Über den Sinn des Blogs und Gedanken zur letzten Therapiestunde
Ich überlege immer mal wieder, was ich aus diesem Blog mache. Der ein
oder andere mag die Diskussion an anderer Stelle schon mitbekommen haben. Der
Weg, der mal geplant war, als der Blog Anfang 2017 in den Startlöchern stand,
ist es schon lang nicht mehr. Das Examen verschob sich, der Klinikaufenthalt
kam dazwischen. In den letzten Monaten klang es zwar immer wieder an, dass auch
der Übergang zwischen Studium und Jobstart nicht reibungslos sein würde, aber
irgendwie dachte ich auch immer: „Hey komm Mondkind – wenn Du fertig bist,
packst Du Deine Sachen und bist vielleicht doch weg.“ Im Moment sieht es
wirklich nicht danach aus.
Im Prinzip – so war die Überlegung – kann man doch eigentlich keinem
Leser diesen Blog empfehlen, weil er doch im Prinzip nur zeigt, wie man es nicht
machen sollte. Jedenfalls kann ich schlecht behaupten, dass mein Weg
erfolgreich ist, wenn er doch ständig psychiatrische Begleitung einfordert.
Mir wurde – und ich möchte mich an der Stelle für alle lieben
Kommentare bedanken – ans Herz gelegt, dass der Blog offenbar doch bewirken
kann, dass andere sich nicht so allein fühlen. Er spiegelt wieder, dass auch
Medizinstudenten und Ärzte keine makellosen Menschen sind – wie das manch einer
glauben mag, wenn man die Study – Accounts auf Instagram verfolgt. Wir sind
auch nur „Normalos“, jeder hadert mit diesem Studium an manchen Ecken mehr, als
er es von Angesicht zu Angesicht zugibt. Und wenngleich die meisten Ärzte
(zumindest hoffe ich das) mit ihrem Job versuchen diese Welt ein kleines
bisschen besser zu machen, indem sie Patienten helfen können, manchmal
vielleicht sogar ein bisschen mehr als sie müssten, weil sie wissen, dass dann
heute Abend jemand erleichtert im Bett liegt, so hat doch jeder auch seine
eigenen Päckchen zu tragen. Aber das macht einen ja nicht zu einem schlechten
Arzt. Ich würde von mir behaupten, dass ich mich mehr für meine Patienten, als
für mich selbst einsetzen kann.
Mir wurde auch erklärt, dass der Blog vermitteln kann, wie wichtig
Psychiatrien sind – und, dass er vielleicht das ganze Thema „psychische
Erkrankungen“ ein bisschen aus der Tabu – Zone holen kann. Das ist mir schon
ein wichtiges Anliegen. Ich merke in der eigenen Familie, wie sehr das mit
Vorurteilen behaftet ist und viele Menschen in meinem engen Umfeld haben bis
heute nicht verstanden, dass ihre so sehr kritisierte Psychiatrie mir
vermutlich das Leben gerettet hat. Für mich als Betroffene macht es die Sache
noch schwerer, weil ich in der Familie quasi ein permanentes Versteck – Spiel spiele.
Und das auch unter Medizinern weit verbreitete Vorurteil, dass
Psychiater ja nicht so richtig ernst zu nehmende Ärzte sind, stört mich massiv.
Natürlich habe ich auch Ärzte gehabt, von denen ich mich gefragt habe, warum
sie diese Fachrichtung gewählt haben. Aber gerade den Ersten den ich hatte und
der sich bald auch wieder mit mir auseinander setzen wird (obwohl er das nicht
müsste – da wären wir wieder beim Thema…), habe ich sehr zu schätzen gelernt
und ich bin sehr dankbar, dass ich ihn getroffen habe, er mich von Anfang an
ernst genommen hat und sich bereit erklärt hat, mich nochmal auf seine Station
aufzunehmen – auch wenn es mittlerweile eine andere ist.
Und letztendlich: Von mir wurde immer erwartet, dass der Weg
geradlinig ist. Und vermutlich haben viele Menschen die Idee eines geradlinigen
Weges. Meiner war am Ende nicht geradlinig. Ich hatte zwischendurch das Gefühl,
dass es alles nichts mehr werden kann mit mir und dem Studium und dem Job als
Ärztin, weil ich das nicht so geschafft habe, wie es erwartet wurde. Aber
letztendlich ist auch das nicht schlimm. Und vielleicht kann dieser Blog auch
zeigen: Man kommt an. Auch, wenn es manchmal schwierig ist. Wenn es nicht dieser eine Weg ist, den man gehen wollte und sollte. Wenn da manchmal
viele Steine im Weg liegen, für die man nicht verantwortlich ist, aber mit
denen man halt zurecht kommen muss.
