Psychiatrie #5
Es ist fast normal geworden, morgens in der Klinik
aufzuwachen.
Mondkind hat es nicht so eilig mit der Entlassung, wie
einige andere Mitpatienten.
Sie freut sich nicht auf die Wochenenden, wenn sie wieder
herum tingeln muss zwischen den Orten, die mal ihr zu Hause waren, oder hätten
werden sollen.
Manchmal ertappt sie sich, wie sie auf dem Rückweg in die
Klinik denkt, dass sie auf dem Weg nach Hause ist und jedes Mal könnte sie sich
dafür ohrfeigen.
Sie möchte nicht, dass dieser Ort ein „zu Hause“ wird.
Und sie fürchtet, dass er das schon längst geworden ist.
Mondkind weiß, dass sie hier erwartet wird. Dass sie hier
ihren Platz hat.
Dadurch, dass sie beinahe jedes Wochenende hier ist,
unterstützt sie jedes Mal die Neuen beim Einfinden in die Station und versucht
ihnen die Angst zu nehmen.
Es fällt ihr schwer anzunehmen, dass sie den Menschen hier
wichtig geworden ist.
So wichtig, dass man es ihr ermöglicht hat von hier aus in
die Uni zu gehen, weil man sich sorgt, dass sie noch zu instabil ist und man
aber weiß, dass Mondkind ein Weiterkommen in der Uni sehr wichtig ist.
Ihr Stationsarzt hat letztens in der Kirche eine Kerze für
sie angezündet und für sie gebetet. Zumindest hat er das gesagt. Ob das
wirklich stimmt, weiß Mondkind nicht, aber es berührt sie.
Mondkind darf auch nach Feierabend noch den Arzt aufsuchen,
wenn er noch da ist.
Beinahe hat sie ein schlechtes Gewissen, so viel zu dürfen.
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