Ein Monat 2.0 - oder auch: Dienstplan

Ich kann mich erinnern… - so einen Blogost gab es schon einmal.

25. Juni 2020
Telefonat.

Der dienstplanverantwortliche Oberarzt. „Mondkind, zwei Dinge: Zum Einen trägst Du Dich bitte für die Wochenend – Dienste ein…“, erklärt er. „Ja ich weiß, dass ich das machen soll und das ist dieses Wochenende schon der dritte Dienst“, erkläre ich. „Ja, aber Mondkind das reicht nicht – Du sollst jedes Wochenende arbeiten…“, entgegnet er. Ja wow… - das ist ja mal ein Statement.
[…]„Und die zweite Sache…“, setzt er erneut an, „Du trägst Dich ab August in den ersten Dienst ein. Wenn ich den Dienstplan freigebe, setze ich Dich auf den Verteiler…“ Er sagt noch ein paar andere Dinge und am Ende kommt: „Mondkind, Du weißt, dass ich Dich schätze…“ „Naja, nicht mehr lange…“, denke ich, als ich das Telefon in der Tasche des Kasacks versenke und mich wieder dem Patienten zuwende.

Es war der Moment in dem ich glaubte, den Sommer nicht mehr überleben zu können. 

Das war damals das Bild zu dem Blogpost... - einer der wertvollsten Zettel und damals noch Bestandteil im Helfersystem.

 

6. November 2020

Dienstplanbesprechung.
Ich wähne mich eigentlich in Sicherheit. „Mondkind das mit dem ersten Dienst… - ich denke, das machen wir dieses Jahr nicht mehr; das versuchen wir mal ab dem nächsten Jahr. Nicht unbedingt nächstes Jahr im Dezember, aber auch nicht im Januar…“ Das hatte „mein“ Oberarzt letztens gesagt.
Dass ich viele Wochenenden (oder alle…) und wahrscheinlich Weihnachten im Dezember arbeiten werde, das war mir klar und hinsichtlich Weihnachten auch gewollt. Wenn ich sonntags arbeite, lässt man mich mit den Samstagen meist in Ruhe – irgendwann muss ich ja auch mal einkaufen und deshalb forciere ich die Sonntage auch ohne Aufforderung – und Weihnachten alleine und einsam in der Wohnung zu hängen, ist eine sehr schlechte Idee.
Worauf ich nicht ganz vorbereitet war: „Mondkind, wie ist das mit Dir und dem ersten Dienst…?“ Vor versammelter Mannschaft. Heute früh. Da kann ich schlecht „Nein“ sagen, wenn wir so schlecht besetzt sind im Dezember, dass jeder mehr arbeiten muss, als er sollte.
Also bekomme ich ein ganz besonderes Geschenk zum Nikolaus. Den ersten „ersten Dienst“. 12 Stunden Notaufnahme von morgens um 10 bis abends um 22 Uhr. (Was übrigens nichts daran ändern Montagmorgen bitte motiviert auf der Station zu stehen…)

Ich werde bis dahin vermutlich seit mehr als sechs Monaten keinen akuten Schlaganfall mehr behandelt haben. Keine Übung mehr darin haben 10 oder mehr Patienten die akut und jetzt Hilfe brauchen, zeitnah zu betreuen.