So… - der nächste Blogeintrag… - da habe ich eine Weile dran
gebastelt. Wer sich im Moment nicht stabil genug für solche Gedankengänge
fühlt, der liest das vielleicht besser nicht. Die letzte Stunde in der Ambulanz
war auf den ersten Blick nicht so unfassbar gewinnbringend, aber ich habe
nochmal viel drüber nachgedacht und reflektiert und musste das alles nochmal
aufschreiben – für mich selbst ist der Blog halt auch eine große Stütze. Und
seitdem geht es mir besser. Ich hatte heute den ersten Lerntag seit… - vielen
Tagen auf jeden Fall – an dem ich nicht einen Zusammenbruch nach dem Anderen
hatte. Ich glaube, die Dinge stehen jetzt im Raum. Sie sind vielleicht nicht
schön, aber sie müssen nicht mehr darum kämpfen, gehört zu werden. Allerdings
können wir ja einen Deal machen: Den nächsten halben Monat treffen wir keine
Entscheidungen. Wir machen einfach erstmal. Und sehen dann weiter.
Ambulanz…
Kein guter Tag bei mir. Den halben Morgen mit Tränen in den Augen vor
den Scripten gesessen, nicht viel geschlafen in der letzten Nacht,
Kopfschmerzen, Bauchschmerzen – ich muss mich gar nicht bemühen, einigermaßen
gut auszusehen. Das klappt heute nicht. Aber immer noch so gut, dass ich in
dieser einen Stunde mal nicht weine. Das habe ich zu Hause seit Tagen nicht
geschafft.
Es geht ums Examen – was sonst?
„Was ist denn, wenn Sie die Prüfung nicht bestehen…?“, fragt die
Therapeutin.
„Naja…“, entgegne ich, „der vernünftige Teil sagt, dass man sie
wiederholen kann. Dass ich mich dann vielleicht erstmal ein paar Wochen ausruhe
und mich dann mit neuem Elan an die Lernsachen setzen kann.“
„Und was sagt der andere Teil?“
„Dass das einfach nicht mehr geht. Und dass ich auch in gewisser
Hinsicht nicht mehr will. Seit über zwei Jahren sitzt der Druck des Examens im
Nacken. Ich weiß, andere stressen sich damit weit weniger, aber das hält doch
kein Mensch aus. Der andere Teil geht so weit zu sagen: Mondkind, Dir ist schon
klar, dass das Bestehen oder Nichtbestehen des Examens darüber entscheidet, ob
Du nächsten Monat um diese Zeit noch hier bist, oder nicht… - das macht halt
schon ein bisschen Druck, weil es dem Examen eine Bedeutung gibt, die
eigentlich überhaupt nicht angemessen ist.“
Schweigen. Und nach kurzer Pause.
„Aber ich bin so weit gegangen in den letzten Jahren. Ich hatte so
viel Zeit, die ich gar nicht mehr haben wollte und es hat sich so viel
geändert, dass mir der Gedanke so viel Angst macht, wo ich heute in einem Monat
bin. Irgendwie ist das so präsent im Moment und ich hatte noch nie so viel Angst,
dass mein Kopf mich einfach umbringt. Und vor einem Jahr hätte ich Ihnen auch
gesagt: „Ja, ich habe die Angst, aber ich weiß, dass da noch nie etwas passiert
ist…“ Ich war so ein bisschen immun gegen psychiatrische Katastrophen, so
schien es mir. Aber nach dem letzten Herbst... Ich weiß, dass sich das Denken
irgendwann einfach ausschaltet. Und ich glaube, in einem klaren Zustand würden
sich die allerwenigsten der Betroffenen für einen Suizid entscheiden. Aber das
ging alles so schnell damals. Natürlich war das nicht so richtig schlimm – aber
es hätte auch anders ausgehen können…“
Sie will wissen, von welcher Zeit ich rede, die ich nicht mehr haben
wollte.
