Worte aus dem Dienstfrei

Intensivdienst überstanden.
Es ging.
Die Notfälle auf der Intensiv sind halt so grundsätzlich ein bisschen meine Alpträume. Sättigungsabfälle. Blutdruckkrisen. Tachykardien. Fieber. Sepsis. Transfusion mitten in der Nacht. Aber ich konnte es händeln, die meisten Schwierigkeiten kamen erst in der Früh; das konnte ich dann noch stabilisieren, bis der Oberarzt kam. Ein Patient auf der Frühreha hat fröhlich CO2 angesammelt, man hätte ihn wohl bald intubieren sollen, aber es war festgelegt, dass er nicht zurück auf die Intensiv verlegt werden soll.

Nachdem der Oberarzt dann da war, hat sich auch mein Magen etwas beruhigt und es gab erstmal ein bisschen Frühstück...

Heute ist Orga – Tag. Haushalt. Putzen und Wäsche. Und Aufräumen. Schon mal ein bisschen was Einkaufen für nächste Woche. Und Ausruhen. Ein bisschen Dösen nach dem Dienst. (Naja, weit bin ich noch nicht...)


Und Nachdenken.
Ich habe noch kurz mit dem Freund telefoniert.
Und nach viel Schweigen sind wir drauf gekommen: Es geht um das Thema Trennung hinter all den Konflikten. Mal wieder.
Und so langsam… - egal was ich tue, wie viele Schritte ich auch auf ihn zugehe: Es reicht einfach nicht. Und manchmal glaube ich im Moment, vielleicht geht die „Rechnung“ nicht auf. Vielleicht sind die Kosten für diese Beziehung zu hoch. Nicht, weil ich sie nicht tragen wollte, sondern weil das so viel innerer Widerstand hinsichtlich gewisser Dinge ist. Weil ich dachte, dass das ruhiger zwischen uns wird, wenn ich auf ihn zugehe, aber nach jedem Schritt stelle ich fest, dass es einer zu wenig war. Und jeder Schritt nach vorne geht weiter weg von dieser unsichtbaren Grenze, hinter der ich eigentlich stehen bleiben wollte. Wird schwieriger.
Und es verletzt auch, ständig zu hören, dass er sich von mir nicht geliebt fühlt, wenn ich nicht allem nachkommen kann, was er sich wünscht. Das hat doch damit wenig zu tun, meiner Auffassung nach. Und ich weiß nicht, was ich noch machen oder sagen soll, um ihn da vom Gegenteil zu überzeugen, aber ich glaube, er glaubt es mir echt nicht.

Ich habe noch einen Satz vom verstorbenen Freund, den ich die letzten Tage mal wieder gefunden habe und der mich sehr berührt: „Weißt Du [Mondkind], für eine Beziehung muss man den eigenen Schutzpanzer dünner machen. Akzeptieren, dass Nähe auch verwundbar machen kann. Und irgendwie sehe ich auch den Schmerz der letzten Jahre in Deinen Augen und ich verstehe, dass das schwer ist, nachdem Du so viel alleine machen und aushalten musstest. Da will man nicht noch eine Baustelle. Aber vielleicht können wir uns gegenseitig in unserer Verletzbarkeit halten.“
(es berührt mich sehr, dass er mich auch heute noch halten kann – wo er nicht mehr hier ist. Und wo Sätze wie diese neben unglaublich viel Schmerz auch ganz viel Wärme beinhalten).

Jedenfalls – im Moment habe ich das Gefühl, dass dieser Schutzpanzer so dick ist wie der einer Schildkröte. Weil das auch gefühlt keinen Sinn hat, in diese Beziehung zu vertrauen. Weil ich mir da jedes Mal wieder weh tue. Weil ich schon vorsichtig geworden bin, aber nachdem das im Urlaub so gut geklappt hatte, habe ich beschlossen, dass es schon okay sein wird.
Und diese letzte Umarmung zwischen uns nach diesem schwierigen Dienstagabend – ich habe ihn einfach gar nicht mehr gespürt. Und das tut retrospektiv schon weh. Ich glaube, dieser Schutzpanzer nimmt ein bisschen von dieser Liebe für diesen Menschen mit. Nicht, weil sie nicht da wäre. Sondern weil ich weiß, dass ich weiter funktionieren muss, egal was hier passiert. Und ich weiß, dass wenn ich es fühlen würde, eine Trennung so schmerzhaft wäre, dass ich mir nicht sicher wäre darunter funktionsfähig zu bleiben.

Es ist sowieso relativ ungleich verteilt, finde ich. Wenn ich mal so drüber nachdenke. Er sitzt ständig in irgendwelchen Supervisionen und dabei reden die – wie ich verstanden habe – ab und zu eher weniger über seine Patienten, sondern mehr über ihn. Er kann diese ganze Beziehung und alle damit verbundenen Schwierigkeiten irgendwo besprechen, Input bekommen, den anwenden im Gespräch und ich komme mir da manchmal wie in so einem Therapiegespräch vor, wenn er von Vermeidungsverhalten, Abwehrmechanismen spricht, sich fragt ob da irgendeine Traumatisierung vorliegt. Und ich denke mir so: Unter normalen Umständen hätte ich nicht mal in der Therapie über so etwas geredet, mit der Therapeutin in der Studienstadt haben wir bis zum Ende nie über manche Themen geredet, weil mir das einfach zu unangenehm war (okay das ist jetzt kein Paradebeispiel einer funktionierenden Therapie) und jetzt ist es Dauerthema. Immer. Egal ob ich gerade total erschöpft vom Dienst komme oder nicht. Und eigentlich habe ich keine Kapazitäten, dass diese Beziehung noch weiter Energie zieht. Die müsste eigentlich etwas zurückgeben. Und während er Gelegenheit hat, sich mit dieser Beziehung auseinander zu setzen, habe ich die einfach nicht, weil ich weder ein Gegenüber zum Reflektieren, noch sonderlich viel Zeit neben zig Diensten habe und damit stolpere gefühlt immer komplett unvorbereitet in diese Gespräche rein und weiß dann auch manchmal nicht mehr so richtig, was ich noch dazu sagen soll.

Man muss sehen, wie es weiter geht. Und wie lange ich auch noch Kapazitäten dafür habe. Wenn das nicht besser wird zwischen uns… - dann weiß ich es nicht. Ich kann mich nicht ständig damit auseinander setzen, ob wir uns trennen oder nicht und – ich glaube das habe ich schon mal so formuliert – ständig potentiell von ihm verlassen werden. Das ist mal okay von Zeit zu Zeit – keine Beziehung funktioniert wohl ohne gelegentliche Meinungsverschiedenheiten. Aber das ist zu viel.

Mondkind


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