Neuro - update von der peripheren Station


Es fehlt ja immer noch das versprochene Update zur Neuro. Das schiebe ich nicht zuletzt schon seit Tagen vor mir her, weil ich gar nicht weiß, was ich dazu schreiben soll. Vor diesem PJ habe ich mir ja erhofft, dass der Neuroteil wirklich die beste Zeit seit Jahren wird. Morgens mal wieder in freudigen Erwartungen aus dem Bett hüpfen – das war so der Plan… - okay, vielleicht nicht so übertrieben, aber schon, dass es irgendwie anders wird.

Es gibt wenig zu berichten. Ich bin gar nicht jeden Tag auf den Visiten dabei und habe somit nicht so richtig den Überblick, welche Krankheitsbilder bei uns vertreten sind. Meine Aufgaben bestehen hauptsächlich darin Blut abzunehmen, Zugänge zu legen und auf der ganzen Station die Patienten zu scoren. Die Parkinson – Patienten bekommen einen Riechtest (eines der Frühsymptome der Erkrankung und im Verlauf kommt es meist zu einer vollständigen Anosmie). Ich habe bisher auch noch keinen erlebt, der da gut abgeschnitten hätte, was häufig zu Frustration auf der Patientenseite führt, die ich dann etwas beschwichtigen muss. Und beinahe jeder bekommt bei der Aufnahme neuerdings einen ausführlichen Demenz – Test, der ebenfalls zu Frustration führt. Damit kann man sich die Zeit schon ganz gut um die Ohren schlagen – nur lernen wird man dabei halt leider nicht viel.

Wenn ich dann in die Verlegenheit komme, mal einen Patienten aufzunehmen, bin ich einer Assistenzärztin zugeteilt, die… - etwas gewöhnungsbedürftig ist. Ich finde das ja gar nicht schlimm korrigiert zu werden – wie soll ich als Studentin alles wissen? Nur wenn man es von oben herab macht, ist das immer etwas schwierig und ich werde ja selten unhöflich – ist bei ihr aber wirklich vorgekommen, was der Sache natürlich auch nicht zuträglich war. Ich darf mir so oft anhören: „Mondkind, warum hast Du dieses oder jenes nicht gemacht?“ Ja warum… - weil ich von den meisten Sachen nicht mal weiß, dass es die gibt. Von einem Applaustest oder Pillow – sign hatte ich bis dato noch nichts gehört, was dann dazu führt, dass sie mich mit hochgezogener Augenbraue und einem Seufzen ansieht, als sei ich ein hoffnungsloser Fall. Meine Aufnahmebefunde werden von ihr bis aufs Kleinste auseinander genommen. Wir haben da Textbausteine, die wir quasi nur anpassen. Das verleitet immer dazu, etwas rein zu schreiben, das man gar nicht gemacht hat. So gibt es zum Beispiel den Textbaustein: „Kein Hinweis auf Suizidalität.“ Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Kollege konkret danach gefragt hätte – also darf man es nicht schreiben; es steht aber in jedem Aufnahmebefund, den ich bisher gelesen habe (und dann kommt es schon mal vor, dass jemand nach einem missglückten Suizidversuch in einer „euthymen Stimmungslage“ bei uns ankommt). Ich finde das so beeindruckend, weil das wirklich in jedem Brief steht. Sogar in meinem Entlassbrief aus der Psychiatrie steht im selben Wortlaut im Aufnahmebefund "Kein Hinweis auf Suizidalität", obwohl ich nicht ein Mal danach gefragt wurde. Dann wäre man nämlich vermutlich auf andere Dinge gekommen.
Aber wenn ich schreibe: „Orientierter Patient“ heißt es: „Hast Du den wirklich nach dem Datum gefragt?“ Und hier finde ich, dass man es in einer ausführlichen Anamnese irgendwann mitbekommt, ob der Patient weiß wer er ist und wo er ist – sonst passt nämlich meist irgendetwas nicht.
Also wie gesagt – Kritik ist sicher berechtigt – aber dann sollen sie das bei sich selbst auch kritisch hinterfragen.

Formal habe ich jetzt sogar zwei Patienten. Aber wenn dann kommt: „Mondkind, ich habe schon mal die ganze Dokumentation gemacht und die Medikamente angepasst…“ – dann bringt das eben auch nichts. Ich habe jetzt zwei Parkinson – Patienten und immer noch keine Ahnung, wie man bei jungen Patienten eine vernünftige Kombinationstherapie erstellt.

Ich lerne wirklich sehr wenig – was mir im Hinblick auf das mündliche Examen langsam Sorgen macht - und bin meistens froh, wenn ich den Tag überstanden habe. Und letzteres ist halt auf der Neuro wirklich bitter.

Das ist der Grund, warum ich diesen Blogpost jetzt solange vor mir her geschoben habe. Wenn ich da so an die Innere denke: Da hatte ich häufiger mal etwas über „meine“ Patienten zu berichten und ich habe von jedem Einzelnen auch wirklich etwas gelernt. Es gab häufiger Erlebnisse, die im ersten Moment vielleicht überfordernd waren, aber an denen ich wirklich gewachsen bin.
Das hätte ich mir in der Neuro auch gewünscht. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin: Ich vermisse die Innere. 



Ansonsten habe ich seit Mitte letzter Woche die Medikamente mal wieder ein wenig runter dosiert, nachdem ich sie zwischendurch, als alles so schwierig geworden war, hoch dosiert hatte, damit ich morgens irgendwie in die Gänge komme. Wenn ich in der Dosis weiter mache, reicht es halt nicht mehr lang. Mittlerweile merke ich aber doch, dass die Stimmung wieder ziemlich abrauscht (aber das ist glaube ich mit und ohne Medikamente ein ständiges Auf und Ab bei mir, wobei ich sehr selten auf dem Level bin, auf dem ich am Wochenende war) und ich vor allen Dingen überhaupt nicht mehr wach werde, was die Motivation jetzt auch nicht so gerade fördert. Ich werde die Dosis wieder anheben, aber dann muss ich halt langsam mal zum Hausarzt, weil die in der Ambulanz mir kein Rezept ausstellen wollen und das mit dem „Frau Mondkind, für Sie finden wir auch kurzfristig einen Termin; wenn Sie Donnerstag anrufen, können wir Sie Freitag schnell rein schieben“ selbst dann nicht klappt, wenn ich drei Wochen vorher anrufe. Ich erwarte das überhaupt nicht, dass es von einen auf den anderen Tag klappt, aber wenn ich das so gesagt bekomme, hatte ich ehrlich gesagt geglaubt, dass es funktioniert, wenn ich ausreichend vorher anrufe.
Ich habe heute mal ein wenig herum telefoniert und einen Hausarzt gefunden, der meinte, dass ich nächste Woche einfach mal vorbei kommen soll. Wenn ich dem aber unterbreite, dass er mir mal ein Rezept für drei Psychopharmaka unterschreiben soll fürchte ich, dass es Schwierigkeiten geben wird.

Und am Rande bemerkt, bin ich heute nach dem Mittagessen auf dem Weg auf die Station dem Seelsorger über den Weg gelaufen. Und es war, nur für den Bruchteil einer Sekunde, ein eigenartiges Stechen in der Brust, als ich ihn gesehen habe. Und ich fürchte, dass jetzt wieder genau das passiert, das nicht passieren sollte.

Mondkind

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