Schnee... :)

Na, wie macht man eine Mondkind – Kind glücklich? Mit Schnee!!! Pünktlich am ersten Dezember hat es den ersten Schnee gegeben.
Und vielleicht erinnert das doch sehr an längst verlorene Zeiten. Wie ich da heute Morgen – ein bisschen verrückt, wie die Mondkind ist – trotz allem vorsichtig in Schrittgeschwindigkeit mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit war und nebenbei ganz fasziniert war von dem dumpfen Klang, mit dem das Vorderrad den Schnee zusammen gedrückt hat. Und es so wunderschön war anzuschauen, wie winzige Schneeflocken im Licht der Laternen tanzen.
Einfach mal kurz vergessen. All den Druck, all die Angst, all die Sorge um das Wenige, das noch geblieben ist. 


 

Aber natürlich landete auch eine Mondkind wieder unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Eine volle Station, eine Besetzung, die noch nie so schlecht war. Jeder von uns beiden Assistenzärzten hat mehr als doppelt so viele Patienten, wie wir haben sollten und trotzdem wird munter weiter einbestellt.
Daneben Sonderwünsche des Chefs, ich habe fast alle privaten Patienten.

Und neben diesen ganz kurzen, sehr raren Momenten von Glück muss eine Mondkind auch den Ansprüchen gerecht werden, damit das, was noch da ist, bleibt.
Die potentielle Bezugsperson und ich… - das ist ein Spiel, das ich eigentlich schon mein ganzes Leben lang gespielt habe. Er fährt eine andere Strategie, als viele andere. Ich glaube schon, dass er sich Gedanken darum macht, wie er mir helfen kann. Aber sehr oft präsentiert er sich dabei nicht als Verbündeter, sondern als derjenige, der die Zügel in der Hand hält. Bei ihm kommt es mir manchmal vor, wie vor sehr langer Zeit beim Reiten – die Situation erinnert mich exakt an ein junges Pferd, das ich mal geritten bin. In dem Fall bin ich das Pferd und er hält die Zügel. Und die hält er immer kontrolliert eng. Und manchmal – wenn es mir zu bunt wird, oder ich mich zu sehr in Sicherheit glaube – dann schmeiße ich ärgerlich den Kopf ein bisschen nach links und rechts und merke, dass ich dadurch auch nicht mehr Spielraum bekomme und manchmal buckle ich vielleicht auch ein bisschen herum, aber er ist da sehr sattelfest.
Letzten Endes hat er seine Vorstellungen davon, welche Schritte dazu führen, dass es mir besser gehen wird. Wobei ich wirklich nicht weiß, wie das gehen soll, wenn wir an den Tagen nicht anbauen. Fahrstunden, Auto kaufen, Therapeuten suchen, so circa zwei Mal pro Woche Therapie. Mit einem Energielevel, mit dem man gefühlt im ersten Gang auf der Autobahn fährt und allein die Arbeit kaum zu bewältigen ist, nicht so richtig machbar. Und wie ich zwei Mal in der Woche zur Therapie soll – selbst ein Mal in zwei Wochen wäre sportlich – wenn ich das Gebäude jeden Tag erst nach 19 Uhr verlasse, weiß ich auch nicht. Ich picke mir immer wieder Aspekte raus, die für mich umsetzbar erscheinen. Irgendwelche Kleinigkeiten am Rand. Mit denen er dann auch zufrieden ist. Und dann ist für einen kurzen Augenblick mal Ruhe. Ehe es wieder losgeht, ehe ihm auffällt, dass wir immer noch nicht weiter sind, ehe wieder viel Kritik kommt und ich abends wieder in meinem Bett liege und nicht weiß, wie lange er noch bleibt, wenn ich es nicht so mache, wie er sagt.
Und dann gibt es da ja auch noch die Arbeit. Sonntag haben wir zusammen Dienst und die „einfachen“ Fälle in der Notaufnahme kann ich mittlerweile ja auch. Aber wenn da Thrombektomien und Ähnliches kommen, bin ich ganz schnell an der Grenze. Und es hängt nun mal auch davon ab, wie gut ich mich auf der Arbeit schlage, ob und inwieweit er für mich da ist. Sonst ist halt erst mal wieder eine Weile Ruhe, ehe Gras über den Faupax gewachsen ist. Nichts war früher schlimmer, als in seine Augen zu schauen, die sich verrollen und ich wusste, dass ich irgendetwas nicht gut gemacht hatte. Mittlerweile arbeiten wir ja normalerweise etwas entfernt voneinander.
Da sind einfach Ansprüche. Und die habe ich zu erfüllen als Vorraussetzung für seine Unterstützung. Und viele Dinge sieht er tatsächlich anders als ich. Und die vorauszusehen und nicht anzusprechen, ist die Kunst – und gelingt nicht immer.

Es sind diese ganz kurzen Momente von Unbeschwertheit, die man zählen kann, so selten wie sie sind, für die ich noch lebe. In denen Mondkind – Kind woher nun auch immer – ob durch den Schnee, der die Welt unter sich friedlich einhüllt, oder ob in Erinnerungen an Zeiten, in denen die erwachsene Mondkind noch nicht so sehr erschöpft war, das Leben kaum managen konnte und Mondkind – Kind konsekutiv immer zu kurz kam – einfach mal Geborgenheit fühlt. Und vergessen kann, wie sehr sie jeden Tag dafür kämpfen muss, dass dieses fragile System, das jetzt noch um Mondkind herum steht, bleibt. Es sind Momente, in denen die erwachsene Mondkind der kleinen Mondkind einfach mal beim Toben durch den Schnee zuschauen kann. Ihr Herz seltsam davon berührt wird, dass auch die Kleine einfach mal glücklich sein darf, einfach mal kurz den Anforderungen und Zwängen entfliehen kann.
Umso härter ist die Realität. Momente sind Momente. Es gibt Niemanden mehr, der bedingungslos bleibt. Manchmal hat man nicht mal Einfluss. Und noch während der Blick über die weißen Baumspitzen streift, fühlt die erwachsene Mondkind einen Stich im Herzen. 

Ob die Mondkind wohl... - ein bisschen verrückt ist... ?😅⛄

 

Sonntag ist der erste Dienst. Bis jetzt hatte ich allen Ernstes nicht mal Zeit, um Angst zu haben. Ich erinnere mich, dass Herr Kliniktherapeut in seine Trostbox mal einen Schutzengel gepackt hat und dass ich den für die ersten Dienste mitnehmen wollte. Auch wenn er gedanklich nicht mehr bei mir ist und das alles ein Konstrukt von Erinnerungen ist – aber ich werde ihn trotzdem mitnehmen. Hoffen, dass es gut geht und die potentielle Bezugsperson und ich danach keine Pause voneinander brauchen.
Der Dienstplan hat sich übrigens auch schon wieder geändert. Ich wurde einfach über die Neujahrstage eingetragen. Ganz leise war da noch die Hoffnung, ob ich es vielleicht doch nochmal in die Studienstadt schaffe dieses Jahr…  - das sieht jetzt gar nicht danach aus. Vielleicht ist es besser so. Ehe ich feststellen muss, dass aus den straffen Tagesplänen von früher dort einfach nur Leere geworden ist.

 

Mondkind

 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Reise - Tagebuch #2

Von einem Gespräch mit dem Kardiochirurgen