienten betreuen…“, war ich versucht zu sagen, wollte dann aber nicht für noch mehr Ärger sorgen. Ein guter PJler an der Uni hatte nichts mit Patienten am Hut und von Medizin brauchte er keine Ahnung zu haben.

***
„Mondkind, können wir Spätdienste tauschen…?“, kommt der Kollege auf mich zu.
„Was für Spätdienste…?“, frage ich. Ich hatte über Weihnachten in den Dienstplan für Januar geschaut – da waren alle Spätdienste belegt und ich war nicht eingetragen. Ehrlich gesagt hatte ich ja im Dezember darauf gewartet, dass wir uns mal zusammensetzen und die Dienstverteilung besprechen, aber das hatte nicht stattgefunden. Und natürlich habe ich mich um die Spätdienste nicht gerissen. Es soll ja auch Kollegen geben, die das gern machen. Diejenigen, die es mit dem frühen Aufstehen nicht so haben, zum Beispiel.
„Naja Mondkind, Du bist in der dritten und vierten Woche eingetragen…“, sagt der Kollege.
Ich öffne den Dienstplan. Da hat mich doch tatsächlich in der dritten Januarwoche, irgendwann in den letzten Tagen, einer der Kollegen für einen Spätdienst am Montag und Freitag eingetragen, ohne mir Bescheid zu sagen. Und in der vierten Woche bin ich auch drei Tage eingetragen. „Was ist denn das für ein Mist?“, frage ich. „Wer war das? Ich mache doch nicht Montag Spätdienst, bin irgendwann 23 Uhr zu Hause, schlafe viel zu wenig, bis ich mal zur Ruhe gekommen bin und am Dienstag ist Chefarztvisite… Dass ich Spätdienste machen muss, ist schon in Ordnung – aber dann bitte zusammenhängende Tage und nicht so als Lückenfüller“, rege ich mich auf.
Im Endeffekt stellt sich heraus, dass der Kollege mir den Spätdienst am Montag abnehmen wollte und dann von Montag bis Mittwoch Spätdienst hat und ich den Rest der Woche mache, weil er Donnerstagabend etwas vor hat.
Allerdings muss ich schon sagen, dass ich das nicht gerade kollegial finde, da einfach etwas zu ändern, ohne mir Bescheid zu sagen. Freitag Spätdienst ist ehrlich gesagt auch ein wenig undankbar, wenn der Chef erwägt, mich samstags auch arbeiten zu lassen…

***
Freitagabend. Ich bin kurz davor, nach Hause zu gehen.
Der Oberarzt steckt nochmal den Kopf zur Tür herein.
„Vergesst nicht, dass am Montag Feiertag ist…“, erklärt er. „Was – es ist Feiertag? Davon wusste ich ja gar nichts…?“, frage ich. „Ja Mondkind – Du lebst jetzt in einem anderen Bundesland. Wir haben einen Feiertag…“
„Mondkind, der Chef hatte ja schon gesagt, dass die Station auch am Wochenende besetzt sein soll. Hättest Du Lust vielleicht zumindest zwei der drei Tage zu kommen…?“, fragt der Oberarzt.
Naja… - was soll man da sagen…? Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich von dieser Idee zumindest verschont werde, bis der Chef nächste Woche zurück aus dem Urlaub ist. Der Plan war es eigentlich gewesen, Freitag arbeiten zu gehen ( - dass es nicht so schlimm werden würde, weil wir recht gut besetzt sind und der Chef noch im Urlaub ist, war recht klar - ) und das Wochenende zu nutzen, um nochmal ein wenig Energie zu tanken, zum Friseur zu gehen und endlich mal die Nase ins EEG – Buch zu stecken.
Also fängt das neue Jahr so an, wie das Alte aufgehört hat. Mit Arbeit. 



Wobei ich zugeben muss, dass ich – wenn ich bedenke, wo ich letztes Jahr um die Zeit stand – fast ein bisschen dankbar bin, an diesem Samstag mit dem Oberarzt eine ausführliche Stroke – Visite machen zu dürfen und dabei eine Menge von ihm zu lernen.
Nur EEG lernen… - das wird mal wieder nichts und ich frage mich allmählich, wann ich mal dazu kommen soll.

