Was so los ist...
Hallo Ihr Lieben,
ich bin wieder mal bei meinem
Papa und habe deshalb Gelegenheit wieder zu schreiben !
Mittlerweile ist wieder ein wenig
Zeit ins Land gezogen und irgendwie hat sich eine Menge verändert.
Am Ende habe ich eingesehen, dass
ich doch Dinge verändern muss.
Zu Beginn wusste ich nicht, was
dieser Klinikaufenthalt mir bringen sollte. Naja – das ist auch nicht ganz
richtig. Mir ging es schlecht und ich habe den Sinn meines Lebens im Prinzip
permanent in Frage gestellt. Ich war müde davon, gefangen in mir selbst zu
sein. Zu wissen, dass mir da draußen die Welt offen steht, die ich aber nicht
greifen kann und die mir damit verschlossen bleibt.
Ich hatte Pläne, wie ich dafür
sorgen kann die Radieschen von unten anzuschauen und ich kann mich an ein
Gespräch mit einer Pflegerin an einem der ersten Abende erinnern, in dem ich
ein wenig zu ehrlich war und knapp daran vorbei geschrammt bin, dass sie den
AvD anruft.
Ich wollte wieder glücklich sein
können. Am Leben da draußen teilnehmen können. Irgendetwas fühlen. Eine ganz
normale Studentin sein, der ihr Studium wichtig ist, aber die auch verrückt und
mutig und selbstbewusst und ein bisschen frech sein kann.
Aber ich wollte nicht, dass sich
irgendetwas ändert. Ich wollte, dass die Leute, die ich um mich herum habe,
bleiben.
Die Gespräche am Anfang waren sehr
zäh.
Ich habe mich nicht selten
absolut unverstanden gefühlt, als die Ärzte mir eine „therapeutische Weltreise“
vorschlugen, als die Rede davon war, hippie – mäßig auf irgendwelche Festivals
zu fahren. Das ist nicht meine Welt und nicht das, was ich möchte.
Ich war überhaupt nicht
zugänglich für Gespräche über die Wohnsituation. Dass ich am Tag vier Stunden
pendle und mir damit so viel wertvolle Lebenszeit verloren geht und dass es
dadurch gar nicht möglich sein wird, irgendetwas anderes als die Uni zu bewältigen,
wollte ich nicht einsehen. Und dass es auf Dauer nicht gut ist, in einer
Familie zu wohnen, die einem beinahe täglich vorlebt, was man selbst gern
hätte, aber zu Hause seit Jahren nicht mehr hatte, wollte ich auch nicht
einsehen.
Denn es gab sie – die Momente, in
denen ich mich plötzlich ganz geborgen gefühlt habe. Selten und meistens
unvorbereitet, aber es gab sie. Und irgendwie hänge ich auch an dem Wohnort in
gewisser Hinsicht. An den Menschen dort, die so viel für mich getan haben. Die
alles versucht haben, um es mir ein bisschen einfacher zu machen. Die immer ein
offenes Ohr für mich hatten, wenn es mir schlecht ging. Die sich rührend
gekümmert haben, wenn ich krank war.
Und der Hund – an dem hänge ich
auch.
Und doch muss man manchmal alte
Zöpfe abschneiden. Auch Dinge, die gut waren, hinter sich lassen. Platz
schaffen für Neues. Für Dinge, die sicherlich nicht einfach werden, aber die
auch ihre guten Seiten haben werden. Denn so wie es war, hat es ja trotz der
guten Momente nicht funktioniert.
Ich bin dankbar für all die
Gespräche mit Ärzten, Therapeuten, Pflegern und Mitpatienten. Insbesondere der
Ergotherapeut hat sich richtig bemüht und wir hatten lange und viele Gespräche.
Am Ende war ich nicht selten wütend, traurig, enttäuscht und verzweifelt. Ich
habe die Leute gehasst und ich habe geflucht.
Und am Ende waren die Gespräche,
die am schwierigsten waren vielleicht sie, die am meisten gebracht haben.
Ich werde umziehen. Am 1. Juli
werde ich in eine 2 – er WG im Studentenwohnheim zusammen mit einer Jura –
Studentin ziehen. Lerntechnisch sitzen wir also ungefähr im gleichen Boot.
Es ist eine super ruhige Lage.
Vier Wohnkomplexe sind um einen Innenhof errichtet, in dem auch ein kleiner
Garten ist und in dem man im Sommer sicherlich gut grillen kann.
Ich wohne jetzt sehr nah an der
Uni. So nah, dass ich sie mit einem Fahrrad locker in ein paar Minuten
erreichen kann. Irgendwie hätte ich nie gedacht, dass ich das in meiner
Studentenzeit nochmal hinbekomme: Mit dem Rad zur Uni fahren.
Ich werde so um die 3 Stunden
Zeit pro Tage sparen, die ich vielleicht in andere Dinge investieren kann. Den
Medizinerchor wollte ich mir mal anschauen.
Meine Hausaufgabe bis nächste
Woche ist es, für jeden Wochentag zwei Aktivitäten heraus zu suchen, die man
machen könnte und bei denen man das Haus verlassen muss. Da muss ich mich jetzt
nochmal dahinter klemmen.
Und dann ist es angedacht, ab dem
nächsten Freitag auf eigenen Füßen zu stehen. Die schützenden Mauern der Klinik
zu verlassen und die ersten Schritte in ein neues Leben zu wagen, in dem ich
ein bisschen mutiger, offener und selbstbewusster bin.
Alles Liebe
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