Das Feuer vom Notre Dame
Eigentlich schreibt Mondkind
nicht solche Beiträge, in denen es um ein Weltgeschehen geht, das sie irgendwie
doch berührt und auch irgendwie persönlich trifft.
Aber hier liegt es etwas anders.
Gestern Abend. Eigentlich kann
ich mit dem Lerntag zufrieden sein. Zwei Lernpakte in einen Tag gequetscht.
Spülen, aufräumen, den Schreibtisch für den nächsten Tag herrichten und nochmal nach
Stimmgabeln schauen – ich habe mich immer noch nicht entschieden.
Handy an den Strom stecken und in
den Flugmodus schicken. Wobei… - Halt. „Notre Dame in Flammen “, lese ich in einer Schlagzeile auf meinem Display – was ist denn
da los? „Bestimmt wieder maßlos übertrieben“, denke ich mir und öffne doch
nochmal google. Nichts übertrieben, sagen die ersten Bilder. Unwirklich sieht das aus. Wie kann so eine riesige Kathedrale brennen?
Also wieder aufstehen. An den PC
setzen. Nachrichten einschalten. Zuhören. Und zuschauen. Wie der Notre Dame
brennt. „Mensch Mondkind, jetzt hau ab ins Bett – wie willst Du denn morgen
lernen…?“, sagt es im Innen.
Das ist das Problem an
Examenszeiten. Da ist keine Zeit für Reflexion, für Verarbeitung.
„Ob die Kathedrale wohl morgen
früh noch steht?“, denke ich mir, bevor ich den PC zuklappe.
Im Bett. Keine Ruhe.
Paris 2018. Letztes Jahr im Mai war ich dort. (Vielleicht erinnert sich jemand an den Blogeintrag... Paris 2018) Es holt viele
Erinnerungen hoch. An einen Urlaub mit meiner Mutter und meiner Schwester, der
so gar keiner war. An Paris, die Stadt der Liebe – unpassender hätte es echt
nicht sein können.
Ich habe es schon damals bedauert. Paris… - ich meine,
Paris? Wie sehr liebe ich Urlaube in solchen Großstädten, wenn es mir gut geht
und ich gerade nicht unter Reizüberflutung leide? Rom war beeindruckend – wird
aber als letzter gemeinsamer Familienurlaub immer einen faden Beigeschmack
behalten. 2007 war das, da gab es wirklich noch gute Zeiten zwischendurch.
Leben wollen würde ich da nicht, in Paris, aber so drei bis
vier Tage in einer Stadt zu sein, die irgendwie ein Mittelpunkt ist, die viel
Geschichte hat, in der so viel hektisches Treiben herrscht, in der man so viel
laufen, so viel suchen, verlieren und finden kann, die man wahrscheinlich auch
nie ganz kennen wird – selbst wenn man da leben würde – hat schon seinen Reiz.
Es war ein Urlaub mit viel Streit, vielen Kompromissen, die
nicht funktioniert haben. Es war ein Geburtstag, der irgendwie keiner war. Es
war vor dem PJ – ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, ob ich das überhaupt
noch erleben würde. Zu negativ waren die Schleifen in meinem Gehirn, zu schwer
habe ich mich damit getan zu akzeptieren, dass ich nicht nach dem Examen – so
wie es eigentlich geplant war und auch jetzt wieder geplant ist – einfach mal
fallen darf. Den Schmerz einfach mal zulassen und damit auch sicher in einem geschützten Rahmen sein kann,
statt ihn immer vor mir her schieben zu müssen und die Spitzen davon trotzdem
jeden Tag zu spüren bekommen. Um ihn dann vielleicht irgendwann mal loslassen...
Ein bisschen dankbar bin ich heute schon, dass ich sie sehen
durfte. Diese Kathedrale. Hindurch laufen durfte. Die Fußspuren auf einem Boden
hinterlassen durfte, der jetzt von Asche bedeckt ist.
Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an Paris. Vieles
verschwimmt im Nebel. Wie generell so Vieles. Aber ich kann mich erinnern, dass
ich irgendwie ein bisschen ehrfürchtig war. Darüber, was Glaube alles aus dem
Boden errichten kann. Darüber, wie viel Geschichte die Steine dieser Kapelle erlebt haben. Wenn sie reden könnten...
