Von Loslassen und Kennenlernen

„Ich dachte, Du kommst ein bisschen später…“
Wie oft habe ich den Satz in letzter Zeit gehört...?
Ich lasse mich auf den Sessel fallen, in dem ich früher morgens oft saß, um schon mal den Blog zu schreiben.
Und warte, bis er fertig ist.

Der Ex – Freund und ich müssen noch ein paar Sachen hin und her tauschen. Das ist der offizielle Grund des Besuchs. Zuvor war ich noch in der Stadt; da wollte ich sowieso noch hin, weil ich immer noch eine neue Strickjacke brauchte und hier im Ort keine gefunden hatte. Und irgendwie ist es halt weiterhin eine wunderschöne Stadt.

Wir trinken einen Kaffee und quatschen ein bisschen.
Es ist schon merkwürdig. Da wo monatelang nur Schweigen war, sind jetzt wieder Worte. Man muss ja auch keine Sorge mehr haben, etwas zu verlieren, indem man mal wieder etwas sagt, das den Herrn ärgert. Wir haben ja alles verloren.

Und dann hat dieser Besuch irgendwie etwas sehr Heilsames. Wir sind zwei Menschen geworden, die sich kennen. Die sich noch vertraut sind, die einiges geteilt haben in der Vergangenheit. Aber das eben im Jetzt nicht mehr tun. Ich habe kein Bedürfnis mehr ihn zu küssen, die Umarmungen müssen keine halbe Stunde mehr dauern. Ich möchte mir nicht mehr das Bett mit ihm teilen. Und es ist okay zu gehen ohne zu wissen, wann und ob wir uns wieder sehen.

Es ist wirklich auf gewisse Art erleichternd, dass ein Hals – über – Kopf – Verliebtsein scheinbar doch wieder abebben kann. Dass das Herz ein bisschen heilen kann. Und dass mir nicht mehr nur rational klar ist, dass das mit uns am Ende ist, sondern dass ich in Bezug auf ihn mein Herz auch nicht mehr spüre. Er wird mir als Mensch und vielleicht als Freund immer wichtig bleiben. So halte ich es mit allen Menschen, die mal eine große Rolle in meinem Leben gespielt haben. Egal, wie wir auseinander gegangen sind, wenn nochmal irgendetwas ist, dann würde ich für diese Menschen immer einspringen. Aber es wird von meiner Seite nie wieder eine Partnerschaft werden. Und da das von seiner Seite ja auch so ist, ist das unendlich viel Frieden. Den wir da gefunden haben, zwischen uns. Wir müssen nicht mehr um uns ringen, weil es dieses Wir, um das wir da gerungen haben, nicht mehr gibt.

