Vom vorerst letzten freien Wochenende

Ein freies Wochenende bei mir zu Hause.
Und bis wir Ende August auf der Hochzeit eingeladen sind, ist das neben den Wochenenden um meine Urlaubswoche herum das einzige freie Wochenende bis Ende August. (Ich habe nochmal in der Statistik nachgeschaut, ob da Wochenendarbeit auch bilanziert wird und nein, wird sie nicht. Und dennoch sind es immer noch immer dieselben, die fast jedes Wochenende die Klinik hüten).

Also habe ich mir vorgenommen, dieses Wochenende zu genießen.
Und ich habe ich es genossen.
Tatsächlich ist es fast ein bisschen so, als würden mit der Enge des Kontaktes zum Freund auch die Schwierigkeiten von damals zurückkommen. Auch auf kleiner Ebene. Ich habe es schon damals nicht gemocht, ständig bei ihm zu sein, während er beinahe nie bei mir ist – ich mag meine Wohnung nämlich auch.

Also habe ich am Samstag erstmal eingekauft (ein bisschen schwierig, wenn man nicht weiß, ob der Freund jetzt diese Woche zu Besuch kommt oder nicht; aber dann muss er halt selbst nochmal los, ein Auto hat es ja), habe die Wohnung geputzt – etwas gründlicher als sonst (aber nicht zu gründlich, dass es jetzt ewig viel Zeit beansprucht hätte, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass der Freund ohnehin noch 27 Ausreden findet, warum er nicht zu kommen braucht). Ich war mal wieder eine Runde im Kurpark spazieren und habe dabei mit einem Kumpel aus der Studienstadt telefoniert (er hatte die fixe Idee, dass wir doch im September zusammen auf die Kanaren fliegen könnten; da hat er nämlich auch Urlaub und ich habe gesagt, dass ich mich alleine immer nicht traue weit zu verreisen und deshalb seit Jahren nicht mehr unterwegs war). Samstagabend habe ich meine Schwester besucht, die gerade mit ihrem Freund nach einer Woche Urlaub aus Tirol zurück kam und habe auch die Hamsterlady endlich mal wieder zu Gesicht bekommen.
Sonntagfrüh habe ich dann während des ersten Kaffees mit einer anderen Freundin telefoniert, ich habe angefangen ein neues Buch zu lesen, bis plötzlich aus einer neben mir liegenden Zeitschrift eine riesige (sie war wirklich RIESIG) Motte hervor gekrabbelt kam – mit dem Hinausgeleiten dieser war ich einige Zeit beschäftigt. (Ich versuche nämlich abends und nachts die Wohnung soweit es geht runter zu kühlen, falls der Freund kommt; er mag Wärme in der Wohnung nämlich gar nicht. Allerdings ist es trotz aller Bemühungen immer noch im Schnitt drei Grad zu warm hier. Und ja – ich mach das Licht schon aus beim Lüften, aber manchmal…). Am Nachmittag habe ich die glaube ich beste Mango meines Lebens gegessen und am Abend noch eine kleine Nudelpfanne gekocht, die auch noch für morgen reicht.

Alles im allem war es wirklich sehr schön.
Ein schönes Sommerwochenende.
Ich hatte mir überlegt, ob ich ins Umland zum Lieblingsberg fahre, aber da muss man vielleicht bei 30 Grad Außentemperatur nicht unbedingt hoch. Es war glaube ich ganz gut so.

Und ich habe auch ein bisschen nachgedacht zwischendurch.
Schon mal über den Brief an den verstorbenen Freund. Nächstes Wochenende werden es drei Jahre. Da muss ich noch Zeit finden diese Woche all die Gedanken zu sortieren und geeignete Worte dafür zu finden. Das ist nicht einfach, weil mein Anspruch an diesen drei Jahres – Brief auch sehr hoch ist. 




