Ein bisschen Realität...




Wann war das das letzte Mal Realität… ?
Ich weiß es nicht... - vermutlich in einer meiner "Erprobungsnächte" in der Klinikzeit. Dieses Hirn bringt mich um heute. Eine Panikattacke nach der anderen… - so etwas passiert sowas von absolut selten. (Und keine Sorge… - ich weiß schon, wie man das Zeug dosiert…)
Ich glaube, das Zahnproblem bringt die Sache zum Kippen. Ich meine heutzutage schon zu wissen, wie diese massive Angst um meine Zähne entstanden ist (ich kümmere mich sonst ja nicht großartig um meinen Körper; die Zahnpflege ist bei mir allerdings eine Sache für sich), aber im Gegensatz zu vielen anderen Dingen kann ich darüber nicht reden, weil mir das viel zu peinlich ist. Ich weiß genau, dass sich ab irgendeinem Punkt die Sache verselbstständigt hat, dass es rational keinen Grund gibt, da so über zu reagieren und trotzdem kann ich es nicht abstellen – mit allen rationalen Gründen, die ich auch habe. Ich muss zusehen, dass ich da Montag irgendetwas lösen kann und jetzt nicht noch einen Monat mit dieser Panik rum laufe.
Außerdem wüsste ich auch nicht mit wem ich da reden sollte. Einer der besten Freunde ist selbst gerade in der Psychiatrie, die ehemalige beste Freundin und ich… - das hat sich ja nun nach ihrer Mail – Aktion etwas erledigt, den Seelsorger will ich nicht nochmal nerven (außerdem vermute ich, dass er die Panik absolut nicht nachvollziehen kann…). Den Oberarzt wegen so einer Geschichte; das geht auch nicht. Er ist ohnehin der Meinung, dass ich aus einer Mücke öfter mal einen Elefanten mache… (was auch stimmen mag, aber das hilft mir jetzt auch nicht…) – da bleibt keiner mehr… 

***

Und dann… - gibt es noch den ganzen anderen Salat. Über den ich auch nicht mehr reden will, weil wir das schon eine Milliarde Mal hatten. Überforderung im Job. Zwischenmenschliches, das nicht passt.  Durch diesen Schmerz werde ich einfach durchmüssen. Daher nur nochmal ein paar Schnipsel.

Auf dem Weg zur Frühbesprechung. Von einem Gebäude ins andere. „Mein“ Oberarzt und ich sind mit einem weiteren Kollegen unterwegs.
„Oh – wir sind zu dritt unterwegs – das ist eigentlich verboten…“, sagt der Kollege
„Wir sagen, die Mondkind ist unsere Tochter, dann passt es wieder…“, fügt derselbe Kollege hinzu und schaut „meinen“ Oberarzt an. „Wobei… - meine Tochter kann sie nicht sein; ich bin zu jung dafür. Aber Deine könnte sie sein…“
Okay… - ich sage einfach nichts dazu. Komisches Gespräch. Ganz komisches Gespräch. Das „mein“ Oberarzt nicht los getreten hat und der Kollege weiß natürlich nichts davon, dass er schon ein besonderer Mentor ist…

„Na Mondkind…“, sagt die Kollegin, die gerade von der peripheren Station, auf die ich bald soll, zum Dienst kommt. „Freust Du Dich schon auf die periphere Station…?“
„Ich bin mir noch nicht so sicher…“, entgegne ich.
„Das sagst Du nur, weil er hier sitzt“, sagt die Kollegin und schaut „meinen“ Oberarzt an, der zwischen uns sitzt.
Indirekt ja. Nicht, um zu signalisieren, dass ich Stroke besser finde als periphere Neurologie – was sie gerade wohl denkt. Sondern, weil ich diesen Menschen nicht verlieren will. Und genau weiß, dass ich das werde. Diese Momente, diese wenigen Mosaiksteine in dem vielen Grau werden auf jeden Fall signifikant weniger werden. Oder ganz verschwinden. Mit der Zeit. Und das… - macht Angst. 

Letztens beim Telefonieren mit dem Seelsorger: "Was brauchen Sie denn, um zur Ruhe zu kommen...?" Und nach einer kurzen Pause: "Und jetzt sagen Sie nicht "eine Familie" - das zählt jetzt nicht..." Er hat ja Recht... - weil es eben einfach gerade nicht machbar ist. Trotzdem tut es mehr weh, als er es vermutlich gewollt hat. Weil das tatsächlich die erste Antwort war, die mir in den Kopf kam. Und die ich trotzdem ohnehin nicht gesagt hätte. Es kann langsam keiner mehr hören. Dieses Rennen gegen die immer selben Wände. Ich kann es verstehen. Und trotzdem tut es jeden Tag genauso weh. 


***

Morgen muss ich zusehen, dass ich vorwärts komme. Ich habe einem Kollegen für Montag die fertige EEG – Zusammenfassung versprochen. Da wusste ich noch nicht, was dieses Wochenende auf mich zukommt. Den Kopf abreißen wird er mir nicht. Trotzdem halte ich mich eigentlich an meine Ansagen.

Und am Montag muss die Visite auf der Station laufen. Ich kann nicht in der letzten Stroke Woche, die mir aus unerfindlichen Gründen zugestanden wird, eine schlechte Visite bei "meinem" Oberarzt abliefern. Aber eben diese Woche mit Panik - Hirn. Wir steigern uns. Immer ein paar Hürden mehr... 

Und wisst Ihr, was mir Angst macht… ? Das läuft doch mittlerweile seit Monaten rückwärts und bergab. Insgesamt. Wo soll das enden… ? Wann werden die Tage endlich wieder heller… ?
Ich gehe jetzt gleich erstmal ins Bett. Und hoffe, dass ich wenigstens heute Nacht mal Ruhe habe.

Mondkind

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Reise - Tagebuch #2

Von einem Gespräch mit dem Kardiochirurgen