Happy Birthday to Heaven

 Hey,
na, wie geht es Dir? Wie verbringst Du Deinen Ehrentag?
Ich weiß nicht mal, ob ein Happy Birthday zu zynisch ist… ? Ich hoffe einfach, Du feierst irgendwo. Ich hoffe, Du denkst heute nicht so viel über alles nach, hast einfach ein bisschen Spaß. Siehst vielleicht die Bäume grün werden – das werden sie hier nämlich langsam. (Eigentlich wollte ich das fotografisch festhalten, aber ich habe so wenig Zeit…)

Der erste Geburtstag ohne Dich hier.
Verrückte Zeiten. Wie unglaublich fremd diese Welt sich mittlerweile anfühlt. Als sei ich dauerhaft im falschen Film, als müsse ich aufwachen, als müsse dieser Alptraum enden, weil das so alles unmöglich ist.
Heute vor einem Jahr habe ich Dir direkt frühs geschrieben und wir haben uns dabei gleich zum Telefonieren verbredet. Ein kleines Telefonat ins Universum. Das wäre doch mal was.

Was ist heute für ein krasser Tag. Hätte mir vor einem Jahr jemand erzählt, dass Du nicht mehr hier bist, dass ich Dir einen Brief schreiben muss und hoffe, dass die Worte irgendwie bei Dir ankommen und gleichzeitig meinen ersten 24 – Stunden – Dienst habe… - ich hätte es nicht für möglich gehalten.
Eigentlich sträubt sich in mir alles, diesen Tag so leben zu müssen.


 

Ich habe letztens übrigens die Kette wiedergefunden, die Du mir mal geschenkt hast. Du weißt schon, die mit dem lila Anhänger. Irgendwann, schon lange vor Deinem Tod, hast Du mich mal gefragt, ob ich sie noch habe. „Natürlich habe ich die noch“, habe ich Dir gesagt, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, wo sie hin gekommen war in all den vielen Umzügen. So ist es ja immer mit Sachen, die man gut aufbewahren möchte. Dann bewahrt man sie so gut auf, dass man sie gar nicht mehr findet. Sie war in einer kleinen, roten Dose, wo ich sie niemals vermutet hätte und stand eigentlich schon seit meinem letzten Umzug in meinem Schlafzimmer. Jetzt liegt sie vor Deinem Bild.

Eine ehemalige Kommilitonin hat mir letztens ein Bild geschickt von der Studienstadt im Sonnenaufgang. Und weißt Du, welches kleine Detail in der Ecke mir den größten Stich ins Herz versetzt hat? Die Bahntafel, die noch ganz am Rand des Bildes waren. Ich hab Dich am Anfang immer beneidet. Egal, in welcher Ecke wir festhingen – Du wusstest, mit welcher Bahn man wo hin kommt, wo man umsteigen muss und wie man – schneller und geschickter als die entsprechende App angibt - an seinem Ziel ankommt. Irgendwann war ich dann mal mit meiner Schwester in der Stadt, die ja nie Bahn gefahren ist. Und irgendwann war sie ein bisschen beeindruckt, wie ich sie über die Bahnhöfe und schnell noch in fast abfahrende Bahnen geschoben habe und wir am Ende im Null Komma nichts da waren. Da habe ich mir gedacht, dass ich doch schon gut von Dir gelernt habe…

Ich habe mit Deiner Mum telefoniert. Vorgestern Abend. War uns beiden noch wichtig, das vor Deinem Geburtstag zu schaffen. Ich habe die Kerze angezündet, damit Du mithören kannst. Es geht schließlich nicht darum, irgendetwas zu verheimlichen.
Ich möchte Dir hier gar nicht erzählen, was mich am Meisten bewegt hat. Das erzähle ich Dir in Ruhe abseits vom Publikum – nachdem ich es ein bisschen sortiert habe.

Nur so viel: Du warst ein unglaublich liebenswerter Mensch – egal was die Kriminalpolizei da für wundersame Theorien gesponnen hat. Die treuste Seele an meiner Seite, der Mensch, der über die Jahre so nah dran war, wie niemand sonst. Und während des Telefonates konnte ich Dich fast fühlen. Bei so vielen Dingen, die Deine Mum erzählt hat, da habe ich mir gedacht: Das bist einfach so typisch Du. So viele Anmerkungen, über die ich ein Mal kurz schmunzeln musste.
Ich bewundere Deine Mum für ihren Umgang damit. Die Wertschätzung Dir gegenüber und den Frieden, den sie damit schon gefunden hat, soweit es eben möglich ist.

Ich war sehr beunruhigt – wir kamen darauf zu sprechen – weil ich heute Abend keine Kerze für Dich hinstellen kann - ich habe den ersten 24 - Stunden Dienst. Am Ende fackelt die Klinik ab und ich bin Schuld. Sie hat gesagt, sie stellt – wie jeden Abend – das Licht ins Fenster. Du findest sie, okay? Und ich bin ab morgen wieder da. Ganz fest versprochen. Und dass die Kerze nicht brennt heißt auch nicht, dass ich nicht an Dich denke. Ich denk an Dich. Ganz fest heute. Trotz Dienst. Ich hoffe, es wird nicht ganz so schlimm. Wie ich bis morgen Mittag ohne Schlaf überleben soll, weiß ich nämlich nicht.
Und übrigens kann ich Dir schon jetzt sagen, was der schwerste Moment des Dienstes wird: Morgen früh, wenn ich den Berg nach Hause runter laufe. Ich Dir nicht vermelden kann, dass ich es (hoffentlich) geschafft habe und wir ein paar Luftsprünge machen können.

Mondkind

 

Bildquelle: Pixbay

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