One more song


One more song
before everthing goes wrong
one more song for keeping us
going on, come on now
one more song
before everthing goes wrong
one more song
for keeping us going on

(Kelly familiy – One more song)


Manchmal stolpere ich drüber – über diese alten Lieder. Die im Auto meiner Mutter in den 90ern hoch und runter liefen. Auf dem Weg zu unserer Oma ein Mal quer durch Deutschland.
Damals… - manchmal sehne ich mich so sehr zurück. In diese Zeiten, die wahrscheinlich auch selten unbeschwert waren. Aber Zeiten, in denen ich noch nicht wusste, wo und wie diese Suche eines Tages endet. Wie viel Schmerz und wie viel Sehnsucht das noch mit sich bringen wird.
Früher  war da nicht so viel Dynamik drin, wie heute. Es war immer stabil – stabil schlecht wahrscheinlich. Aber – so habe ich mir eingeredet – wir sind doch eine Familie. Wir halten doch zusammen. Sind füreinander da. Woanders mag es das geben, aber bei uns – da gibt es keine Intrigen, unterschwelligen Interessen, da tragen die Eltern ihre Konflikte nicht über die Kinder aus – das würden sie nie tun. Erst als der Druck zu groß wurde habe ich gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, ohne zu wissen was.

„One more Song – before everything goes wrong.“ Ich löse viel über die Musik. Ich brauche die richtigen Lieder, aber dann kann ich abtauchen. In meine Welt. Wenn es auf Arbeit erlaubt wäre, zwischendurch Musik zu hören, gäbe es sicher einige Eskalationen weniger.
Jedenfalls stellt sich für mich jeden Morgen, wenn ich den mp3 – Player vor dem Krankenhaus ausschalte, die Schritte auf den letzten Metern verlangsam habe, um das Lied nochmal zu hören, die Frage – was ist heute wieder passiert, wenn ich das Krankenhaus verlasse?
Hat es gute Momente gegeben? Oder eher nicht so Gute?
Es ist jeden Tag wie Roulette spielen. Es kann gut gehen. Dann geht es mir abends auch ganz gut, wenn ich den Ausgang des Krankenhauses passiere. Es kann aber genauso gut auch schlecht laufen. Und auf PJler kann man bekanntlich schon irgendwie drauf hauen. Wer ganz unten in der Hierarchie steht, hat wenige Chancen sich zu wehren… 



Ich hole den Patienten, den ich aufnehmen sollte. Zwar bin ich um die Ecke, aber nicht außer Hörweite. „Also wenn sie hier Famulatur gemacht hat und es im PJ immer noch nicht hinbekommt – vielleicht hätte sie Taxi – Fahrerin werden sollen…“
Das sitzt… So tun, als hätte man es überhaupt nicht gehört – was soll man anderes machen? Und wenn er mal zu Ende zugehört hätte, würde er auch wissen, dass ich nicht so viel vergessen habe, wie er denkt. Er hat mich nur nicht ausreden lassen. Und ich habe eine Kleinigkeit vergessen, die bei anderen noch nie wichtig war, bei ihm aber scheinbar schon. Was bei den einen noch richtig ist, ist bei den nächsten falsch. Jeder Oberarzt hält seine Methoden für die einzig richtigen.

„Mondkind, ist der Brief fertig?“, werde ich gefragt. „Ja…“, antworte ich. Und nach einiger Zeit: „Sag mal Mondkind – hast Du den noch einmal gelesen?“, mit einem Unterton, der vorwurfsvoller hätte nicht sein können. Und warum? Weil ein Rechtschreibfehler drin ist… Und ein Satz ist wirklich ein wenig merkwürdig formuliert, aber das korrigiert sie nicht mal. Ihr fällt nur der Rechtschreibfehler auf.

Das Problem an der Neuro ist eben, dass man das an der Uni nicht so ausführlich hatte, wie Innere. Hin und wieder fühle ich mich da, wie der letzte Idiot. Und ich frage mich, ob die anderen „schlauer“ angefangen haben. Und darüber hinaus ist es manchmal eben schon recht subjektiv. Wenn jemand einen Nierenstau hat, wird er den auch noch haben, wenn der Oberarzt den Schallkopf auf den Patienten hält. Wenn der Patient hingegen keinen Seiltänzergang machen kann, sieht das gegebenenfalls schon wieder ganz anders aus, wenn der Oberarzt im Zimmer steht und man sich besonders anstrengt.


