Von Lern-Wochenenden und der Schuldfrage
Irgendwie beobachte ich seit Wochen, dass die freien Wochenenden immer
nach dem gleichen Schema ablaufen. Samstag ist Einkaufen, Putzen, Wäsche und
Organisatorisches dran. Und wenn das dann erledigt ist, werden Freunde
angerufen, weil diese Freundschaften insbesondere über die weite Distanz eine
besondere Pflege brauchen.
Und Sonntag ist dann eigentlich immer als Lerntag eingeplant. Lange
schlafen kann ich meist ohnehin nicht, also bin ich gegen 10 Uhr startklar für
den Schreibtisch. Und kaum sitze ich dort 20 Minuten bin ich so müde, dass ich
kaum noch die Augen offen halten kann. Zwar versuche ich es meist noch ein
Stündchen, aber dann tingle ich doch erstmal in Richtung Bett und ruhe mich ein
wenig aus. Eine Stunde später geht der nächste Versuch los.
Und so geht das meist den ganzen Sonntag, bis ich irgendwann am
Nachmittag erschöpft feststelle, dass das so keinen Sinn hat und mit einem
schlechten Gewissen einsehen muss, dass ich absolut nichts geschafft habe.
Manchmal versuche ich mich dann mit einen Spaziergang aufzupeppeln,
aber das bringt meist auch nur wenig – danach bin ich meist noch müder. (Und
heute habe ich das auch schweren Herzens sein lassen. Ich wurde gestern schon
ganz böse von den Polizisten gemustert, als ich wirklich nur einkaufen war und
wir haben von der Arbeit immerhin Ausweise bekommen, die wir bei Kontrollen
vorzeigen können – da kommt ein „ich bin auf meinem Sonntagsspaziergang“ sicher
nicht so gut – obwohl es rein theoretisch erlaubt wäre).
Und ich frage mich, was das ist. Ich habe jahrelang ohne Pause
durchgelernt und jetzt kriege ich das nicht hin, mich sonntags mal ein paar
Stunden hinzusetzen und mich auf die Epilepsie – Station vorzubereiten. Daran,
dass ich kein Interesse habe, liegt es sicher nicht – ich habe auch so im
Allgemeinen das Gefühl, dass ich gar nicht mehr richtig wach werde.
Hat Jemand Vorschläge oder Tipps (Außer Tonnen von Kaffee und mehr
schlafen, wobei ich letzteres versuche, aber das auch nicht ganz klappt). Ich
habe schon überlegt, mir einfach mal einen Monat „Wochenend – Lernverbot“
aufzuerlegen, aber das geht halt eigentlich nicht.
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Heute habe ich dann irgendwann beschlossen, Waffeln zu backen |
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Ansonsten hat mich zu meinem letzten Blogpost ein Leserkommentar erreicht, zu dem ich gern noch etwas sagen möchte…
Ansonsten hat mich zu meinem letzten Blogpost ein Leserkommentar erreicht, zu dem ich gern noch etwas sagen möchte…
Die Frage war, ob es wohl positive Gefühle in mir auslösen würde, wenn
die Worte aus dem letzten Blogpost an die Ohren meiner Mutter dringen würden.
Ich weiß nicht, was der Hintergedanke dieser Frage war, ehrlich gesagt
– aber es geht in dieser ganzen Situation schon lange nicht mehr um Schuld. Das
Ziel ist nicht meiner Mutter klar zu machen, dass es mir schlecht geht, weil
sie etwas falsch gemacht hat – oder generell meine Eltern.
Ich glaube, Therapie lehrt auch Frieden zu finden. Natürlich habe ich
mich immer wieder gefragt und auch immer wieder thematisiert, warum ich nicht gehört
wurde. Warum jegliche Kommunikation in diesem Haus unmöglich war und warum es
immer wieder hieß: „Nein Mondkind, das hast Du alles nur falsch verstanden“,
was jede Diskussion im Keim erstickt hat. Und warum ich dann immer die Idiotin
war, die ja „alles nur falsch verstanden hat“ und das mich aber trotzdem so hat
leiden lassen.
Heute weiß ich: Mag sein, dass ich etwas anders verstanden habe, als
andere Leute meinen, dass man das verstehen muss. Aber es ist deswegen nicht
falsch und weder ich, noch irgendwer anders, trägt Schuld daran. Es gibt nicht
die „richtige Realität“. Jeder nimmt die Dinge anders war. Was ich in meinem
Blog schreibe, ist lediglich meine Sicht auf die Dinge und ich erhebe nicht an
den Anspruch darauf, dass das die „Wahrheit“ ist, wenn es etwas wie Wahrheit
gibt.
Ich glaube, jeder von uns hat - jetzt mal speziell auf die im letzten
Blogpost thematisierte Trennungssituation - die Geschehnisse damals anders wahrgenommen
und in so einer Ausnahmesituation kann man auch nicht alles perfekt machen.
