23 Monate

Hey mein lieber Freund,
23 Monate.
Seit diesem Tag, der das Leben so sehr verändert hat.

Krass, dass es nächsten Monat schon zwei Jahre werden. Es kommt mir nicht so vor, muss ich sagen.

Ehrlich gesagt, es ist eines des ersten Male, dass mir die Worte fehlen.
Es ist so viel in meinem Kopf, aber nichts ist wirklich greifbar.

Ich muss Dir etwas sagen und ich weiß nicht, wie Du das finden wirst. Aber da wir mittlerweile in getrennten Welten leben und ich nach so langer Zeit wieder Hunger nach dem Leben habe, ist es (leider) eine unverrückbare Tatsache. Ich habe mein Herz verloren. Zum zweiten Mal in meinem Leben, zum ersten Mal nach Deinem Tod. Natürlich habe ich das schon viele Monate gespürt, aber es hat lange gedauert, bis ich das irgendwie annehmen konnte – zumal es da ein Barrieren gab von denen ich nicht geglaubt habe, dass die überwindbar sind.

Ich weiß nicht, ob Du es wissen möchtest, aber es ist ein unglaubliches Gefühlschaos, in dem es alle Ebenen und alle Enden des Erlebens gibt. Ich war lange nicht mehr so glücklich, wie ich es streckenweise bin. Habe lange nicht mehr so viel Sinn gespürt, wie es für mich Sinn ergibt das eigene Leben, das Herz und die Seele mit wem zu teilen, dem es scheinbar auch wichtig ist. Ich habe lange mein Herz nicht mehr so kräftig schlagen gefühlt.

Und gleichzeitig macht es Dein Fehlen nochmal so deutlich. Ich hatte fast vergessen, wie das ist dieses Kribbeln im Bauch zu spüren, die Vorfreude auf das nächste Wiedersehen, abends auf dem Sofa zu sitzen und das Gegenüber in der Leitung zu haben. Ich hatte fast vergessen wie sich ein bisschen Unbeschwertheit und Leichtigkeit zwischendurch anfühlt.
Und gleichzeitig verbindet das auch mit meinem alten Ich, mit unserem alten Leben in der Studienstadt. Plötzlich kann ich mich fast selbst spüren, wie ich in der Studienstadt den Bahnen hinterher gerannt bin, wie ich mit dem Fahrrad auf dem Weg in Richtung Uni war, um Dich dort zu treffen, wie wir in der hintersten Ecke im Uno saßen, ich in Deinen Armen mit einer gewissen Naivität, einem Grundvertrauen und der Idee, dass wir uns nicht verlieren werden.

Und naja… - ich glaube es ist schon logisch, wenn ich sage, dass dieses „wir“ von Damals mir irgendwie noch vertrauter ist, als das neue „wir“. Das neue „wir“ ist noch vorsichtig, dieses Tanzen umeinander, die Frage, ob es am Ende reicht oder ob es doch das Herz brechen wird. Da waren wir beide irgendwie die meiste Zeit unserer gemeinsamen Reise hinweg.

Ich vermisse es so unglaublich. Die Cafe – Dates, die Abende am Fluss, wir in meiner kleinen Studentenbude, die vielen tiefgründigen Gespräche, das grenzenlose Vertrauen, das da ein anderer Mensch ganz nah neben mir geht. 

Noch ein Bild vom Meer vom letzten Urlaub... - ich dachte das passt ja irgendwie.

Und gleichzeitig – natürlich rede ich auch im neuen „wir“ darüber und mein Gegenüber hat super viel Verständnis für mein Gefühlschaos – sind da auch viele Schuldgefühle. Und da kann man so lange versuchen rational darüber zu denken und immer wieder zu dem Schluss kommen, dass es ein „wir“ zumindest in dieser Welt eben einfach nicht mehr geben wird – es fühlt sich einfach wie Verrat gegenüber uns beiden an. Und ich brauche da auch nicht Deine Absolution, eine neue Beziehung führen zu dürfen – ich glaube, selbst wenn ich die bekommen könnte, würde mir das nicht helfen – weil es meine Wahrnehmung und mein Erleben ist, das sich auf gewissen Prinzipien aufbaut.

Ich weiß oft gerade nicht so ganz wohin mit meinen ganzen Emotionen. Ich genieße jeden guten Moment und versuche ihn in meinem Herz einzuspeichern. Und wenn die schwierigen Momente vorbei kommen, dann versuche ich sie da sein zu lassen und mir zu sagen, dass das eben der Preis ist für das, was wir hatten. Es ist die Kehrseite der Liebe.

Und dennoch – das Leben funktioniert nur vorwärts. Und nicht rückwärts. Und wenn ich wieder glücklich werden möchte, dann bin ich – denke ich – auf dem richtigen Weg. So schwer er auch manchmal ist. Irgendwann wird es Zeit sein, die alte Mondkind ein bisschen ziehen zu lassen. Sie nicht zu vergessen und Dich natürlich auch nicht – das war so eine wichtige Zeit in meinem Leben, die ich um nichts in der Welt tauschen würde, so hart wie es auch manchmal war. Aber hier steht eine andere Mondkind. Die sehr geprägt wurde durch das, was passiert ist. Und die mit anderen Ideen und Wertvorstellungen in eine Zukunft geht. Und die lernen muss, dass das Leben einfach ein anderes geworden ist. Dass ich mich sehr verändert habe durch alles das, was passiert ist. Auch wenn ich alles was passiert ist weder gebraucht hätte, noch irgendwie schön reden möchte - in der Summe wird daran niemals etwas gut sein – lebe ich jetzt bewusster. Aber manchmal tut es trotzdem weh diese Mondkind zu sehen, die jahrelang so sehr für dieses Leben gekämpft hat, das sie so kurz hatte, bevor alles zusammen fiel. Und ja, ich habe Angst vor einer Wiederholung. Das hier ist – trotz aller Vorsicht – so unglaublich fragil und wenn ich mir ein was wünschen dürfte, dann wäre es nicht zurück zu müssen. In die Dunkelheit aus der ich komme.

Am Ende bleibt mir nicht mehr, als Dir zu sagen, dass ich hoffe, dass Du okay bist, wo immer Du bist. Dass Du Deinen Frieden gefunden hast mit dieser Entscheidung und dass ich den irgendwann auch finden werde. Ich hoffe, Du denkst über all das nicht halb so viel nach, wie ich. Und ich hoffe, dass wir uns irgendwann wirklich verzeihen können. Dass wir uns irgendwann in einer anderen Welt gegenüber stehen, in den Arm nehmen und niemand dem anderen mehr Vorwürfe machen muss.

Ganz viel Liebe in Richtung Universum. Du fehlst hier.
Mondkind

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