Später Nachmittag. 
Ich habe noch eine Frage an den Oberarzt. Ich auf dem grünen Stuhl, er übereck. Dass ich wohl besser hätte Taxifahrerin werden sollen, ist wohl noch nicht an seine Ohren gedrungen. Jedenfalls lobt er mich dafür, dass ich viel Einsatz zeige, aber es auch nicht übertreibe. Ich bin ja schon froh, dass er meint, dass ich Einsatz zeige – da lohnt es sich wenigstens den ganzen Tag Aufgaben hinterher zu rennen.
„Wie ist das eigentlich mit der Bewerbung – reicht das, wenn ich so Mitte November mit dem Chef rede?“, frage ich. „Natürlich“, kommt zurück, „wie sieht das denn jetzt in der Studienstadt aus – ist das mit der Klinik geregelt?“ „Nein ist es nicht“, antworte ich und erkläre, dass ich weder weiß, wie ich das finanziell überbrücken soll, noch, ob ich wohl mit dem Status eines Promotionsstudenten auf die Station meines Oberarztes kann. Da ich immer noch nicht weiß, ob letzteres eine allgemein gültige Regel ist oder nicht, will ich da auch nicht zu viele Leute nerven, um ihn da nicht in die Bredouille zu bringen, aber alle die ich gefragt habe wissen nichts, oder kümmern sich nicht. Und dem Psychiatrie – Oberarzt möchte ich auch keine Mail schreiben, nachdem die letzte unbeantwortet geblieben ist. „Mondkind, ein Oberarzt kann aufnehmen, wen er will“, erklärt der Neuro - Oberdoc. "Der kann auch seine Putzfrau aufnehmen – das ist kein Problem. Aber Du solltest es halt verbindlich wissen, wenn Du später anfangen willst zu arbeiten.“ Okay, hätten wir das geklärt. „Das mit dem finanziellen Überbrücken der Zeit ist natürlich nicht so einfach“, fährt er fort. „Es kann halt keiner sagen, wie lange Du brauchst. Wenn ich Dich so sehe, würde ich sagen 4 – 6 Wochen und dann noch ein bisschen akklimatisieren im Alltag, sodass wir bei zwei bis maximal drei Monaten wären. Aber es kann natürlich auch sein, dass das weiter zusammen bricht, als man so denkt, wenn Du dann nicht mehr funktionieren musst.“
Ich soll versuchen, das am Freitag in der Ambulanz zu klären, aber ich fürchte so richtig schlau werde ich da auch nicht werden.

Und dann ist die Frage, wie es mit meiner Rotation in der Neuro weiter geht. Wir hatten mal Epilepsie – Station und Intensiv – Station angepeilt. Ich darf mir überlegen, ob ich am Ende noch zwei Wochen auf die Stroke Unit möchte. Das wäre natürlich schon schön, damit das PJ abzuschließen, allerdings muss ich dann glaube ich wirklich, wirklich gut sein, weil der Neuro – Oberdoc dann ja jeden Tag im Blick hat, was ich gelernt habe.

Wenn ich Glück habe, darf ich morgen tatsächlich meine erste Lumbalpunktion machen. Ich habe wirklich richtig Angst davor, aber wenn ich das schaffe, bin ich morgen Abend sicher ziemlich stolz auf mich. Also Augen zu und durch – irgendwann ist immer das erste Mal und schlimmer als mit einem blöden Kommentar von Arzt- oder Patientenseite kann es ja nicht enden – wirklich etwas am Rücken des Patienten kaputt machen, kann man nicht.

Heute Abend werde ich schon Koffer packen, morgen muss ich dann noch einkaufen und Wäsche waschen und Donnerstagmorgen geht es dann auf in die Studienstadt. Ich hoffe es regnet nicht – meine Schuhe sind nämlich absolut nicht wasserdicht. Wenn ich mal Zeit habe, ist Schuhe kaufen ein dringendes Projekt…
Sehr gut finde ich ja, dass der Neuro – Oberdoc darum gebeten hat, dass ich nächsten Montag bei ihm vorbei kommen soll. Also falls es am Wochenende dekompensiert, bin ich dann nicht alleine damit…

Mondkind

Bildquelle: Pixabay

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