Von einem Feiertag

Zwar hatten wir schon im Vorhinein verabredet, dass der ehemalige Freund und ich sich von Mittwoch auf Donnerstag sehen, aber dass daraus ein Krankenbesuch nach einem Fahrradsturz wird, war dann doch nicht so der Plan.
Also bin ich – wie sich das für einen gescheiten Besuch in so einer Situation gehört – mit Blümchen, Schokolade und Kuchen unterwegs zu ihm am Mittwochabend.

Später sitzen wir beim Essen.
Er erzählt mir, dass sich jemand in ihn verliebt hat. Jetzt sind die Umstände so, dass das nichts werden kann, von daher macht es mir keine großen Sorgen. Er fragt nur, ob er gleich nochmal telefonieren darf. Aber obwohl ich die Dame überhaupt nicht kenne, kann ich ihre Situation ein bisschen nachvollziehen und von daher ist das schon okay, wenn er nochmal kurz telefoniert.
„Sag ihr einfach, Deine Freundin ist bei Dir, dann hat sich das Thema erledigt.“
„Darüber haben wir schon geredet – ob ich in einer Partnerschaft bin“, entgegnet er.
„Und was hast Du gesagt?“, frage ich.
„Dass ich aktuell in keiner festen Beziehung bin“, entgegnet er.
„Es ist halt so die Frage…“, sage ich.
„Was?“, entgegnet er.
„Ob das so viel bringt, es hintergründig anders zu benennen als das, was es vordergründig ist“, erkläre ich.
„Das macht einen riesen Unterschied“, postuliert er.
„Ja schon – weil jeder machen kann, was er will und es ja offiziell nichts ist. Da ist der Unterschied. Aber es ändert nicht die Gefühle zwischen uns.“

Manchmal ist das schon so, als würde er mir ein Messer in die Seele stechen.
Ich frag mich manchmal, ob er wirklich nicht spürt, wie sehr manche Aussagen weh tun.

Für ihn passt das so.
Bindung macht seiner Auffassung nach jede Beziehung kaputt.
Wenn er das aber immer so gesehen hätte – wieso haben wir dann jemals eine „Beziehung mit Bindung“ geführt?

Was für ihn ein völlig entspanntes Beziehungsleben (oder eher Nicht – Beziehungsleben) ist, ist für mich ein Leben auf der hohen Kante.
Natürlich merke ich, dass es mir besser geht, wenn wir Zeit miteinander verbringen. Und still habe ich für mich beschlossen, dass die Definition von dem was wir sind, vielleicht nicht so wichtig ist. Beim verstorbenen Freund und mir war das auch nicht wichtig.
Und solange, wie es so bleibt, kann das doch jeder definieren wie er will. Die Definitionen müssen ja nicht deckungsgleich sein. Vielleicht ist es für ihn keine Beziehung, für mich ist es aber eine. Was soll sonst Beziehung ausmachen wenn nicht das, was wir aktuell mit- und aneinander haben. Und am Ende ist Beziehung eben mehr, als eine Definition.

Die Angst was passiert, wenn dieses Konstrukt zusammen fällt, bleibt trotzdem.
Ich glaube, um eine Beziehung zu führen, die so eine starke Bindung beinhaltet, was das Gegenüber komplett verleugnet oder ausblendet, erfordert theoretisch schon mal zumindest eine andere starke Bindung – die eben genau dann hält, wenn das mit uns nicht mehr hält.
Das Ding ist nur – die gibt es nicht.

Und manchmal, wenn ich die Angst in mir hochkriechen spüre – wie Mittwochabend, als er noch telefoniert hat, während ich das Geschirr gespült habe – dann versuche ich mich daran zu erinnern, dass wir eh nie wissen, was morgen ist. Das hat das Leben zu brutal gezeigt.


Ein "gute Besserungs - Blumenstrauß" für den ehemaligen Freund



Donnerstagabend.
Wir sitzen noch kurz auf seinem Sofa.
Es war ein gemütlicher Tag. Mit Frühstück auf dem Balkon, am Nachmittag haben wir lange gedöst, weil wir irgendwie beide sehr müde waren und am Abend waren wir noch Pizza essen und sind dabei kurz durch den Kurpark gegangen. Ich liebe diesen Park sehr und war auch schon ewig nicht mehr da – ich glaube dieses Jahr noch gar nicht.
Am liebsten wäre ich noch über Nacht geblieben – es wäre auch theoretisch möglich gewesen, weil ich heute Spätdienst habe, aber mit Einkaufen und Termin mit dem Intensiv – Oberarzt vor dem Spätdienst, hätte ich doch früh aufstehen müssen. Und da meine Kapazitäten für Trödelei morgens meist nicht sonderlich hoch sind und ich keine Lust habe, dass der ehemalige Freund und ich sich dann wieder streiten, fahre ich eben schon am Abend.
Und genau in dieser Situation, in der wir da auf seinem Sofa sitzen, schon im Halbdunkel, höre ich das erste „Ich liebe Dich“ seit über einem halben Jahr.

Manchmal überfordert er mich emotional einfach so sehr.
Jemanden in so einer Situation wirklich aufrichtig zu lieben, ist gar nicht so einfach.
„Wenn man jemanden wirklich liebt, muss man ihn gehen lassen können“, sagte der ehemalige Freund. Ich verstehe den Gedanken. Aber wie realitätsfern ist das… ?


Mondkind


Kommentare

  1. Es gehört schon einiges dazu, so ein Verhalten mitzumachen

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