Und manchmal… - manchmal bleibe ich kurz stehen und drehe mich um.
Schaue mal kurz zurück auf all die Jahre davor.
Ich spüre, dass Dinge sich ändern. Und, dass das okay ist.
Ich weiß nicht, wie oft ich in der Studienstadt in der Ambulanz gesessen habe und über meine Familie gesprochen habe. Ich weiß nicht, wie oft die Ereignisse dort zu Krisen geführt haben. Es ging selten um mich in diesen Stunden. Sondern ständig um das Außen um mich herum. Diese Umstände dort haben mich ständig auf Trab gehalten. So, dass es kaum mal still in mir werden konnte. Und wenn, dann war das wahrscheinlich auch nicht gut, weil ich völligst überfordert war. Aber um mich selbst hat es sich eben leider in dieser Therapie selten gedreht.
Ich weiß manchmal nicht, wie ich das gemacht habe. Aber ich habe es geschafft. Irgendwie. Der Plan, dass räumlicher Abstand zu Familie helfen wird – und zwar umso mehr, je größer der ist – ist aufgegangen. Wenn ich heute zurück fahre in die Nähe meiner Eltern dann nicht, weil ich Heimweh nach meinen Eltern habe, sondern, weil ich jedes Mal ein bisschen mehr von dieser Dynamik und meiner eigenen Geschichte verstehe. Warum ich damals gehen musste. Und irgendwie habe ich es auch in diesem Job geschafft. Wenn ich mir so meine alten Tagebucheinträge durchlese, dann ist es erstaunlich, wie ich es trotz aller Ängste jeden Augenblick irgendeinen Patienten umzubringen, gemeistert habe.

Die letzten Jahre haben mich stark und autonom gemacht. Ich weiß, ich kann alles auch alleine schaffen – weil ich das so oft musste. Aber sie haben mich auch ein bisschen hart gemacht.
Ich habe kaum stabile Bindungen gekannt. Wenn man davon ausgeht, dass vertikale Beziehungen und Beziehungen in Helfersystemen schon mal vom Prinzip her nicht stabil sein können, war die stabilste Bindung wahrscheinlich der verstorbene Freund. Und auch das hat zu schnell und zu tragisch geendet.
Und wenn ich mir heute die Beziehung zwischen dem Freund und mir anschaue, dann ist es zwar nicht das, was ich mir wünsche und es war auch selten so ein offensichtliches Hin und Her (Dass er den einen Tag zu der Idee kommt, ich könnte ihn auf die Hochzeit seiner Schwester begleiten – was eben immerhin ein Statement ist, wenn man dort mit weiblicher Begleitung auftaucht  – und zwei Tage später wieder davon redet, dass wir uns vielleicht nicht sehen sollten, war schon ein bisschen zu viel), aber im Grunde ist es das, was ich mein ganzes Leben schon in ähnlicher Ausführung kenne.
Dieses Grundbedürfnis Bindung (was der Freund eben als Schwäche ansieht), konnte nie erfüllt werden. Und wahrscheinlich resultieren daraus massivste Verlustängste. Die nichts mit dem Freund an sich zu tun haben. Sondern mit der Biographie.
Aber ich habe mich auch dran gewöhnt irgendwie. Fast damit abgefunden, dass ich diese tiefe Sehnsucht danach emotional mal irgendwo bleiben zu können, nie werde stillen können. Dass Beziehungen immer genau so bleiben werden. Unberechenbar. Unsicher. Dramatisch.

Jedenfalls finde ich – gemessen an all den Dramen von früher – stecke ich die Dinge erstaunlich gut weg. Befinde ich jedenfalls. Und manchmal hat man ja auch keine Wahl. Das Helfersystem ist sehr schmal geworden.
Und deswegen hilft nur: Akzeptieren. Und schauen, was das Leben und die Zeit so bringen.
Und das heißt nicht, dass mir nicht all die Dinge von früher weiterhin wünsche.
Aber ich weiß eben auch, dass es immer irgendwie weiter gegangen ist und dieses Vertrauen, das ich so oft von Außen brauchte, kann ich jetzt schon zumindest ab und zu für mich selbst haben. Und vielleicht hat es eben auch etwas mit dem Herunterschrauben von Erwartungen ans Leben zu tun.

Ansonsten habe ich mir am Wochenende während des Putzens einen Podcast über Beziehungen angehört zum Thema Bindungsangst und Verlustangst. Es sei wohl so, dass es die Kombination, dass ein Partner das Eine hat und der Andere das Andere ziemlich häufig gibt und daraus eine sehr ungünstige Dynamik entsteht. Ich habe den Freund und mich in vielen Punkten wieder gefunden. Ich weiß nicht, wie er das sieht. Die gute Nachricht wäre: Man kann das lösen – wenn Beide an sich arbeiten und das Problem überhaupt erstmal als solches anerkennen. Die schlechte Nachricht ist: Dazu müssten es eben beide Seiten anerkennen.
Vielleicht sollte ich mal versuchen, ihn mit zu der Frau des Oberarztes mitzunehmen, dass wir überhaupt mal besprechen, was überhaupt das verdammte Problem ist.