„Für mich war immer klar, dass es nach dem Abi nichts mehr gibt. Da
konnte einfach nichts mehr kommen. Ja, diese Welt konnte viel bereithalten und
die Mitschüler hatten alle viele Ideen. Aber das galt nicht für meine Schwester
und mich. Unser Weg war vorgezeichnet. Ich habe mir darüber dann auch
irgendwann keine Gedanken mehr gemacht. Das war seit der achten oder neunten
Klasse klar, was unsere Eltern wollten und dass ich das nicht wollte und dass
wir absolut keine Chance hatten… - wir haben damals ernsthaft darüber
nachgedacht, in den Abiprüfungen absichtlich einige Fehler einzubauen, damit
der Schnitt nicht reicht, aber irgendwie hat man das dann in seinem Perfektionismus
auch nicht übers Herz gebracht. Ich habe den Schnitt auch nie so richtig
ausgerechnet – ich wusste nur, dass er wohl recht gut werden würde. Aber
brauchen würde ich ihn ja nicht.“
„Aber Sie hätten schon etwas anderes studieren können. Es hätte andere
Möglichkeiten gegeben…“, merkt sie an.
„Aus heutiger Sicht frage ich mich auch manchmal, warum ich da nichts
gemacht habe. Ich hatte einen Studiengang und eine Uni, an die ich wollte. Aber
das war eine andere Zeit. Ich wusste damals nicht mal, wie man Geld abhebt.
Natürlich hätte es die Möglichkeit von Krediten und so etwas gegeben – das weiß
ich heute auch. Aber damals hat man ja erfolgreich alles dafür getan, dass den
Kindern die Möglichkeiten die es gibt, verwehrt bleiben…
Heute relativiert sich das natürlich alles irgendwo ein bisschen. Ich
hätte ja auch nicht in die Neuro gedurft. Und habe wenigstens das dann
irgendwann gemacht - und bin dort sehr glücklich geworden. Natürlich fragt man sich nach wie vor, ob man dem Beruf
gewachsen ist. Aber ich glaube, das ist ein Stück weit normal. Ich glaube, ich
habe eben viel gelernt und auch viel lernen müssen in den letzten Jahren, was
den Umgang mit Menschen betrifft. Durch die ganze Lernerei schon zu Schulzeiten
und konsekutiv ohne Freundeskreis war ich damals ja vollkommen ungeübt. Mein
erstes Pflegepraktikum war die komplette Katastrophe. Ich konnte halt nicht mit
Menschen umgehen. Aber da man immer glaubte keine Wahl zu haben, hat man es
eben durchgezogen und so nach und nach kam ich immer besser zurecht mit den
Patienten. Aber es erstaunt mich heute noch, wenn man meinen Umgang mit
Patienten lobt.“
„Und wie haben Sie es dann doch geschafft, den Sommer zu überbrücken
und mit dem Studium zu beginnen – obwohl Sie das ja eigentlich nicht wollten?“,
fragt sie.
„Mein Philosphielehrer hat mich kurz vor Ende der Schulzeit nach
Zukunftsplänen gefragt. Und ich war völlig durch damals. Es war ja eigentlich
ein paar Wochen, bevor es mich auf dieser Welt nicht mehr geben sollte. Und ich
wollte das ja schon damals eigentlich nicht – es gab nur keine andere Lösung.
Und irgendwie muss er etwas gemerkt haben und irgendwie muss ich noch ein
bisschen Hoffnung gehabt haben, dass man das doch abwenden kann. Er hat mich
dann über den Sommer begleitet, bis ich dann sicher im Studium angekommen war
und das hat ja geradezu dazu eingeladen, sich hinter den Büchern zu verkrümeln.
Dadurch bin ich nur nicht wirklich weiter als vor sechs Jahren, was mich selbst
anbelangt. Sicher, irgendwann konnte ich das nicht mehr aushalten und bin zu
Hause ausgezogen und dann ist ja hier das Chaos ausgebrochen, aber das war
alles so Aktions – Reaktions – Prinzip. Ich würde mal behaupten wollen, dass
die wenigsten Dinge davon bewusste Entscheidungen waren…“
Und jetzt, jetzt stehe ich wieder hier. Am Ende eines Lern- und
Lebensabschnittes. Das Examen ist nicht nur an sich furchteinflößend, es
markiert auch ein Ende und zieht Parallelen ins Gestern. Und irgendwie gibt es
einen Plan für „nach dem Examen“ und gleichzeitig ist da immer noch das „Nichts“.
