Prüfungs - Chaos und Chaos - Kopf


Kopfschmerzen, müde – aber irgendwie noch halbwegs im Zeitplan, auch wenn ich jetzt erstmal eine kurze Pause brauche. 15 Seiten fehlen noch und ein bisschen Frage – Antwort – Buch, aber ich bin motiviert, das bis heute Abend zu schaffen. Dann kann ich nämlich, glaube ich, wirklich ein bisschen stolz darauf sein, in den letzten drei Tagen Hämatologie und Hämatoonkologie durchgezogen zu haben. Wenn wir wirklich Anfang Mai Prüfung haben sollten, war es das dann dazu.
„Nicht mit dem Herold lernen“, warnte mich letztens jemand. Aber was soll man machen, wenn der Prüfer die Unterformen der „red cell aplasia“ abfragt? Ein Oberarzt auf der Intensivstation hatte mir mal erzählt, dass er für das mündliche Examen den kompletten Herold auswendig konnte. Das erschien mir dezent abgefahren, ist es doch quasi die Bibel der inneren Medizin und ich habe versucht mich damit zu beruhigen, dass die Jobsituation in den 80er Jahren ganz anders aussah. Aber vielleicht… - muss man es echt können.
Jedenfalls habe ich das jetzt alles noch mal handschriftlich zusammengefasst in der Hoffnung, dass ich in drei Tagen nicht wieder alles durcheinander werfe.

Aber… - da unsere Uni ja so ein unfassbar gutes Organisationstalent ist, steht im Moment ohnehin Vieles wieder in den Sternen. Es ist noch gar nicht hundert prozentig sicher, dass wir diesen Hämatoonkologie - Prüfer behalten – auch, wenn wir es alle irgendwie vermuten und uns mal lieber drauf einstellen.

Freitagmorgen hat eine Kommilitonin aus der Gruppe eine Mail mit einem Prüfungstermin bekommen. Die Freude, die im ersten Moment aufkam wurde schnell dadurch getrübt, dass im Prüfungsvorsitz ein Hämatoonkologe stand und darüber hinaus die Aufforderung sich in der Hämatoonkologie einzufinden nahe legt, dass es kein Neuro-, sondern ein Hämatonkologie – Patient im Examen wird. Sie hat dann erstmal eine Mail an das Dekanat geschickt und gefragt, ob das so alles richtig ist, weil unseren Prüfungsvorsitz doch eigentlich ein Neurologe hat.
Stunden später hieß es, das sei ein Fehler – es gäbe wohl zwei Personen mit demselben Namen. Sie hat einen ungewöhnlichen Namen – das wäre uns allen jetzt sehr neu; untereinander kennt man sich ja mittlerweile doch schon einige Jahre. Also irgendwie nicht so richtig glaubhaft… Alter Falter… - die wissen da glaube ich auch nicht, was ein Examen für ein Stress ist.

Bis auf die Chirurgin – die einen Sammeltermin für die Vorgespräche herum geschickt hatte – hat sich keiner der Prüfer bei uns auf unsere Mails gemeldet. Deshalb wollte ich im Sekretariat des Neuro – Professors nochmal anrufen und mal nachhaken. Und, da Sekretärinnen ja manchmal sehr viel wissen, gleichzeitig nachfragen, ob sie etwas zum Prüfungstermin sagen kann.
Die Antwort war ernüchternd: Man habe wohl die Prüfungsgruppen über den Haufen geschmissen; unsere Prüfer haben sich geändert. Nur uns zu informieren, habe man wohl vergessen. Ob das nur die Neuro betreffe wisse sie nicht genau –  das Dekanat werde sich mit uns in Verbindung setzen.

Da lachen ja die Hühner. Als ob das Dekanat sich mit irgendwem in Verbindung setzt. Nach mehreren Anrufen dort, konnten sie uns zumindest einen Neuro – Prüfer nennen. Über den Rest wisse man nichts. Allerdings ist der Neuro – Prüfer nicht die „Vertretung“, die man uns mitgeteilt hatte, im Fall, dass der erste Prüfer verhindert ist.
Ich habe dann erstmal flott eine Mail an den Neurologen geschrieben. Innerhalb der nächsten sechs Stunden hatte ich doch tatsächlich eine Antwort. „Dann kommen Sie doch alle einfach nächsten Freitag bei mir vorbei…“ Als ich den Satz in die Gruppe gestellt habe, haben wir das alle so gefeiert. Da weiß zumindest mal jemand etwas davon, dass er uns als Gruppe prüfen soll. Wir werden versuchen die Dinge zu regeln. Na ich bin gespannt.
Aber was das Beste an der Sache ist: Ich habe mir natürlich schon angeschaut, was dieser Neurologe  an der Uni so treibt: Er ist Oberarzt der Stroke – Unit. Jackpot, würde ich mal sagen. Vielleicht kann ich ja meinen Neuro – Oberarzt noch darum bitten, mich vorher kurz zu briefen. Nochmal ganz kurz zusammen zu fassen, was man auf keinen Fall vergessen sollte und was man umgekehrt auf gar keinen Fall in einer Prüfung sagen sollte, weil einem der Fall dann augenblicklich um die Ohren fliegt. Er hat nur im Moment glaube ich sehr viel zu tun, da will ich nicht ständig mit so einem unnötigen Müll um die Ecke kommen… - na mal sehen.
Aber selbst, wenn im Examen kein Stroke abfragt wird: Er wird wohl hoffentlich nicht irgendwelche abgefahrenen Mutationen bei hereditären Ataxien wissen wollen.

