Der Plan von Psychosomatik 2.0

Badezimmerfußboden. Auf dem ich sitze.
Schräg über das Plissee scheint die Sonne. Trifft auf nasse Augen.
Und ich weine noch ein bisschen mehr. Es tut einfach so sehr weh.

Nachricht auf meiner Mailbox. Die Sekretärin möchte, dass ich sie anrufe.
Noch ein bisschen später eine Nachricht von der potentiellen Bezugsperson, meinem Oberarzt, ihrem Mann.
Muss ja dringend sein. Die beiden haben mich noch nie parallel im Urlaub bombardiert.

Am Ende wollen sie tatsächlich zwei verschiedene Dinge von mir und haben mutmaßlich gar nicht miteinander gesprochen, bevor sie mich kontaktiert haben.

Potentielle Bezugsperson in der Leitung. Es ist knapp drei Wochen her, dass wir das letzte Mal persönlich ein Wort gewechselt haben.
Aber er hat herum telefoniert wegen eines Therapeuten für mich.

Der Plan: Ich arbeite am Freitag nur einen halben Tag, fahre dann mit dem Zug in eine benachbarte Stadt und darf dort mal wieder mit einem Chef einer psychosomatischen Klinik reden. Ich soll ihm meinen Fall erzählen – diesmal aber gegen Einwurf von Münzen – und dann soll er sich Gedanken machen, was ich jetzt brauche. 


 

Es tut mir leid, aber ich kann das nicht gut finden – auch wenn ich mich natürlich artig bei meinem Oberarzt bedankt habe. Erstmal ist das mit der Bahn bei den Temperaturen ein unfassbares Gegurke und dann… - ich kann diese Geschichte nicht einfach schon wieder für umsonst erzählen, denn dieser Mensch wird ja – selbst wenn er nett ist – nicht mein Therapeut bleiben. Er soll nur Vorschläge machen. (Naja… - das wird darauf hinaus laufen: Suchen Sie sich einen Therapeuten. Wussten wir schon... Und ich sollte dafür sorgen, dass er mich nicht gleich für arbeitsunfähig erklärt…)
Jeder meint, dass das so einfach sei, so vielen Menschen zu erzählen, was hier vor sieben Monaten passiert ist, welche Bedeutung dieser Mensch in meinem Leben hatte, insbesondere wenn man die Familiensituation bedenkt, die ja einfach Null Halt geben kann, sodass der Freund da umso wichtiger ist. Es ist nicht einfach, wenn man so viele so wenig hilfreiche Reaktionen in den letzten Monaten gehört hat. Wenn der Tenor so oft war: „Es war ja nur ein Freund“ und „Ihr wart schließlich nicht verheiratet und Du musst jetzt Eure fünf Kinder durchfüttern.“ Das sind Kommentare, die immer mitschwingen, immer da sind und eigentlich würde ich mich mittlerweile hüten mich fremden Menschen gegenüber mit meinem Erleben zu angreifbar zu machen – aber bei so einem Chef von einer Klinik hast Du genau einen Versuch. Da muss man einfach reden.

Ich war schon ganz kurz davor die potentielle Bezugsperson zu fragen, ob er heute Abend auf dem Heimweg vorbei kommen kann. Liegt auf dem Weg. Aber dann hat er auch schon gesagt, dass er ganz doll im Stress ist. Wäre wahrscheinlich auch nicht gut. Er kann nicht gut umgehen mit einer weinenden Mondkind.
Aktuell ist Rezertifizierung der Stroke Unit und die potentielle Bezugsperson wird sicher noch ein paar Tage so gestresst sein, dass der Tenor auf der Station ist: Alle haben zu funktionieren und sonst nichts. Ich verstehe das auch in dem Zusammenhang. Wirklich. Nur ist Funktionieren gerade nicht so mein Fall. Ich war auch kurz davor anklingen zu lassen, dass ich keine Ahnung habe, wie ich morgen arbeiten soll, aber das wäre der nächste Kommentar gewesen, den er nicht gemocht hätte.

Und dennoch… - ich weiß nicht mehr wohin mit diesem Schmerz und mir. Und alles was es bräuchte wären glaube ich nicht mal große Gespräche. Alles was ich bräuchte, wäre ein menschliches Wesen, menschliche Wärme ganz nah neben mir. Zu spüren, dass dieser Verlust so viel genommen hat, aber dass irgendetwas geblieben ist.
Das war schon ganz gut vom Herrn Seelsorger am Montag. Diese Umarmung. Nicht Corona – konform, aber egal. Das ist genau das, was ich gerade brauche.

Ihr bekommt einen Bericht. Bestimmt. Außer es geht völlig schief. Aber ob ich es Freitag dann noch schaffe, weiß ich nicht. Und Samstag habe ich Dienst. (Perfektes Timing mal so am Rand…- nicht.). Also nicht wundern, wenn es Sonntag wird.

Mondkind

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