Und als ich letztes Jahr den letzten Blick über den Campus in einem Foto
eingefangen habe, da war ich mir nicht sicher, ob ich zurückkommen werde – auch
mit bestandenem Examen. Sowohl ein bestandenes, als auch ein nicht bestandenes
Examen – beides macht Angst. Obwohl ich gehofft habe, dass es nicht so heftig
wird, wenngleich irgendwo in meinem Hinterkopf die Vorahnung war, dass es diese
Überlegungen geben könnte.
„Irgendwie sind es ja krasse Gegensätze…“, merke ich an. „Man setzt
wirklich alles daran, um irgendwie vorwärts zu kommen und um das scheinbar
Unabwendbare doch noch ein bisschen raus zu schieben. Es sieht halt alles von
außen irgendwie so erfolgreich und so straight aus und es waren auch teilweise
gute Erfahrungen in den letzten Jahren. Und auf der anderen Seite… - ich weiß
nicht, woher das mit der Suizidalität immer kommt. Vielleicht ist es gestörte
Kommunikation mit sich selbst, weil ich einfach irgendwie ein bisschen „lost“
bin – auch wenn einem das einer erfolgreichen Medizinstudentin, mit Plan für
die Zeit nach dem Studium, keiner glaubt. Jedenfalls… - ist das anstrengend,
wenn sich ständig die Frage stellt, ob man dieses oder jenes noch erleben wird.
Weil man es ja eigentlich schon gerne würde und andererseits irgendwie nicht,
weil das mit diesem Chaos – Kopf viel zu anstrengend ist und dann wird das so
ein „Die Mondkind schlängelt sich immer irgendwie durch die Mitte durch.“ Kein
richtiges „Ja“ zum Leben, aber irgendwie doch noch zu viel Hoffnung für ein „nein“.
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Besonderes Foto... - am Abend vor der Abreise ist es entstanden... |
Es geht Ewigkeiten darum, dass die Zeit jetzt eine andere ist. Dass
ich andere Möglichkeiten habe. Und dass der Ort in der Ferne nicht das einzige
Ziel sein muss. „Du kannst ja auch nach Norwegen gehen“, sagte der Neuro –
Oberdoc immer, als er das selbst noch nicht genau verstanden hatte“, werfe ich
ein. „Aber das kann ich eben nicht…“
„Wieso nicht?“
„Weil ich mit mir selbst immer noch überhaupt nicht zurechtkomme. Sobald
es still in mir wird, breche ich komplett zusammen. Und irgendwie ist das auch
eher auf dem absteigenden Ast unterwegs für mein Befinden. Das war es auch
schon letztes Jahr – ich glaube, der Ort in der Ferne hat nicht nur viel für
die positiven Momente, sondern durch das fast schon zu Viel an Licht, für viel
Negativität gesorgt, weil es so viele Dinge sichtbar gemacht hat. Das ist nur
nicht so aufgefallen. Ich hatte ja Leute, die das mitgetragen haben. Ich konnte
das alles geschickt auf drei Schultern verteilen und manchmal, wenn es schlimm
war, habe ich in der Woche mit den drei Leuten insgesamt sieben oder acht
Stunden meinen Kopf sortiert. Vielleicht klingt das überzogen, aber ich habe
das so gebraucht. Und dadurch, dass ich dort so sicher war, hat mir das eine
andere Form von Lebensqualität ermöglicht. Mit Ruhe im Kopf, konnte ich auch
mal am Ententeich sitzen. Das wäre hier undenkbar. Ich glaube, den Menschen ist
teilweise gar nicht bewusst, wie viel sie mitgetragen haben und ich möchte das
auch nicht so kommunizieren, um da bei niemandem ein allzu starkes
Verantwortungsgefühl hervor zu rufen.
Aber ich kann halt nicht einfach mal so nach Norwegen gehen, ohne mir
darüber Gedanken zu machen, wie ich meinen Chaos – Kopf da bändigen will. Und
im Prinzip gilt das für alle Orte außerhalb des Ortes in der Ferne, denn es
gibt nicht viele Menschen, die das mittragen können, weshalb dieser Ort für
mich im Moment der einzig überhaupt eventuell gangbare Weg ist.“
Irgendwie versteht sie das nicht. Vielleicht ist das auch nicht
verständlich – das hat nämlich noch keiner verstanden, dem ich das je versucht
habe, zu erklären. Das sei ja schon ein extremes Schwarz – weiß – Denken merkt
die Therapeutin an. Und, dass es ja auch noch viel dazwischen gäbe.
Aber schließlich sind „Leben“ und „Sterben“ am Ende auch nur zwei
Extreme. Und dazwischen gibt es nicht so viel. „Existieren“ vielleicht. Das
mache ich seit Jahren mit kurzen Ausnahmen. Das geht aber langsam nicht mehr.
