Von einem unerwarteten, wunderschönen Urlaubsstart

Sonntagmittag.
Ich sitze auf dem grauen Stoffsofa, die Beine angewinkelt, in meinen Händen eine Tasse Kaffee.
Er ist schnell unter die Dusche gehüpft, während ich noch langsam wach werde.
Ich habe weder eine Zahnbürste, noch einen Kamm, noch sonst irgendetwas dabei. Wenn ich mich richtig entsinne, war der Plan gestern Abend gewesen, dass wir bei ihm Pizza essen und er mich dann wieder nach Hause bringt. Tja – daraus ist nicht so viel geworden. Also Pizza gegessen haben wir. Aber ich war die Nacht nicht zu Hause.


***
Samstag.
„Wir schlafen ein bisschen aus, dann komme ich zu Dir und dann planen wir mal die nächste Woche.“ Das war die Ansage am Freitag für den Samstag gewesen. Natürlich musste der letzte Spätdienst in der Neuro dann ziemlich eskalieren. In der Notaufnahme war non – stop etwas los; konsiltechnisch habe ich es sogar bis auf die Gyn geschafft zu einer jungen Patientin, die nach der Entbindung Schmerzen im Steiß hatte. Ich weiß zwar nicht, wieso das neuerdings neurologisch ist, aber nun denn. Dann hat noch ein Patient auf der Stroke Unit mit COPD und Pneumonie versucht zu sterben; den mussten wir dann auf die Intensiv verlegen. Und ein anderer Patient ist mit seiner Herzfrequenz plötzlich bei 25 Schlägen pro Minute gewesen und ist darunter symptomatisch gewesen und kollabiert. Im Ausdruck vom Monitor habe ich fehlende QRS – Komplexe gesehen und wahrscheinlich hat er einen bis dato unbekannten AV – Block.
Das Ende vom Lied war jedenfalls, dass ich erst weit nach Mitternacht nach Hause kam, Samstag schon früh aufgestanden bin, um die Wohnung zu putzen, mich zu putzen in Form einer Dusche und einkaufen zu gehen, um dann gegen 14 Uhr startklar zu sein. Da hatte ich allerdings die Rechnung ohne den Herrn Kardiochirurgen gemacht – der war nämlich auch platt nach der Woche und hat sich erst um 17 Uhr gemeldet, dass er sich jetzt mal langsam aus dem Bettchen schält.
Am Ende haben wir uns gegen 19 Uhr getroffen und sind noch eine Runde um die Stadt gelaufen.

Mein Plan war, dass wir im Anschluss einfach kurz selbst kochen – immerhin war ich ja extra einkaufen, aber er wollte gern Pizza essen. Also haben wir uns eine organisiert und die dann mit zu ihm genommen.
Und nach der Pizza haben wir uns dann recht schnell auf dem Sofa wieder gefunden, weil wir beide irgendwie doch weiterhin recht müde von der Woche waren.

Irgendwann mitten in der Nacht. So gegen 3 Uhr müsste es sein.
Es ist warm im Bett unter seinem Dach und obwohl ich schon auf der Decke liege spüre ich, dass mein Körper immer noch heiß ist. Er atmet neben mir ganz ruhig und schläft. Das Licht brennt noch unten im Wohnzimmer, die Pizzareste stehen dort auch noch herum und unsere Klamotten sind weitestgehend um das Bett herum verteilt.
Sagen wir mal so… - es war ein bisschen crazy. Und dann sind wir irgendwie eingeschlafen. Mir fällt auf, dass ich nicht mal eine Zahnbürste dabei habe und nachts um drei auch keine Ahnung habe, wo ich bei ihm eine finde. Ich hatte mich gestern Abend noch ganz kurz gefragt, ob ich nicht eine in meine Handtasche schmeißen soll, aber das war nicht so abgesprochen, dass ich über Nacht hier bleibe von daher habe ich darauf verzichtet. (Immer wieder derselbe Fehler…)
Ich gehe zumindest mal das Licht ausschalten, dann lege ich mich wieder neben ihn. Ich schaue ihm eine Weile beim Schlafen zu; ihn interessiert das Licht und dass ich zwischendurch aufgestanden bin, überhaupt nicht. „Wunderfinder“ kommt mir wieder in den Sinn. Und manchmal ist es vielleicht an der Zeit, still dankbar zu sein. Situationen wie diese hier haben mir wirklich sehr gefehlt und mit ihm fühlt sich das gerade alles sehr richtig an.
Um sieben Uhr wecken mich mal die Kirchenglocken, um kurz nach Acht geht irgendeine Sirene los, die ihn auch weckt; deshalb macht er mal das Fenster zu. Und irgendwann halb 12 beschließen wir, dass es Zeit ist, sich aus dem Bett zu schälen.

