Die erste Selbsterfahrung

Körperbezogene Therapie Workshop.
15 Teilnehmer des Workshops, der im Prinzip eine Selbsterfahrung ist, liegen auf dem Boden.
Darunter bin auch ich.
Unter mir liegt eine dünne Matte, auf mir liegt ein zwei Kilo schwerer Medizinball.
Wir sollen mithilfe des Balls bewusst unsere Atmung spüren.
Ich finde es unangenehm, weil ich die Magenschmerzen von gestern Abend immer noch spüre und der Ball das nicht gerade verbessert. Ich schiebe ihn ein Stück nach unten. Und merke aber trotzdem noch das Pulsieren der Hauptschlagader, die vehement gegen den Ball drückt.
Nach einer kleine Reflektionsrunde dürfen wir den Ball endlich auf unsere Beine wandern lassen.

Und während wir das so liegen, kommt mir noch etwas ganz anderes in den Sinn.
Dieses Liegen auf dem Boden erinnert mich gerade sehr an die Psychiatrie und die Therapien dort. Da lagen wir auch ständig auf dem Boden herum und sollten irgendetwas spüren. Und ich war darin noch nie so die Leuchte; mein Körper und ich waren nie die besten Freunde. Und auf dem Bauch konnte ich auch unabhängig von Magenschmerzen immer schlecht Dinge liegen haben. Alles, was Körpergrenzen spürbar gemacht hat, war immer irgendwie schwierig.

Und gerade stelle ich mir vor, wie die Mondkind von Heute aufsteht, zu der Mondkind von Damals geht und ihr auf die Füße hilft. Ich stelle mir vor, wie die Mondkind von Heute der Mondkind von Damals gegenüber steht und die beiden sich an den Händen halten. Ich stelle mir vor, dass es die letzte Stunde in der Psychiatrie ist, in der wir diese Übungen machen mussten. Und ich stelle mir vor, dass die Mondkind von Heute sagt: „Ich weiß, dass Du jetzt nicht glauben kannst, dass es möglich ist, aber Du wirst diese Übungen machen. Und du wirst nicht Patientin sein. Du wirst das im Rahmen von Selbsterfahrung machen. Du wirst ein Namensschild von der Klinik tragen, ein Telefon am Hosenbund haben und einen Schlüssel in der Jackentasche spüren. Du wirst die Seiten gewechselt haben. Du wirst Leuten begegnet sein, die glauben, dass Du eine gute Therapeutin werden kannst. Du wirst schon Deiner alten Therapeutin vor ein paar Wochen den Auftrag bekommen haben, die Neuro noch zu einem guten Ende zu bringen. Und das heißt Facharzt. Aber Du brauchst sie nicht mehr. Du brauchst keine Neuro – Umfeld, das Dir eine Pseudostabilität vermittelt, das Dir einen zwischenmenschlichen Zusammenhalt vermittelt, der nie existiert hat und mit dem man Dich immer wieder eingefangen hat. Ich weiß, Du glaubst das nicht, aber Du wirst ankommen. Du wirst im privaten Bereich wieder Menschen finden, die ein zwischenmenschliches zu Hause vermitteln. Und Du wirst endlich den Job machen, den Du immer machen wolltest. Du musst nur noch ein kleines bisschen durchhalten und kämpfen. Und manchmal mutig sein. Du wirst noch viel fallen und verlieren. Aber Du wirst ein Mal mehr aufstehen, als Du gefallen bist. Du wirst ankommen.“

Letztens im Dienst...

Ob ich durch die Selbsterfahrung wieder ein bisschen zu mir gefunden habe…? Möglich.
Aber die Neuro begleitet mich treu. Am Ende sollten wir uns auf den Medizinball drauf stellen und die Augen schließen. Was das mit uns macht, wollte die Leiterin wissen. Ich war versucht zu sagen: „Es fehlen neben den vestibulären und den somatosensiblen die visuellen Informationen und dadurch fühlt es sich etwas unsicher an.“
Aber ich habe beschlossen, das zu lassen. Das klingt zu neurologisch in der Psychosomatik und trotz der Facharztlernerei möchte ich nicht, dass die denken, ich hätte das Interesse verloren.

Der Kardiochirurg ist jetzt übrigens über das Wochenende wie es ausschaut mal zumindest noch hier. Er meinte, so wichtig sei ihm das nicht schon am Wochenende weg zu fahren, wenn es ihm wichtig gewesen sei, hätte er sich darum gekümmert. Und seit unserer Pullover – Diskussion trägt er wirklich immer einen Pullover, der riecht als sei er mit einer Sonderladung Waschmittel gerade aus der Maschine gefallen. Also manchmal weiß ich auch nicht… -

Mondkind


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