Ostermomente 2024

 „Ich vermisse Felli… Wahrscheinlich ist Felli bei Dir…“
Es ist spät abends am Samstag und ich möchte eigentlich aufbrechen zu meiner Ostermission. Und ich vermisse meine Felljacke. Am Nachmittag war ich beim Kardiochirurgen gewesen und wir haben eine kleine Fahrradtour gemacht
Irgendwann, mitten in der Nacht schreibt er aus dem Dienst: „Hi, Felli war bei mir. Ich habe es ins Auto gepackt, wenn Du es für den Dienst bräuchtest, könne ich morgen kurz vorbei kommen!“
 
***
Ostermission. Auch am Samstagabend.
Der Kardiochirurg und ich sehen uns nicht an Ostern, glaube ich.
Ganz uneigennützig habe ich diesen Ostersonntagdienst da nicht hin geplant.
Deshalb fahre ich Samstagabend, als er schon im Nachtdienst ist, nochmal los zu seiner Wohnung. Ich bete, dass die Haustür zum Treppenhaus offen ist – die steht öfter offen – aber natürlich ist sie heute verschlossen. Und da es in der Nacht regnen soll, kann ich das Osterpräsent und die Karte auch nicht einfach auf seinen Parkplatz stellen. Ich nehme mein Hasenherz zusammen und klingele einfach an einer Wohnung. Ich erkläre der Dame an der Gegensprechanlage, dass ich nur kurz in den Hausflur müsse, um einem Freund etwas vor die Wohnungstür zu stellen. Sie lässt mich rein und ich bedanke mich. War dann doch einfacher, als gedacht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Kardiochirurg nicht damit rechnet… das sind glaube ich immer die besten Momente.


***
Sonntag.
Dienst.
Ein bisschen spüre ich die Osterschwere, aber es hält sich in Grenzen. Es geht mir ganz gut mit dem Dienst und vom Arbeitsaufkommen hält sich das heute auch in Grenzen. Ich schaffe es sogar nebenbei ein bisschen Multiple Sklerose zu lesen und fülle endlich mal das Logbuch zu Ende aus - das werde ich nämlich am Dienstag für das Gespräch mit dem Chefarzt brauchen.  
Sonntagabend telefonieren der Kardiochirurg und ich kurz. Ich gerade zwischen zwei Gesprächen, er mit bimmelnden Monitoren im Hintergrund. Und über die Diensttelefone. Wahrscheinlich wird das mehr Alltag an solchen Feiertagen werden, als dass wir die mal in Ruhe und gemeinsam verbringen könnten.


***

Montag.
Ich bin gerade nach Hause geschlappt und möchte Kaffee kochen, als der Kardiochirurg schreibt. „Ich bin jetzt zu Hause, wenn Du noch kurz vorbei kommen magst um Felli zu holen, viel mehr ist heute Morgen aber wohl nicht drin.“ „Naja, heute Abend wahrscheinlich auch nicht, oder?“, frage ich. „Weiß ich noch nicht“, sagt er. „Na gut, dann komme ich kurz vorbei, dann ist das schon mal erledigt.“
Ich setze mich wieder ins Auto und düse durch die leeren Straßen ein Mal durch den Ort. Kurz nach acht Uhr ist zu früh an einem Feiertag.
Er hat schon die Wohnungstür geöffnet, als ich im Treppenhaus um die Ecke biege. Die Rollläden sind schon runter gelassen; die Wohnung ist bereit für ein paar Stunden Schlaf nach dem Nachtdienst. „Wo bist Du?“, rufe ich durch die Wohnung. „Hier oben, warte ich komme“, ruft er, kommt die Treppen herunter und nimmt mich erstmal in den Arm. „Zieh doch Deine Jacke aus“, fordert er mich auf. „Ich nehme doch nur schnell Felli mit. Du musst ein bisschen schlafen jetzt – nachher fährst Du doch noch zu Deinen Eltern.“ Um 11 soll er da sein, hatte er mir gesagt. „Willst Du noch einen Kaffee?“, fragt er. „Naja, ich habe nie etwas gegen einen Kaffee, aber dann hast Du nicht mehr viel Zeit um Dich auszuruhen“, entgegne ich. „Das war keine Antwort“, sagt er. „Ja“, antworte ich. Auf seine Grenzen muss er selbst achten.
Er schmeißt den Wasserkocher an und während ich mich mit der Kaffeekanne beschäftige, kramt er noch ein Stück Kuchen raus. Keine Ahnung, woher er das jetzt gezaubert hat. Wir trinken Kaffee und essen Kuchen, reden über den hinter uns liegenden Dienst und dann zieht er um aufs Sofa. „Willst Du nicht ins Bett gehen?“, frage ich. „Das ist doch viel bequemer…“ „Lohnt sich nicht“, sagt er. „Okay, dann werde ich jetzt mal aufbrechen“, erkläre ich. „Komm her“, sagt er und deutet mit seiner Hand neben sich. Ich lege mich neben ihn aufs Sofa und innerhalb von drei Minuten wird sein Atmen ruhiger und er ist eingeschlafen. Ich schlafe glaube ich auch nochmal ein paar Minuten, denn sonderlich lang war meine Nacht auch nicht, aber hauptsächlich passe ich auf, dass ich mich keinen Millimeter auf ihm bewege, um ihn nicht zu wecken. Ich könnte hier ewig liegen, sein Herz unter meinem Körper spüren und seinem ruhigen Atmen lauschen. Felli hat mir eigentlich einen ganz schönen Montagmorgen beschert, obwohl ich es wirklich nicht absichtlich vergessen habe.
Irgendwann bemerke ich, dass es schon nach 10 ist. Ich überlege, wie lange ich ihn schlafen lassen kann. Eine halbe Stunde braucht er zu seinen Eltern. Ein bisschen zu spät ist er sowieso immer, dann muss er nicht ausgerechnet heute pünktlich sein. Das heißt, kurz vor halb 11 muss ich ihn wecken. Dann kann er noch ein Mal Zähne putzen, sich umziehen und los fahren, dann kommt er vielleicht 15 Minuten zu spät, hat aber schon mal anderthalb Stunden Schlaf auf dem Konto. Und wer weiß, wie viele es heute noch werden, weil er ja schon recht früh am Feiertag wieder auf der Arbeit stehen muss.
Wenig später rüttle vorsichtig an ihm, bis er seine Augen aufmacht.

Um halb 11 bin ich wieder auf dem Weg zu meiner Wohnung. Eigentlich war ich um 10 zum Telefonieren verabredet. „Sorry, bissel verschlafen“, schreibe ich. Das Gegenüber weiß, dass ich Dienst hatte. Turns out – auch auf der anderen Seite der Leitung wurde gerade erst aufgestanden. Passt also alles.

Es war so simpel. Ich glaube, wir haben uns beide keinen Zacken aus der Krone gebrochen.
Aber so schön.
Das sind die Momente, in denen ich da doch eine Verbindung spüre. Ein Miteinander. In denen ich glauben möchte, dass ungeachtet aller anderen Schwierigkeiten irgendwann alles gut wird.


Mondkind

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