Wir stehen unten in seiner Küche, ich an ihn gelehnt.
„Du siehst aus, als bräuchtest Du einen Kaffee, der Dich weckt“, sagt er.
„Mh“, grummle ich vor mich hin.
Kaffee hat sein Haushalt erst, seitdem es mich dort gibt. (Ich kenne sonst keinen Arzt, der seine Nachtdienste ohne Kaffee überlebt, aber nun denn…). Aber er hat schon verstanden, dass es das morgens braucht, um mich einigermaßen auf die Füßchen zu bekommen.
Er stellt mir den Handfilter und das Kaffeepulver hin, setzt Wasser auf und kurze Zeit später ziehe ich mit der lila Tasse auf das Sofa.
„Du bist wacher“, stellt er eine halbe Stunde später fest, als ich anfange zu reden.

„Wie machen wir es mit Frühstück?“, fragt er. „Ich habe nicht viel hier.“
„Naja, ich habe Brötchen bei mir. Ich wusste gestern nicht wo wir sind, als ich einkaufen war, da habe ich mal etwas mitgebracht und ich muss ja auch die ganze Woche frühstücken.“
„Sollen wir zu Dir fahren?“, fragt er.
„Dann könnte ich auch bei mir duschen – Du hast ja sicher kein Shampoo, das man als Mädel gut verwenden kann – kann meine Haare gescheit fönen und mir die Zähne putzen“, zähle ich die Vorteile auf.
„Okay, dann machen wir das so.“

Also fahren wir zu mir; ich dusche erstmal, dann frühstücken wir und danach fahren wir an einen See.
Der ist allerdings sehr klein; kleiner als erwartet. Viel machen kann man dort nicht. Muss aber heute  auch nicht sein. Wir sind beide echt fertig.
Also gibt es statt einer Wanderung heute Kaffee und Kuchen.
Und bitte wie schön ist es, dass es sich fast anfühlt, als hätte sich der Sommer das Finale noch für bessere Zeiten aufgehoben? Ich genieße jede Minute mit ihm, mit der Sonne auf der Haut, den Grillen im Ohr. 




Am Abend muss er noch seine Paragliding – Sachen für einen Kurs in der kommenden Woche vorbereiten.
Und ich muss dringend schlafen.
Es war wunderschön.
Aber erschöpft bin ich irgendwie trotzdem.
Es war viel los in den letzten Tagen.

Auf jeden Fall war das mal ein gelungener Start in den Urlaub.
Anders als letztes Jahr um diese Zeit.
Die Leser, die schon länger mitlesen wissen vielleicht noch, wie sehr ich mich auf die beiden Wochen Urlaub im September gefreut hatte und mit was für einem gewaltigen Knall mit dem ehemaligen Freund die losgingen. Diesmal habe ich gar nicht viel erwartet und so viel bekommen.

Mal schauen, wie die nächste Woche wird. „Es wird x Tage geben, an denen das Wetter nicht mit spielt und das Paragliding ausfallen wird. Weil es regnet, weil der Wind schlecht ist und so weiter. Das kommt vor. Und da können wir dann spontan etwas zusammen machen. Zum Beispiel in irgendeine Stadt fahren. In der es dann idealerweise nicht regnet. Oder wir kümmern uns ein bisschen um Deine Wohnung. Oder was uns eben so einfällt.“ Habe ich gestern gehört.

Morgen muss ich erstmal eine To Do – Liste machen. Es gibt ne Menge zu tun. Da ist noch ein Vortrag für die Pflege (vielleicht fühle ich mich deshalb noch nicht nach Urlaub), ich wollte mal anfangen Psychosomatik zu lesen, das Fahrrad muss in die Werktstatt, ich muss für das Coaching ein Plakat machen mit der Überschrift „Mein Leben in fünf Jahren“ (ich könnte mir keinen besseren Zeitpunkt für so etwas als jetzt vorstellen, wo sowieso alles im Umbruch ist und ich eigentlich gar nichts weiß; wenn es nach mir ginge könnte ich in fünf Jahren verheiratet sein, Mutter sein und wäre beruflich eher auf der Therapeutenschiene gelandet…), ich brauche noch ein paar Klamotten für die Psychosomatik, wo wieder Alltagskleidung gefragt ist, die ich in den letzten Jahren aufgrund von Berufsbekleidung eher weniger gebraucht habe. Und sonstiger Kleinkram am Rande…

Mondkind


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