Meine Einstellung dazu… - schwankt ziemlich. Manchmal denke ich mir, dass ich es schon irgendwie hinkriegen werde. Immerhin habe ich bis jetzt alles irgendwie geschafft. Manchmal denke ich mir, dass ein Monat eben noch ein Monat ist – was verdammt viel Zeit ist, wenn man ohnehin nur von heute auf morgen denkt. Manchmal denke ich mir, dass ich mein „altes Leben“ ohnehin nicht wieder bekomme und es sowieso nicht mehr schlimmer werden kann, als es aktuell ist. Manchmal denke ich, dass ich hinterher wirklich stolz auf mich sein kann und ich - bis auf die Intensivstation - dann alles in diesem Haus tun kann.  Manchmal denke ich mir, dass der Freund und ich so lange über den ersten Dienst sinniert haben und es unglaublich hart sein wird zu begreifen, dass er diesen Schritt nicht mehr mitbekommt. Und manchmal denke ich mir, dass ich zwar versuche optimistisch zu sein, aber dass die Panik davor ohnehin nicht händelbar sein wird. Die Dienstbefreiung von der Klinik hätte ein Dreiviertel Jahr gehen sollen. Ein Dreiviertel Jahr leben ohne Angst und Diskussionen. Wäre viel Lebensqualität gewesen.
Und dann denke ich mir manchmal, dass der Sommer schon „Bonus“ war. Durch alles was passiert ist, kein Bonus, der sich wie ein Bonus angefühlt hat. Aber eigentlich hätte ich schon längst nicht mehr hier sein sollen. Und ein paar Monate sind kein Dreiviertel Jahr gewesen, aber auch nicht nichts.

Mondkind

 P.S. Der PC hat sich gestern richtig aufgehängt und war erst nach 20 Minuten ohne Akku und Strom neu zu starten. Der Kollege, den ich dazu am Handy hatte (ein Hoch auf ihn… ) meinte, es liegt am Stromkabel. Also aktuell nur Betrieb vom Akku aus, Laden nur im Ruhezustand und neues Kabel bestellen. Hoffen wir, dass das Teil nicht die Hufe hoch klappt. Wer bin ich ohne mein Geschreibsel… ?

 

 

Kommentare

  1. Liebe Mondkind, wenn die Notaufnahme voll läuft und du da als einzige Ärztin (im 1. Weiterbildungsjahr!) den Laden stemmen sollst, ist das nicht dein persönliches Unvermögen, sondern ein struktureller Versorgungsfehler seitens der Verwaltung. Du gibst dein Bestes. Das ist in einem maroden System wie dem Krankenhaus nicht immer ausreichend. Aber es ist nicht deine Schuld. Bitte, bitte nimm dir das zu Herzen. Es gibt auch das MediLearn-Forum, in dem sich Assistenzärzt*innen austauschen - vielleicht hilft dir das etwas, deine Erlebnisse und Leistungen auf der Arbeit realistisch einordnen zu können. Ich wünsche dir alles Gute.

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    1. Hallo,
      Danke für den Hinweis. Ich dachte MediLearn sei nur für Studenten. Ich war da schon ewig nicht mehr. Dann muss ich mich da mal wieder hin verirren und mal schauen, was da so geschrieben wird…

      Ich hab mir mittlerweile überlegt: Ich mach’s einfach. Und ich hoffe, dass ich nicht vorher nochmal einknicke.
      Irgendwie denke ich in letzter Zeit immer so: Schlimmer kann es echt nicht mehr werden. Angst ist etwas anderes, als diese ganze Verzweiflung, Ohnmacht, Schuld und dieses Gefühl nicht verstanden zu werden in Bezug auf den Freund. Und wie oft habe ich geglaubt, dass die Gefühle so stark sind, dass ich das nicht aushalten kann.
      Aber man hält es aus. Es bleibt nicht non – stop so stark. Der Dienst geht 12 „nur“ Stunden. Auch 12 Stunden sind endlich. Und man kann nicht 12 Stunden Angst in seiner stärksten Ausprägung haben. Das geht nicht.

      Wie sinnvoll das ist, eine Assistenzärztin mit einem knappen Jahr Erfahrung (wenn man eben die beiden Monate Ausfall abzieht) in eine interdisziplinäre Notaufnahme zu stellen und sie gleichzeitig noch für alle Konsilanfragen an die Neuro verantwortlich sein lässt – darüber will ich mir kein Urteil erlauben. Aber ich gebe mal mein Bestes. Da kommt halt mittlerweile auch viel Druck und ich weiß, dass viel darüber gemeckert wird, dass ich das bislang nicht mache.

      Mondkind

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