Erster Psychosomatik - Dienst

Der erste Psychosomatik – Dienst wäre dann auch mal Geschichte.
In der Reha.
Am Dienstag kommt der Akut – Bereich an die Reihe.

Es war schon… - ein bisschen sonderbar.
Ich kann gar nicht berichten, dass ich irgendetwas super Cooles gemacht hätte. Der Morgen startete erstmal mit der Sprechstunde und am Samstagfrüh waren die Patienten da noch entspannt. Größere Probleme gab es nicht zu lösen, die Meisten mussten sich ein bisschen entlasten und brauchten eine Strukturvorgabe für das Wochenende.
Ansonsten war es bis zum Abend eher Hausdienst… - naja, ist ja auch Einer. Das „Highlight“ war dann auch ein hausgemachtes Problem. Der andere Kollege hat einer Patientin am Morgen eine nicht geringe Menge eines Beruhigungsmittels gegeben. Am frühen Nachmittag haben die mich angerufen, die Patientin sei vor dem Fahrstuhl kollabiert. Zuerst wusste ich gar nichts von dem Medikament, aber nachdem ich in die Akte geschaut habe, war die Sache klar. Das wirkt eben auch kreislaufdepressiv – wenn man dann noch durch das Haus spaziert, hat man schnell den Salat. Leider gab es mit der Patientin noch eine erhebliche Sprachbarriere – das hat die Sache mal zusätzlich erschwert. Mein Kollege – der den Mist verzapft hat – war dann auch keine große Hilfe. Ich wollte ihn fragen, was in solchen Fällen gemacht wird. Ob Überwachung bei der Pflege für ein bis zwei Stunden und dann zurück auf das Zimmer schicken, ausreichend ist. Deshalb habe ich den Hintergrund befragt. Der  mir dann noch nahe gelegt hat, die Patientin zu befragen, ob sie denn irgendetwas umgetrieben habe und sie deshalb umgekippt sei. Also manchmal übertreiben die es halt schon auch ein bisschen. Das ist doch eine glasklare Sache, da würde Jedem der Kreislauf abschmieren. Ob psychosomatisch krank oder nicht…

Am Nachmittag hatte ich noch Zeit mein OPD – Buch weiter zu lesen und als mir die Psychologie zu den Ohren wieder heraus kam, habe ich mir noch flott die Migräne – Leitlinien ausgedruckt, die erst kürzlich überarbeitet wurden. Nach meinem „Lernplan“, der ab Mitte Januar losgehen wird, ist das sowieso das zweite Kapitel. Das erste Kapitel ist Neuroanatomie – wie ausgedehnt ich dem nachgehe, weiß  ich noch nicht. Theoretisch könnte man ein ganzes Neuro – Anatomie – Buch lesen. Dann ist man aber auch zwei Monate mit dem ersten Kapitel beschäftigt.
Hat eigentlich schon Einer von meinen Lesern zufällig einen Facharzt gemacht? Wenn ja, bin ich für Tipps dankbar. Realistischerweise wird es ja sicher noch ein Jahr dauern, bis ich die Prüfung habe. Mit Unterschriften einsammeln und anmelden ab Oktober – ich denke eher wird das nicht. Mein Plan sieht vor, die Struktur eines Frage-/Antwort – Buches zu nutzen, das die Neuro in 17 Kapitel aufgeteilt hat, entsprechende Fachbücher und Leitlinien zu lesen und am Ende zu schauen, ob ich mit den Fragen zurechtkomme. Etwa so, wie man es auch in der Examensvorbereitung gemacht hat. Und dann möchte ich auf der Arbeit Psychosomatik lesen und zu Hause jeden Abend noch anderthalb Stunden Neuro, am Wochenende mehr. Und was man unter der Woche nicht schafft, muss am Wochenende nachgeholt werden – damit es etwas flexibel bleibt.

In der Abendsprechstunde hat man gemerkt, dass die Patienten irgendwie viel Zeit hatten, sich Gedanken zu machen. Da wurde ich schon mit teils skurrilen Geschichten konfrontiert und das hat auch wirklich lange gedauert. Wegen einer Patientin wollte ich hinterher nochmal den Hintergrund anrufen. Den anderen Hintergrund als am Nachmittag, den Hintergründe gibt es auch Zwei. „Und was ist jetzt die Frage an mich?“, kommt irgendwann etwas unfreundlich durch die Leitung. „Na, wie wir damit umgehen sollen. Das ist doch theoretisch ein Straftatbestand, der der Patientin passiert ist, wenn das stimmt, was sie erzählt. Sollten wir nicht mit ihr besprechen, die Polizei einzuschalten?“ „Nein Frau Mondkind, wir machen da gar nichts. Wir nehmen was sie sagt zur Kenntnis und kommentieren es nicht…“ Na dann….

Bis ich alles fertig dokumentiert habe, ist es fast Mitternacht. Ich suche das Dienstzimmer auf. Auf dem aufgeschüttelten Bett liegen sogar Handtücher. Es jetzt mit einem Hotelcharakter zu vergleichen wäre jetzt schon ein bisschen viel, aber in der Neuro ist das Bett oft nicht mal bezogen.
Ich putze mir die Zähne und falle erstmal in die Federn. Etwas angespannt war ich heute wohl doch merke ich, als ich den Körper ausstrecke. Die Nacht wird nur kurz unterbrochen, sonst kann ich ein paar Stunden schlafen. 

 

Am nächsten Morgen um acht Uhr übergebe ich den Funk. Ich bin mir unsicher, ob meine Einträge wirklich im Übergabebuch stehen, aber die Kollegin meinte, ich muss nichts mehr machen. Sonst wird es unangenehm morgen in der Übergabe.
Eigentlich wollten der Kardiochirurg und ich sich heute zum Frühstück treffen. Ist ja auch nicht so, als hätten wir noch ultraviel vom Wochenende. Aber ich habe mir schon gedacht, dass er das verbaselt und so ist es natürlich auch. Irgendwann um 12 schreibt er mir, dass er jetzt mal aufgewacht ist. Meine Güte, ist das so schwer, einen Wecker zu stellen? Sagt ja niemand, dass der um acht Uhr klingeln muss am Sonntag, ich muss ja ohnehin erst duschen zu Hause und mich etwas frisch machen. Aber so um 10 hätten wir schon frühstücken können. Er hat die komplette nächste Woche frei, ich muss ja ab morgen auch schon wieder arbeiten. Solche Situationen machen mich immer noch super aggressiv. Ich habe doch nach einem 24 – h – Dienst keine Lust, den halben Tag auf ihn zu warten. Und dann fällt es mir auch so schwer, die Nase in Fachbücher zu stecken. Weil das eigentlich nicht der Plan war und weil ich mich eigentlich gar nicht überwinden will etwas zu tun, auf das ich gerade keine Lust habe. Entspanntes Frühstück mit dem Lieblingsmenschen gegen Lernerei einzutauschen, ist schon bitter. Und gleichzeitig werde ich mich damit anfreunden müssen. Die Schonfrist ist vorbei, ich muss die Zeitlücken jetzt wirklich für den Facharzt nutzen. Und da er sicherlich nicht zuverlässiger wird…

Mondkind