Ich glaube, die Behandler und ich sind sich über die Reihenfolge immer
nicht so richtig einig. Während ich der Meinung bin, dass ich mich zu allererst
für das Leben entscheiden muss – mit allen Konsequenzen - und mich ein bisschen
sortieren muss, ein bisschen zu mir selbst finden und stabiler werden muss,
damit ich raus in die Welt mit ihren vielen Möglichkeiten und Farben gehen
kann, ohne davon erschlagen zu werden, sind die Behandler der Meinung, dass es
andersherum funktioniert. Was schon das letzte Mal in der Klinik das Problem
war. „Sie müssen erstmal machen, die Psyche kommt dann hinterher“, habe ich
gehört. Ist leider nie passiert – auch lange nach dem Klinikaufenthalt nicht,
weil eine Änderung des Außens meiner Meinung nach nicht zwangsläufig eine
Änderung des Innens nach sich zieht. Und wenn ich das Außen verändere und nicht
aufpasse, dass ich jemanden habe, der das mitträgt – vielleicht auch manchmal,
ohne dass der Betreffende das so richtig weiß – wird das dann vielleicht doch
zu viel für eine Mondkind, deren schmale Schultern längst nicht so viel tragen,
wie alle das immer meinen.
„Du wirst aufhören zu fürchten, wenn Du aufhörst zu hoffen“, habe ich
mal irgendwo gelesen und fand es sehr passend. Ich fürchte halt noch. Und
vielleicht ist das gut so. Weil das heißt, dass ich noch hoffe. Dass man das am
Ende doch überleben kann. Dass ich irgendwann zurück schaue und sage: „Es war
eine harte Zeit und vermutlich werde ich immer ein bisschen aufpassen müssen.
Aber es ist vorbei, ich habe viel daraus gelernt und kann die Dinge ganz anders
schätzen – weil ich weiß, dass es lange Jahre anders war.“
Und wenn man bedenkt, dass das alles nur ein Aspekt von insgesamt
mindestens Dreien ist, dann kann man sich vorstellen, wie viel Chaos in meinem
Kopf ist. Nicht so förderlich – kurz vor dem Examen.
Am Ende – ich hätte ernsthaft vergessen zu fragen, obwohl ich es mir
fest vorgenommen hatte – gab es dann noch gute Nachrichten. Die Therapeutin hat
mit dem Psychiatrie – Oberarzt gesprochen und er hat zugesagt, mich nach dem
Examen aufzunehmen. Nächste Woche – was dann übrigens wirklich der letzte
Termin vor dem Examen wird – werden wir klären, wie wir das zeitlich machen.
Ich weiß noch nicht, was ich ihr dazu sagen soll. Hier ist eine Menge
liegen geblieben und wenn meine Psyche das mitmacht, hätte ich eigentlich gern
eine Woche Vorlaufzeit, um noch ein paar Dinge zu regeln. Wovon das Wichtigste
sicher die Beantragung der Approbation ist unter der Vorraussetzung, dass ich
bestanden habe. Aber ich kann absolut nicht sagen, wie es mir gehen wird und wie schnell es dann gehen muss.
Es freut mich wirklich, dass ich mich jetzt scheinbar darauf verlassen
kann, dass es mit der Klinik klappt. Das nimmt auch gerade eine ganze Menge
Druck raus. Denn solange, wie ich in der Ambulanz noch kommunizieren kann und
man nicht wieder um die Ecke kommt mit „Frau Mondkind, Sie können aber nicht
immer, wenn es schwierig wird in die Klinik“, was ja nun weiß Gott nicht der
Fall ist, dann ist das eigentlich meine Versicherung, dass ich auch ein nicht
bestandenes Examen überleben werde.
Allerdings macht es mich natürlich nicht glücklich zu den Menschen zu
gehören, von denen gesagt wird: „Ach ja, die habe ich auch schon wieder oben
auf dem Gelände gesehen. Die hat es dann wohl auch nicht gepackt.“ Ich hätte
mir das schon anders gewünscht. Aber nur aufgrund des eigenen Stolzes das
nicht zu machen und dann rauscht mir das
in der Ferne sowieso wieder ab, wenn wir nicht mal einige Dinge bearbeiten –
das bringt eben auch nichts. Aber… - ja, es fühlt sich schon nach Versagen an.