***
Mit meinem Oberarzt wollte ich auch nochmal klären, was hier eigentlich im Dezember alles passiert ist. Da er ja seit Mitte Dezember im Urlaub war, hatte er davon nicht viel mitbekommen. An dem Tag, an dem ich mit dem Chef geredet habe, war er zufällig in Zivil auf der Station unterwegs. (Irgendwie haben Oberärzte und Chefs die Angewohnheit, das Krankenhaus nicht alleine lassen zu können. Der Oberarzt taucht trotz Urlaub gelegentlich auf, wenn er nicht verreist ist, der Chef ruft hin und wieder den Dienstarzt an – ist uns über Weihnachten auch passiert...).
„Ich glaube nicht, dass das jetzt sein muss…“, hatte der Oberarzt dazu nur gesagt, als ich ihn zwischen Tür und Angeln gesehen habe und der Chef mich gerade auf der Station eingesammelt hat. Von der Intention dahinter und vom dem, was in der Studienstadt alles schon eingefädelt war, hatte er aber nicht den Funken einer Ahnung und ich wollte einfach, dass er weiß, was los war. Und damit im Endeffekt auch weiß, wie der Chef jetzt auf die Idee gekommen ist, die Station jedes Wochenende (mit mir) zu besetzen. Denn wenn man ehrlich ist, habe ich mir das ja schon in gewisser Hinsicht selbst zuzuschreiben, auch wenn es absolut nicht die Intention war.

Sein Statement zu der ganzen Klinik – Sache: „Das „Schreien Deiner Seele“ würde vermutlich auch nach jahrelanger stationärer psychiatrischer Therapie unverändert weiterklingen.“

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, ehrlich gesagt. Ganz ahnungslos, sodass man das jetzt vollkommen unter den Tisch kehren könnte, ist er nicht – er hat immerhin ein paar Jahre in der Psychiatrie gearbeitet. Wo ich ihm Recht geben muss ist, dass mich auch zwei stationäre Aufenthalte nicht dazu gebracht haben, mich wirklich für das Leben zu entscheiden. Ich habe es überlebt – ob ich ohne die Aufenthalte noch hier wäre, weiß ich nicht. Aber gut ist es nicht geworden - trotz viel Bemühen, viel Aus- und Durchhalten. Allerdings ist eben auch die Frage, was man sich von so einem Aufenthalt erhoffen darf. Ich habe da immer viel gelernt – über mich selbst, über die Menschen, ganz viel über zwischenmenschlichen Umgang und Vertrauen. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, gemerkt, dass es auch Menschen gibt, denen ich wichtig bin, die mich – im Gegensatz zum familiären Umfeld – auch mit der Krankheit akzeptieren und mich trotzdem mögen und teilweise sind da Kontakte entstanden, die bis heute halten und die auch viel getragen haben. Und dann konnte ich auch immer ein bisschen Kraft sammeln, um den Weg weiter zu gehen.
Aber dass man da nicht gesund raus kommt, das ist logisch – wenngleich ich beide Male gehofft habe, dass es ein bisschen besser sein würde, als es das am Ende war. Es stellt mich nur immer wieder vor die Frage, wann so ein stationärer Aufenthalt „gerechtfertigt“ ist? Und, ob das, was er da gesagt hat, ein allgemeingültiges Statement ist, oder ob das nur für mich gilt? Und was Psychiatrien dann für einen Sinn haben? Und was mir in akuten Krisen helfen soll?

Jedenfalls… - mit dieser Aussage kann ich mir wohl die Diskussion, ob er mir nochmal den Rücken frei hält, wenn ich in die Klinik gehe, vermutlich erstmal sparen – wenngleich ich auch nicht weiß, ob es die in näherer Zukunft nochmal gegeben hätte.

***
Zuletzt muss der Chef in den nächsten Tagen mal einen Plan machen, wo jeder von uns Assistenten das Jahr über eingesetzt sein wird. Es wird viele personelle Veränderungen geben müssen, da es in den nächsten Monaten einige Kollegen gibt, die die Klinik verlassen und der Altbau formal ab dem Frühling quasi ohne Ärzte da steht. Ich hoffe, dass ich nicht schneller von der Stroke Unit versetzt werde, als ich das so gedacht habe. 

***
Es ist übrigens recht kalt geworden bei uns... 
Letztens hat es über Nacht plötzlich gefroren, sodass die ganze Notaufnahme voller unfallchirurgischer Patienten war und die Welt von all dem Eis weiß geworden ist.



Heute werde ich versuchen, irgendwo noch ein bisschen Energie zu tanken (ich bin so müde, dass ich im Stehen schlafen könnte…), wenigstens ein paar Stunden EEG zu machen und morgen Früh geht es dann wieder auf die Station.

Mondkind

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