Eine Stelle finde ich ja doch sehr interessant. Wir reden nochmal über unser ständiges Streitthema der Verhütung und ich postuliere, dass ich mit einem gewissen Risiko, womit eine miteinander gelebte Initimtät ja nun mal zusammenhängt, leben kann, wenn ich das Gefühl habe, dass beide Partner bereit sind, diese Verantwortung zu tragen und ich die Wahrscheinlichkeit plötzlich als alleinerziehende Mutter zu enden, als recht gering einschätze. Klar, man weiß nie, was passiert - aber trotzdem gibt es dazu ja ein Gefühl, das entweder eine gewisse Sicherheit vermittelt oder eben nicht.
Der Ex - Freund sagt dazu, dass man eben auch in der Lage sein sollte, alleine ein Kind groß zu ziehen (aber ich wäre dann wirklich doll alleine, weil ich eben auch keine Familie im Hintergrund habe) und sich diese Sorge dann auch relativieren würde. Zumal er mir unterstellt, dass ich vielleicht nur die Verantwortung auf die Schulter eines anderen stellen möchte. Und natürlich fühlt sich das glaube ich immer besser an, Verantwortung zu teilen - das kann ich nicht abstreiten.
Aber einen Punkt, den er scheinbar bis heute nicht sieht, ist meine ständige Unsicherheit, die ich mit der Beziehung hatte. Ich kann mich noch erinnern, das war noch recht am Anfang der Beziehung, als damals noch die potentielle Bezugsperson gesagt hat, dass diese Beziehung sehr zu hinterfragen ist, wenn ich jeden dritten Tag potentiell von ihm verlassen werde. Und das war von Anfang an so. Es verging kaum eine Woche ohne Krise, kaum eine Woche ohne dass wir nicht wussten, ob wir uns nochmal sehen. So habe ich das jedenfalls empfunden. "Es muss die Option einer Trennung geben", sagt der Ex - Freund dazu. Ja, die muss es geben. Da stimme ich zu. Aber ob man das immer wieder so konfrontativ ausleben muss? Ich meine - eine Trennung ist ja einfach: Man geht einfach aus dem Kontakt, statt das ein Mal auszudiskutieren, die Meinung des anderen zu respektieren und zu versuchen einen Weg mit beiden Standpunkten zu finden. Dazu ist es bei uns gefühlt nie gekommen. Die Lösung eines Konfliktes sollte eben - wenn zwei Menschen sich wichtig sind - nicht nur in einer Trennung bestehen.
Zusammengefasst habe ich mich nie sicher in dieser Beziehung gefühlt und damit waren wir irgendwann mit diesem Hauptkonflikt zwischen uns auch auf verlorenen Posten. Das ist mir erst in unserem Gespräch so klar geworden. Er war unzufrieden mit dem Thema Sexualität und hat im Zusammenhang damit wieder mit der Trennung gedroht - das hat mich dann noch mehr verunsichert, sodass ich mich jedes Mal, wenn er das gesagt hat als alleinerziehende Mutter gesehen habe, was mich  beunruhigt hat - im wesentlichen, aber nicht nur wegen der Angst der Überforderung, sondern auch, weil ich auf gar keinen Fall möchte, dass meine Kinder mit getrennten Eltern aufwachsen müssen (was man auch nicht ausschließen kann, aber in Bezug auf uns Beide erschien mir das fast sicher) - sodass ich da dann auch nicht auf ihn zukommen konnte, was uns beide noch mehr frustriert hat. Und irgendwann hat er mich da so eingekesselt, dass wir an der Trennung eben nicht mehr vorbei kamen.

Und irgendwie scheint bald zehn Monate nach der Trennung das Leben dennoch zurück in geordnete Bahnen zu kommen. Er hat abends Frauenbesuch, ich kriege ja dann und wann doch auch mal Männerbesuch und vielleicht darf er bald sogar seine Ausbildung fortsetzen.
Wir haben ein paar Umwege genommen, von denen wir damals geglaubt haben, dass sie sich lohnen.


Die Nachbarstadt


***

Ein bisschen musste ich ja schon nörgeln, bis der Kardiochirurg mal angefangen hat, sich etwas Mühe zu geben.
Aber was das mit uns werden soll…?
Ich habe gestern eine Weile mit dem ehemaligen Freund drüber geredet (ja, über so etwas reden wir…) und ich glaube er hat schon Recht, wenn er sagt, dass ich die Angst verlieren muss. Die Angst davor, dass es ihm nicht reichen könnte für eine Beziehung. Die Angst, dass es auch mir nicht reichen könnte. Wir müssen die Grundsätze ausdiskutieren. Und zwar jetzt. Ich kann nicht leben mit seiner Unverbindlichkeit, damit, dass er im Prinzip nichts sagt. Damit, dass ich mal ab und an etwas vor mich hin blubbere in der Hoffnung, dass er irgendwann mal auf irgendetwas davon einsteigt. Das hatte der Intensiv – Oberarzt empfohlen, weil es ihn ziemlich offensichtlich sehr gestresst hatte, als ich ihn in den ersten Wochen gerade auf den Kopf zu mit einigen Fragen konfrontiert habe.
Ich weiß nicht, was ihn stört, aber es gibt sicher auch Aspekte. Unter dem Gesichtspunkt fällt mir wieder ein, dass ich Kennenlernen irgendwie super anstrengend finde. Denn da gibt es keinen sicheren Rahmen, in dem man sich bewegen kann. Man kann vorerst überall ins Fettnäpfchen treten.