Ansonsten… - ich habe mir auch mal überlegt: Ich glaube, den perfekten Partner gibt es nicht. Und ob es der Partner fürs Leben ist, weiß man wahrscheinlich auch erst am Ende des Lebens.
Ich glaube, dass man sich schon im Lauf seines Lebens in so einige Menschen verlieben kann. Aber irgendwann entscheidet man sich wahrscheinlich. Im besten Fall füreinander. Und dann beschließt man etwas aufzubauen. Und ich glaube, daraus könnte nochmal eine ganz neue Ebene von Liebe erwachsen.
Wahrscheinlich ist es so, dass das am Anfang einfach unsicher ist. Dass man mehr als ein Mal damit hadert. Aber wenn man diese Entscheidung eben aus Angst davor, die falsche Entscheidung zu treffen nie trifft, kommt man auch nicht weiter.
Ob der Freund und ich diese Entscheidung für ein Leben miteinander jemals treffen können, weiß ich nicht.

Und dann habe ich auch schon mal nachgedacht über diese Hochzeit. Das erste große Problem ist ja die Sache mit den Klamotten. Bevor ich in der Psychosomatik arbeite, muss ich meinen Kleiderschrank ohnehin noch etwas auffüllen. Ich brauche halt kaum Klamotten, wenn ich im Krankenhaus arbeite. Ich habe drei Hosen, eine kurze Hose und jeweils vier vernünftige T – shirts und Pullover, die ich im Kreis trage, dazu noch eine Strickjacke und das reicht auch. Für den Alltag. Dann noch zwei Kleider, falls ich wirklich mal ganz dumme Ideen bekomme, aber die habe ich seit Jahren nicht getragen.
Aber für eine Hochzeit habe ich glaube gar nichts im Kleiderschrank. Und da ich ja die meisten Wochenenden arbeiten muss, muss ich mich im Urlaub dringend darum kümmern. Kleider trage ich eigentlich überhaupt nicht gerne, aber tatsächlich wäre das mutmaßlich das Einfachste. Aber dann brauche ich auch Schuhe und in Ballerinas komme ich gar nicht zurecht und jegliche Form von offenen Schuhen mag ich auch nicht. Deswegen vielleicht doch lieber Bluse und irgendeine anständige Hose… ?
Naja, es hat noch Zeit… - falls wir da eben überhaupt zusammen hingehen…

So – morgen geht der Tag erstmal mit der Frau des Intensiv – Oberarztes los und er selbst ist morgen auch wieder da. Ich werde ihn aber erstmal bis mindestens Mitte der Woche in Ruhe lassen, denke ich. Er muss auch erstmal wieder ankommen.
Und dann kommt der Freund morgen aus der Schweiz zurück. Und dann bin ich gespannt. Ich habe mich schon gefragt, ob das eine gute Idee ist, dass er kommt, weil de facto bin ich mit diesem Spätdienst halt – je nachdem wie es läuft, aber meist ist viel zu tun – zwischen 10 und 12 Stunden am Tage weg. Mit 8 Stunden Schlaf macht das für uns vier bis sechs Stunden am Tag. Ich möchte auch nicht, dass er sich langweilt – wobei sein Bewegungsradius meist nicht so hoch ist. Aber irgendwie würde ich ihn schon gern etwas länger als nächsten Samstag zwischen Mittag und Abend sehen und die Woche danach ist er schon wieder nicht da. Na mal sehen. Ich habe es ihm überlassen. Er kann selbst entscheiden, was er will.
Und ansonsten ist es gerade etwas unangenehm mich mit meinem Körper und mir. Die PMS - Symptome sind manche Monate echt nicht mehr feierlich und gerade wenn das so unangenehm ist, kriecht da immer noch die Sorge hoch, ob das immer noch PMS ist, oder vielleicht doch mal Frühschwangerschaft, weil irgendetwas nicht funktioniert hat bei uns... Naja - das dauert jetzt wahrscheinlich ein paar Tage und die Sorge war - wie immer - umsonst. Aber es beruhigt mich, dass eine Freundin von mir dieselben Sorgen hat... dann bin ich vielleicht nicht die Einzige auf dem Planeten, die sich doch jeden Monat etwas stresst...


Mondkind


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