Psychiatrie #9



18:49 Uhr.

Gerade mit dem Doc geredet.

Er hat mal wieder kurzen Nachtdienst, von daher hatte er noch kurz Zeit.

Mondkind hat das heute anders aufgezogen als sonst. Sie glaubt, irgendwann sollte man einfach nicht mehr um Verständnis ringen.



Sie hat gesagt, dass sie nur zwei organisatorische Dinge auf dem Herzen habe.

Mittwoch morgen würde sie gern an ihren alten Wohnort  fahren, um zu dort Kisten zu packen. Damit sie rechtzeitig zu Ergo wieder da ist, fährt sie schon kurz vor halb 7 los. Mit Sondergenehmigung.



Zum Zweiten hat sie angesprochen, wie das Montag mit der Entlassung laufen soll.

Der Doc meinte, sie kann auch nachmittags hier die Biege machen und auch wenn das nochmal ein wenig Zeitverzögerung ist und sie an dem Nachmittag schon in Ruhe „zu Hause“ lernen könnte, aber nochmal zurück kommen, ist vielleicht okay. Diese paar Stunden werden sie schon nicht durch die Klausur fallen lassen und ihr zumindest den Montag noch einigermaßen retten (obwohl sie nicht wissen will, wie sie Montagabend in ihrer Wohnung herum hängen wird… - aber das muss irgendwann kommen. Ob nun jetzt oder in zwei Wochen…)



Vielleicht ist es der richtige Zeitpunkt zum Gehen – das hat sie auch angemerkt. Denn wir drehen uns nur noch im Kreis. Sie weiß nicht, warum es ihr so geht, wie es ihr geht und ohne dass sie dem Team eine Arbeitsgrundlage liefert, bringt das nun mal nichts. Nicken auf seiner Seite. Wir sind uns einig.

Stille… Was gibt es dazu noch zu sagen? Sie wissen beide, dass Mondkind Recht hat. Es ist frustran, aber an der Stelle weiter zu machen, wäre genauso frustran.



Der Doc  sagte, dass sie ja auch noch ein Abschlussgespräch führen müssen und überlegen müssen, wann sie das machen.

Und dann meinte er, bevor Mondkind irgendwelche Dummheiten macht, soll sie wieder kommen. Es sei keiner böse, ob das nun ein Tag, eine Woche oder zwei nach der Entlassung ist. „Sie wissen, was ich mit Dummheiten meine?“, fragte er.

Sie nickte und ist ihm dankbar, dass er das Wort nicht ausspricht.

Es sei zu früh sagte er. Viel zu früh. Es sei noch längst nicht alles ausgeschöpft. Man könne mit Ketamin und / oder EKTs weiter machen (Nachdem ich so  EKTs zu Genüge in meiner Famulatur gesehen habe, weiß ich das nicht…)

Er würde das auch alles beim Abschlussgespräch nochmal wiederholen. Er wolle nur, dass es ankommt und sich in Mondkinds Hirn eingräbt.Er wird ihr dafür kein Versprechen abnehmen. Das würde bei so vielen Wochen und solch argen Stimmungsschwankungen ohnehin keinen Sinn machen. Und garantieren kann Mondkind das auch nicht.



Ein bisschen Sorgen macht sie sich schon, dass es schief geht, merkte sie an. „Ja wir auch“, sagte der Doc. Das Team würde mich sehr mögen und überhaupt nicht böse sein, wenn ich wieder komme. Ich muss es nur tun. 
Wobei das mit dem Montag auch noch nicht in Stein gemeißelt ist, wie der Doc in einem Nebensatz erwähnte. Wenn sich im Lauf der Woche heraus stellt, dass es alles irgendwie doch nicht klappt, bleibt Mondkind einfach länger - da würden sie auch keine Steine in den Weg legen. Zwar ist das eine ganz beruhigende Vorstellung, aber nochmal möchte Mondkind nicht aufhören zu studieren. Sie muss das jetzt durchziehen.



***
Mondkind erinnert sich an einen Nachmittag in der Erotherapie. Sie saß neben dem Therapeuten auf der Terasse, als er meinte: „Wir sollten Sie auf keinen Fall vorzeitig entlassen. Bei dem was Sie erzählen, sind Sie doch fünf Stunden nach der Entlassung suizidal.“



Mondkind wusste, dass er Recht hatte. Und gleichzeitig kam es ihr vor, wie ein Vorwurf, der da ausgesprochen worden war. Es war nicht in ihrem Interesse gewesen dieses Thema instrumentell einzusetzen. Sie hat wohl zu viel erzählt, sagte Mondkind sich damals. Und obwohl es erleichternd war, über diese Gedanken sprechen zu dürfen, hatte Mondkind sie aus ihren Erzählungen verbannt.

Alles Liebe
Mondkind

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