Vielleicht...


Vielleicht.
Vielleicht mussten wir es bis zum Ende versuchen. Bis zum allerletzten Zentimeter.
Vielleicht mussten wir noch ein Mal sehen, wie es Frühling wird. Der Frühling, in dem alles anders werden sollte und der jetzt so gar nicht anders ist.
Vielleicht mussten wir das, was wir so lange geahnt haben, selbst spüren. Vielleicht mussten wir selbst fühlen, dass die Medizin einfach eine Nummer zu groß für uns ist.
Vielleicht mussten wir so viele Hürden noch mitnehmen, obwohl das schon komplett sinnlos war, um uns zu beweisen, dass wir wirklich alles versucht haben.
Vielleicht mussten wir so oft rebellieren. Manchmal ganz laut und manchmal still und leise und dafür umso lauter in den Wänden des Hirns.
Vielleicht haben wir am Ende ein Mal weniger um Hilfe gebeten, als wir das hätten tun sollen. Und vielleicht sind wir am Ende ein Mal mehr gefallen, als es gut für uns gewesen wäre.
Vielleicht.

Und vielleicht… - vielleicht werden wir das nie erleben, für das wir so lange gekämpft haben. An das wir so lange geglaubt haben. Auf das wir so lange gehofft haben.
Vielleicht werden wir das nie erleben, dass abends mal Jemand eine Decke über die Kiddies legt, weil sie so müde waren, dass sie auf dem Sofa eingeschlafen sind. Und irgendwann zu später Stunde anregt, dass man sich doch mal umlegen sollte, vom Sofa ins Bett.
Vielleicht werden wir das nie erleben, dass abends mal wieder Jemand in der Tür steht, sagt „Gute Nacht Mondkind“, das Licht löscht und die Tür hinter sich zuzieht. Und man weiß, dass dieser Mensch am nächsten Morgen auch noch da ist.
Vielleicht…



Diese Woche wird der Wolf im Schafspelz entlarvt. Wie lange das wohl verborgen bleibt bis auffällt, dass ich eigentlich nichts kann – eine lang gestellte Frage. Mondkind soll sich um alles gleichzeitig kümmern und obwohl ich stundenlang durcharbeite, ohne zwischendurch wenigstens mal Zeit zu haben zur Toilette zu gehen (kein Spaß…), ist es zu langsam. Und Schuld an allem bin ich grundsätzlich auch. Dabei kann ich nichts für das Patientenaufkommen, für die Krankheitsbilder, für die Komplexität, dafür, wenn Abläufe manchmal einfach schief gehen. Ich möchte nicht wissen, wie oft von der Mondkind in der Mittagspause des Oberarztes vor den anderen gesprochen wurde: „Ich bringt die um, wenn sie dies und jenes nicht getan hat…“
Nebenbei ruft das Schreibbüro an, will irgendwelche Befunde, von denen ich nicht weiß, wo die sind und irgendwelche alten Briefe von vor Monaten, in denen der Oberarzt mit gelb markiert hat: „Da brauchen wir noch eine Stellungnahme…“ Ja von wem denn? Von einer Assistenzarzt – Mondkind sicher nicht…
Und dann kommt die Arzthelferin und crasht das Gleichgewicht. „Mondkind, ich brauche das Lyseprotokoll…“ Von einem Patienten, der erst seit 2 Stunden auf Station ist. Wo gerade noch drei Patienten auf mich warten, mir der Oberarzt im Nacken hängt und die „To do – Liste“ schneller länger wird, als ich sie abarbeiten kann.
Und dann… - ja, dann gibt es ja noch die inneren Kinder. Die das so gar nicht interessiert. Die bitte einfach jetzt nach Hause wollen. Unabhängig vom Leben, was da so um uns herum passiert.

Mondkind

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