Meine Eltern hatten da vermutlich ganz andere Prioritäten und meine Mutter hat
es glaube ich – im Gegensatz zu mir – absolut nicht kommen sehen.
Zum Thema Wahrnehmung ein Beispiel: Nachdem unsere Eltern uns ihre
Trenung eröffnet haben, haben sie uns vor den Fernseher gepackt und den ganzen
Abend über Geld geredet. Und ich dachte mir nur so: „Könnt Ihr jetzt bitte
herkommen, Eure Kinder in den Arm nehmen und ihnen sagen, dass am Ende alles
irgendwie gut wird…?“ Aber sie hatten in dem Moment keinen Kopf dafür, haben
wahrscheinlich nicht mal daran gedacht, während ich nicht daran gedacht habe,
dass auch Wirtschaftlichkeit und Finanzen in dem Moment eine Rolle spielen
können. Da hat jeder andere Realitäten und Wahrheiten erlebt, damit verbunden
andere Gefühle gehabt.
Und auch Eltern sind Menschen. Die nicht alles wissen und nicht alles
können. Und nur ihr Bestes geben können. Und jeder von uns lebt das erste Mal.
Und für den ersten Versuch, machen es die Meisten echt gut, befinde ich.
Natürlich hätte man damals mit der Situation anders umgehen können und
müssen. Transparenter. Ehrlicher. Die Vergangenheit macht uns zu dem, was wir
heute sind. Es gibt ehrlich ein paar Dinge, die ich meinen Eltern nicht
verzeihen kann. Jetzt jedenfalls noch nicht. Aber ich kann sie auch nicht
verantwortlich dafür machen, was heute ist – auch wenn sie natürlich ein
wesentlicher Teil meiner Vergangenheit waren.
Aber es ist meine Verantwortung heute zu entscheiden, was mir gut tut.
Und wenn mir Abstand gut tut, dann ist das so. Ganz wertfrei.
Das Einzige was jetzt noch hilft ist, die Sache anzunehmen und nicht
noch jahrelang in die Zukunft zu schleppen, wenn es geht. Es wird noch lange
Situationen geben, die mich immer wieder in diese Situation und in diese
Hilflosigkeit von damals schmeißt. Das lässt sich auch nicht auslöschen. Auch
der zukunftsorientierteste Blick wird mich nicht vor diesen „Flashbacks“
bewahren. Und dann hilft es vielleicht nur – wie am Freitag geschehen – mich da
ganz vorsichtig hindurch zu führen, dieses Kind von damals ein Stück näher an
die erwachsene Mondkind zu bringen, sodass ich das Kind an die Hand nehmen und
sagen kann: „Was damals passiert ist, war schlimm und das wird es immer
bleiben. Aber heute müssen wir nicht mehr hilflos sein, weil wir heute nicht
mehr abhängig sind. Wir sind erwachsen, stehen auf eigenen Beinen, brauchen
keine Erlaubnis mehr für unsere Wege und können damit alles selbst gestalten.“
Man sieht… - das Gespräch von Freitag wirkt noch nach. Hat mich über
das Wochenende gebracht. Irgendwie. Wenn auch mit dem ein oder anderen „Fast –
Zusammenbruch“. Weil das Projekt „zu Hause finden“ jetzt erstmal für
unbestimmte Zeit auf Eis liegt. Soziale Kontakte, die nicht die biologische
Familie sind, sind nun mal einfach verboten. Also für mich das Treffen mit
jeglichen Menschen, die Bezugsperson sein könnten oder hätten werden sollen.
Für wie lang auch immer. Es begräbt ein bisschen die Hoffnung, auf eine „schnelle
Lösung“. Die das hier ohnehin nicht war. Aber dieses „vielleicht bist Du ganz
kurz davor Mondkind und vielleicht musst Du nur noch ein paar wenige Schritte
weiter gehen…“ – das wird so einfach nicht sein.
Die ganze Idee „zu Hause“ steht jetzt erstmal. Und man kann nur
hoffen, dass diese Pause uns nicht wieder mal zurück schmeißt. So, wie gefühlt
in den letzten Wochen die meisten Schritte eher rückwärts, als vorwärts gingen.
Und das... - macht doch etwas Sorge. Weil trotz aller Licht - Momente zwischendurch die Kraft für Hoffen, Warten, Bemühen und Versuchen irgendwann verbraucht ist.
Ein bisschen nervös schaue ich auf die nächste Woche. Was mir da wohl
so blüht. Mit meiner Notaufnahme. Geschult sollen wir alle werden. In Intensivmedizin.
Damit im Endeffekt notfalls jeder von uns auf der Intensivstation einsetzbar
ist. Mal schauen, ob ich ausnahmsweise mal hin darf. Aber eigentlich muss ich
dürfen.
Mondkind
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