Und wie ich meinen Eltern das erkläre, weiß ich auch noch nicht. Neben der
Tatsache, dass mein Vater mir letzten erklärt hat, um was ich mich jetzt alles
unbedingt kümmern müsse kam auch: „Nicht, dass Du nach dem Examen wieder in der
Klinik sitzt. Das wollen wir ja nicht…“ Man kann sich also darauf einstellen,
dass das wieder eine mittelschwere Katastrophe wird. Obwohl ich hoffe, dass ich
nicht wieder den halben Klinikaufenthalt damit beschäftigt bin, zu Hause die
Wogen zu glätten in der Hoffnung, meine Schwester aus der Schusslinie zu
befördern.
Ich bin gespannt, was der Psychiatrie – Oberarzt dann aus den ganzen
Gedanken macht. Und ob wir das dann wirklich mal schaffen, von allen Töpfen
unter denen es kocht, den Deckel zu nehmen und ein bisschen Ruhe dort hinein
bringen können. Möglichst ohne den ganz großen Crash – da habe ich nicht so
Lust drauf. Obwohl ich das mitmachen würde, wenn es danach mal besser werden
würde.
Und ich hoffe, dass man mich da ernst nimmt. Ich habe ja nicht umsonst
alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zu meinem alten Oberarzt zu dürfen. Der ist
zwar von seiner Art her schon sehr eigen und etwas theatralisch – ich habe eine
Weile gebraucht, um wirklich sicher zu sein, dass das eben zu seiner Person
gehört und nicht daraus resultiert, sich in seiner Arzt – Position weit über
den Patienten zu stellen - aber bis jetzt hat er die Fassaden eigentlich immer
ganz gut durchschaut. Auch, wenn ich mich da eben nicht so leicht getan habe, Hilfe
auch wirklich anzunehmen und durchblicken zu lassen, wie es mir wirklich geht. „Die
Frau Mondkind – ich glaube, die unterschätzen wir hier gewaltig. Die ist immer
sehr viel depressiver, als sie hier so rüber kommt. Aber sie trägt das nicht so
vor sich her. Das ist ja auch gut so. Das macht es nur für uns etwas schwerer“,
sagte er mal in einer Oberarztvisite. Für diese Worte war ich ihm so unfassbar
dankbar. Nicht, weil ich das alles dramatisieren möchte, sondern weil ich nicht in der Klinik permanent darum kämpfen kann, gehört zu werden. Da kommt man halt zu nichts anderem mehr.
Und vielleicht werde ich am Ende des Sommer den obigen Absatz anders
verfassen können. Vielleicht habe ich mich für das Leben entschieden. Mit allen
Konsequenzen. Kein ständiges „vielleicht gibt es Dich in einem Monat ja doch
nicht mehr…“ Und vielleicht kann ich mich ein Stück weit selbst halten. Sodass
Menschen die mittragen immer noch eine wundervolle Sache sind, aber dass ich
weiß, dass ich es theoretisch auch selbst kann.
Ich kann mir das noch nicht vorstellen. Aber versucht mans…
Mondkind
P.S.
Ich muss mir überlegen, was ich mit dem Badezimmer mache. Ich weiß
nicht, wer der Mitbewohnerin in ihrem Heimatland alles hinterher geräumt hat,
aber sie macht überhaupt nichts – außer ihren Mageninhalt im Waschbecken zu
entleeren… (Sorry…). Es ist wirklich richtig ekelig und eigentlich mag ich da
schon gar nicht mehr reingehen. Aber wer soll jetzt dieses Waschbecken in
Ordnung bringen…? Ich würde ja sagen, derjenige, der daran Schuld ist, aber da
warte ich wohl, bis ich hier ausgezogen bin. Dem Hausmeister möchte ich jetzt
auch nicht unbedingt Bescheid sagen, nachdem wir letztens schon für
Überschwemmung unter uns mit dem Küchenabfluss gesorgt haben. Außerdem hat er
sich schon da über den Müll beschwert, den er mit seinem Pömpel retrograd aus
dem Abfluss befördert hat. Das wird ja jetzt noch viel schlimmer.
Sorry für die Details… - aber so etwas brauche ich jetzt eigentlich
absolut überhaupt nicht in der Wohnung. Und ich weiß nicht, warum man sich
nicht einfach mal ein bisschen zivilisiert verhalten kann…
P.P.S.
Ich weiß, der Blog könnte mal neue Bilder gebrauchen. Aber Prioritäten und so...
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