Es gibt jetzt also mehrere mögliche Szenarien:
Die Mail, die die Kommilitonin bekommen hat, wurde zwar zum falschen Zeitpunkt raus geschickt, ist aber inhaltlich richtig (immerhin stand ihr Vor- und Nachname drin, irgendwer muss sich etwas dabei gedacht haben) und es hat wirklich ein Hämatoonkologe den Vorsitz. Das wäre blöd, aber zumindest wäre der Prüfungstermin Anfang Juni.
Sie könnten auch unsere Prüfergruppe wirklich komplett neu zusammengestellt haben (jedenfalls verstehe ich nicht, warum sie nicht unseren Neuro – Ersatz genommen haben) – das würde uns vielleicht von diesem Hämatoonkologen erlösen – allerdings vielleicht auch von der HNO als viertes Fach – und damit bin ich bis auf den Wiederholtag, den ich aufgespart habe, eigentlich schon fertig.
Im Fall der neuen Zusammenstellung müssen sich aber auch alle Prüfer neu zusammen setzen und ein Datum bestimmen und da es ja nun doch schon bald Mitte April ist, wird unsere Prüfung dann vermutlich relativ spät sein – und das stresst mich richtig. Alles was nach Mitte Juni ist, ist eine komplette Katastrophe.

„Manchmal machen die so etwas glaube ich auch, um die psychische Belastbarkeit der Studenten zu überprüfen“, erklärte die Therapeutin letztens. Tja… - dann haben sie mich damit bald auf jeden Fall erwischt.

Mein Magen wird es mir danken, wenn ich mal mein Hauptnahrungsmittel nach dem Examen ändere... ;)

