Zwei Seiten
„Also Mondkind – wer konkrete Suizidfantasien hat, den
können wir doch nicht entlassen. Und erst recht nicht, wenn Sie Ihre Entlassung
mit Suizidgedanken in Verbindung bringen. Das geht doch drei Stunden gut und
dann sind Sie suizidal…“
Mondkind sitzt ihrem Ergotherapeuten gegenüber.
Er hat Recht irgendwie.
Es gibt diese beiden Seiten in Mondkind.
Diese eine Seite, in der sie die Studentin ist. Die Seite,
die sie zur Uni trägt, die sie zwingt ihre Aufgaben gewissenhaft zu erledigen,
mehr als perfekt zu sein. Die Seite, die die Ärzte als „zwanghaft“ bezeichnen.
Eine Bezeichnung von der Mondkind nicht weiß, was sie davon halten soll, weil
sie damit aufgewachsen ist. Für sie ist es normal.
Es gibt die Seite, die Mondkind ein Lächeln auf das Gesicht
zaubert, wenn sie morgens die Uni betritt. Die Seite, die sie im Kreis mit
allen anderen vor dem Vorlesungsbeginn stehen lässt und über Belanglosigkeiten
des Alltags reden lässt.
Die Seite, die mit aller Kraft versucht den Eindruck von
Normalität vermitteln, an die nicht nur die anderen, sondern auch Mondkind
selbst glauben möchte.
Und dann gibt es da die andere Seite.
Die Seite, die Mondkind das Leben konsequent in Frage
stellen lässt.
Die meint, dass das Studienfach Mondkinds im Prinzip
austauschbar ist, weil sie nicht im Stande ist an irgendetwas in ihrem Leben zu
hängen.
Die Seite, die den Nebel in Mondkinds Kopf erzeugt, durch
den sie waten muss und den sie mühsam versucht auseinander zu schieben um
dahinter vielleicht etwas wie Heimat zu finden.
Es ist die Seite, die Mondkinds Gefühle verschluckt hat und
sie in einer merkwürdigen Gleichgültigkeit zurück lässt, in der sie alles
annimmt, nichts gut und nichts schlecht findet. Die Seite, die die Bässe der
Musik mitnimmt und ihr Herz nicht mehr im Takt dazu schlagen lässt.
Die Seite, die Mondkind am liebsten leugnen würde, obwohl
sie doch stark genug ist, um in Mondkinds Leben einen viel zu großen Platz
einzunehmen
Alles Liebe
Mondkind
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