Gestern Morgen hat es hier geregnet, deshalb ist der Paragliding – Kurs ausgefallen und er war hier zum Frühstück. Um über uns zu reden gibt es das Wochenende, sagte er. Na ich bin gespannt. Was dabei raus kommt. Und versuche mich entspannt ein bisschen zurück zu lehnen und nicht so viel Angst davor zu haben. Wir kennen uns seit zwei Monaten. (Wobei kennen da halt auch zu viel gesagt ist).
Und die Dienstpläne des nächsten Monats passen schon wieder überhaupt nicht zusammen, haben wir gestern festgestellt, deshalb fährt er heute Morgen nochmal an die Klinik und versucht etwas zu regeln und ich werde auch noch versuchen einen Dienst weg zu tauschen.

Ansonsten… - der noch ausstehende Vortrag in der Neuro hat ganz gut geklappt – die Pflege hatte das nur geschlossen vergessen, deshalb bestand das Publikum aus vier Leuten; so verrückt hätte ich mich nicht machen müssen. Ich komme voran mit meinem Psychosomatik – Buch.
Alle To Do’s sind insgesamt leider nicht abgefrühstückt. Aber die Wichtigsten.
Ich habe eine Menge im Kopf, aber schaffe das gerade nicht gut, aufs Papier zu bringen. Die Woche war sehr unruhig, ich habe sehr schlecht geschlafen – was nicht weiter schlimm war, aber nach Urlaub hat es sich auch nicht so recht angefühlt.
Nächste Woche geht es in die Studienstadt – mal sehen, wie es dort so läuft, vielleicht bekommt Ihr ein Reisetagebuch. Ich werde zwei oder drei Freunde besuchen und meine alte Therapeutin besuchen. Ich freue mich auf alles davon sehr – sowohl meine Freunde zu sehen, die Studienstadt unsicher zu machen, als auch mal für eine Stunde einen sicheren Rahmen zu haben bei einer Frau, die mich seit 2015 kennt und so viel von dem was ich erlebt habe, begleitet hat.
Und ein bisschen beneide ich meine Schwester – die chillt mit ihrem Freund nämlich gerade am Garda – See und irgendwie, so einen kleinen Sommerurlaub hätte ich mir schon auch gewünscht…

Jetzt muss ich gleich erstmal mit dem Fahrrad, das einen Plattfuß hat, ins Fahrradgeschäft; der Kardiochirurg ist in der Zeit an der Klinik und der Plan ist, dass er mich am Fahrradgeschäft abholt und wir dann zusammen ins Wochenende starten. Allerdings – auf eine genaue Zeit wollte er sich gestern nicht festlegen und ein „ich schreibe Dir dann“ ist in solchen Fällen immer etwas vage, aber wir werden sehen.

Habt ein feines Wochenende
Mondkind

 


Kommentare

  1. Wow, ich bin normalerweise eher eine stille Leserin deines Blogs, aber dein Beitrag hat mich sehr berührt. Ich bewundere sehr, wie gut du Dinge in Worte packen kannst 🥰

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    1. Dankeschön für das liebe Kommentar ;)
      Ich hatte gerade in den letzten Wochen das Gefühl, dass die literarischen Qualitäten hier ein bisschen verloren gegangen sind und es mir gerade sehr schwer fällt, die Stimmung zwischen den Zeilen zu transportieren, aber vielleicht ist es nur auch nur mein Eindruck, weil ich manchmal doch das Gefühl habe, dass die Texte doch minimal an meinem Erleben vorbei geschrieben sind.
      Also Danke Dir, das hilft mir gerade wirklich ;)

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