Apropos Therapeutin (Wie die Mondkind hier heute wieder Bogen schlägt… ;) ) – was ich nächste Woche bei ihr so mache, muss ich mir auch noch mal überlegen. Ich könnte mir ja sagen: Ich muss meinen Chaos – Kopf hier erstmal nur noch vier Tage über Wasser halten, dann sehen wir weiter – aber ich glaube kaum, dass es etwas bringt. Es wäre halt super hilfreich, wenn sie sagen würde: „Jetzt hauen Sie einfach mal alles raus, das bewertet jetzt auch erstmal keiner und dann schauen wir, was wir daraus machen.“ Dass das hilft, habe ich letztes Jahr erfahren - nur leider nicht mit ihr.
Ich habe über die ganze Sache nochmal ein bisschen nachgedacht. Es macht mir halt gerade wirklich Angst, dass der rebellische Teil da so unfassbar auf die Barrikaden geht und so viel destruktives Denken erzeugt. Der Seelsorger meinte letztens: „Sie sind doch so gut im Schreiben und Formulieren (obwohl mir nicht bewusst ist, dass er je einen meiner Texte gelesen hätte…) – führen Sie einfach mal einen Dialog, beruhigen Sie den rebellischen Teil ein bisschen und sagen sie ihm, dass er zum Zug kommt – nur eben nicht jetzt, sondern in ein paar Wochen…“ Eigentlich ist das wirklich keine schlechte Idee. Ich komme allerdings immer genau soweit, bis der rebellische Teil entgegnet, dass das ja mal etwas ganz Neues wäre, wenn das Klinik – Ding ohne Zwischenfälle klappt. Da brauchen wir einen günstigen Prüfungstermin, dass von den Verantwortlichen die Indikation gesehen wird und ich muss auch bereit sein, habe ich doch dem Betreuer von meiner Doktorarbeit versprochen, nach dem Examen etwas zu tun. Aber gut… - letzteres könnte man auch von der Klinik aus machen, solange man es nicht an die große Glocke hängt.
Es bräuchte halt wirklich jemanden, der sich so ein bisschen auf die Seite des rebellischen Teils schlägt und ihm ein paar Sicherheiten an die Hand gibt.
Und letzten Endes glaube ich aber, will oder kann die Therapeutin das immer gar nicht so differenziert sehen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich das falsch kommuniziere – ich will nicht ausschließen, dass es an mir liegt. Aber es gibt eben die zwei Teile. Ich bin nicht nur die funktionierende Mondkind und auch nicht nur die Mondkind, die völlig unberechenbar am Rad dreht.
Es gibt schon noch diesen Teil, der ein bisschen neugierig ist, was die Zukunft bringt. Der darauf brennt, in der Neuro los zu legen. Der endlich eine gute Ärztin sein möchte, endlich in dem Fachgebiet arbeiten will, für das mein Herz schlägt. Und irgendwie möchte ich wissen, wie diese Zukunft aussieht, von der der Neuro – Oberdoc immer spricht und mit deren Vision er mich schon ein wenig angespitzt hat über die Jahre. Ich möchte wissen, wer ich bin, wenn all die negativen Einflüsse weg fallen und sich nach Jahren mal wieder eine Person, die dann wohl ich selbst sein werde, aus dem Loch hervor buddelt.  Die nicht glauben kann, dass die Sonne wieder scheint, die Welt wieder farbig ist und die endlich frei sein kann. Wie fühlt sich das an, wenn man nicht Angst haben muss, dass es wieder kippt, weil der Ausbruch aus der Dunkelheit erstmal nur auf Zeit ist? Ich möchte wissen, wer ich dann sein werde. Was werden meine Hobbies werden, welche Menschen werden mir wichtig werden oder bleiben? Werde ich vielleicht mal einen Freund finden? Und dann irgendwann mal meine eigene Familie haben?
Und dann gibt es da diesen destruktiven Teil, der immer wieder dazwischen grätscht. Und alles, was ich mir da in der Ambulanz von der Therapeutin wünsche ist, dass jemand dem mal zuhört und mir hilft, den irgendwie bis nach dem Examen halbwegs still zu halten. Ich möchte ja auch eine Zukunft – also eigentlich sitzen wir ja alle auf derselben Seite. Ich kann jetzt eben nur echt keine unüberlegten Aktionen mehr gebrauchen und ich will das auch überhaupt nicht. Das wird nur leider nicht dadurch funktionieren, indem man seine Existenz gänzlich ignoriert. Das kennt der Teil ja gut genug – da weiß er sich schon zu helfen.
Ich weiß nur absolut nicht, wie ich das der Therapeutin vermitteln kann. Und ich habe auch ehrlich gesagt keine Lust uns da jede Stunde in dieselbe Situation zu manöverieren und dann im Endeffekt jedes Mal ein bisschen unglaubwürdig dazustehen, weil bei dem Wort "Klinik" sämtliche Alarmglocken anspringen, der "Funktionieren - Teil" von seinem Stuhl aufspringt, auf alle anderen Fässer mal schnell den Deckel schlägt, ehe da irgendetwas anbrennt und behauptet, die Situation im Griff zu haben.
Let’s see… - auf jeden Fall hat es keinen Sinn, mit ihr über nicht vorhandene Prüfungstermine, hüpfende Waschmaschinen (die übrigens tatsächlich meinen Schlafanzug kaputt gemacht hat) und Klempner in meiner Wohnung zu philosophieren – das ist zwar alles ungünstig, aber was soll man da machen? (Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass bei unserem Duschschlauch mittlerweile mehr Wasser aus dem Schlauch, als aus dem Duschkopf kommt? Der hat übrigens schon getropft, bevor ich im letzten Frühling in das Dorf in der Ferne gegangen bin – gekümmert hat sich nur keiner während ich weg war. Und es wird halt leider nicht besser… - naja… - nach dem Examen. Irgendwo wird schon so viel Wasser aus dem System kommen, dass man sich die Haare waschen kann und mehr ist eigentlich erst mal nicht nötig… - ob nur meine Mitbewohnerin das auch so sieht?)

Nachdem ich mich jetzt das ganze Wochenende eingebuddelt habe, um den Plan zu schaffen, muss ich morgen endlich mal wieder los und einkaufen. (1,5 % - ige Milch zu strecken, um noch ein paar Tage mehr Müsli machen zu können, war nicht meine beste Idee… ;) ). Um eine Neuro – Stimmgabel muss ich mich auch mal kümmern. Nachdem mir kürzlich jemand berichtet hatte, man müsse da auf die Frequenzen aufpassen, habe ich mal meinen Kollegen, mit dem ich mir in der Neuro das Büro geteilt habe, gefragt: „Mondkind, Hauptsache das Ding schwingt“, war die Aussage und ich glaube, er hat sich sehr über meine Überlegungen amüsiert ;)
Und ein paar Mal an die Uni muss ich nächste Woche auch. Also wieder wenig los, aber viel zu tun…

Allen Lesern wünsche ich ein schönes Restwochenende! Ich hoffe, einige von Euch können das Wetter genießen.
Mondkind

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