In den letzten Jahren ist Vieles in irgendeinem Grau
verschwunden, das aus Rauchwolken aufgestiegen ist. Die Asche hat vieles unter
sich begraben. Ohne, dass ich mich darum kümmern konnte. Immer nach vorne, nicht stehen bleiben.
Der Notre Dame hat gestern Abend nicht nur eine sehr lange
Geschichte unter sich begraben und hat den Parisern und überhaupt den Franzosen
eines ihrer wichtigsten Wahrzeichen genommen. Irgendwie hat es auch ein
bisschen eine Mondkind darunter begraben. Nicht viel davon, aber immerhin etwas.
Und nachdem in der Familie in den letzten Wochen wieder viel los war, ist das
nur ein weitere Schlag in genau diese Kerbe.
Er soll ja wieder aufgebaut werden, der Notre Dame. Ich weiß
nicht, wie lange das dauern wird. Das weiß wohl keiner. Hoffentlich nicht so
lange, wie man für den ursprünglichen Bau gebraucht hat, dann klappt mein Plan
nicht mehr.
Ich persönlich wollte sowieso noch mal irgendwann nach
Paris. Erinnerungen überschreiben. Eine Stadt nicht nur sehen, sondern auch
fühlen. Nicht den Nebel, sondern die Sonne auf der Haut. Und so, wie der Notre
Dame wieder aufgebaut werden kann, bereit dafür, dass die Menschen wieder ihre
Spuren auf diesem Boden hinterlassen können, kann vielleicht auch eine Mondkind
wie ein Phönix aus der Asche auferstehen. Und irgendwann mit ihrer eigenen,
kleinen Familie nach Paris fahren. Mit einem Ehemann und Mini – Mondkinden. Und
hoffentlich wird Mondkind das schaffen die Mutter für ihre Kinder zu sein, die
sie sich selbst so oft gewünscht hätte.
Die Gedanken sind in Paris. (Und nicht in der Neuro, wo sie
heute geplant waren.)
Mondkind
P.S.
Entschuldigt die hier teils
vielleicht etwas wirren Beiträge. Ich bin gerade etwas durcheinander und
emotional dezent am Abgrund. Mittlerweile stresst mich das Examen so dermaßen –
ich habe aufgehört zu zählen, wie oft am Tag mir die Tränen in die
Augen steigen, weil ich denke, dass ich das einfach nicht schaffe. Obwohl ja
bei meiner versiebten Neuro – Prüfung alle so lieb mit mir waren – aber mir hat
das einfach gezeigt, wie schnell man etwas komplett vergeigen kann, obwohl man
alles gelernt hat und die Leitlinien sogar auswendig hätte runter beten können.
Nichts war mir wichtiger, als eine vorbildliche Neuroprüfung. Und ich habe
einfach so Angst, dass das im Examen dann auch den Bach runter geht.
In Prüfungssituationen ist mein
Hirn nun mal flexibel wie ein Stück Stahl. War bisher immer so. Das mündliche
Abi habe ich ziemlich vergeigt, das mündliche erste Staatsexamen war auch eine
mittelschwere Katastrophe, meine praktische Fahrprüfung hätte ich eigentlich
auch nicht bestehen dürfen… - so ist das bei mir immer.
Heute gab es wieder eine Fehlkommunikation. Eine Mail, in der stand, dass der Termin am 2. Mai ist. Das hätte ich auf gar keinen Fall mehr geschafft. Schon Mitte Mai ist mir eigentlich echt zu früh. Ich bin hier echt fast durchgedreht...
Heute gab es wieder eine Fehlkommunikation. Eine Mail, in der stand, dass der Termin am 2. Mai ist. Das hätte ich auf gar keinen Fall mehr geschafft. Schon Mitte Mai ist mir eigentlich echt zu früh. Ich bin hier echt fast durchgedreht...
Aber ich glaube, ich muss auch
Abstand von meinem Perfektionismusdenken nehmen. Man darf auch mal etwas nicht
wissen. „Wichtig ist, dass der Patient theoretisch nicht stirbt…“, sagte Frau
Therapeutin letztens. Der Patient stirbt, wenn ich nicht weiß, wie ich reanimiere.
Der Patient stirbt nicht, wenn ich nicht weiß, welche spinalen Wurzeln zum
Trömner – Reflex gehören.
Vielleicht muss ich einfach etwas
mehr danach gehen…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen