Über Beziehungen

Blogschreibeversuch Nummer vier… - oder fünf? Für heute.

Sieben Monate Ausnahmezustand. Seit knapp sieben Monate brennt die Hütte fast durchgängig. Es gibt seitdem kaum noch Krisen, wie sie früher waren. Weil seitdem alles eine einzige, endlos lange Krise ist.

Ich bin so dankbar für die drei Tage frei nächste Woche. Dass erst die Mondkind von Mittwoch sich Gedanken machen muss, wie sie weiter arbeiten gehen kann. Und zwei Wochenenden hintereinander ersten Dienst schieben will. Auch, wenn das alles vom Jahresurlaub abgeht, was die uns da ständig zwingen an Tagen zu nehmen. Ändern kann es man es ja sowieso nicht.

„Ich glaube, ich war einfach zu jung und zu dumm für ihn…“
Das habe ich letztens einer Bekannten erzählt. Einer ehemaligen Mitpatientin. Fast alle Menschen, mit denen ich jetzt noch Kontakt habe, kenne ich erst seit dem Sommer. Von dem was vorher war, existiert nichts mehr.

Wie ich darauf komme, wollte sie wissen.
Beziehungen. Eine Mondkind konnte keine Beziehungen führen. Eine Mondkind hatte ihr Studium auf die Reihe zu bekommen, bitte in Regelstudienzeit und bitte mit Doktortitel nebenbei. Eine Mondkind hatte fleißig zu sein, entweder im Labor zu stehen, oder für Prüfungen zu lernen. Aber Leben… - nein, das stand einer Mondkind nicht zu.
Und dann lief der Freund mir über den Weg. Ich werde nie vergessen, wie er ganz holprig nach meiner Telefonnummer gefragt hat. Unsere ersten Gespräche, die von Beginn an so tief waren, wie ich sie niemals mit wem anders geführt habe. Unsere ersten Treffen. Spaziergänge. Die in der Eisdiele geendet haben. Und die Erkenntnis: Hier entsteht gerade etwas, das wunderschön ist, aber nicht sein darf.
Ich war gerade so zu Hause ausgezogen. Habe ich mich der Kontrolle meiner Eltern ein Stück weit entzogen. Aber ich hatte auch hohe Erwartungen an mich selbst. Habe die meiner Eltern unkritisch übernommen. Freundschaft kann es nur geben, wenn die Basis erfolgreich ist. Wenn das nichts daran ändert, eine erfolgreiche Studentin zu sein, weil man sich sonntags lieber im Park trifft.
Es war holprig. Das war vom Anfang bis zum Ende unser Grundproblem. Mein Gefühl, kein Recht auf so etwas zu haben. Deshalb wusste davon auch niemand. Auch all die Menschen, die mich nicht verurteilt hätten. Wie ein Herr Therapeut, ein Herr Psychiater, eine Frau Therapeutin und eine potentielle Bezugsperson.

Und es gab noch ein Problem. Meine Vorstellungen davon, wie Beziehungen abzulaufen haben. Das was ich meinte, aus gesellschaftlichen Anforderungen herausgefiltert zu haben.
Er hat eine zeitlang neben der Uni gearbeitet. Kam in der Mittagspause oft rüber, sodass wir zusammen essen gehen konnten. „Ich habe dem Chef gesagt, ich gehe meine Freundin besuchen“, hat er mir dann immer gesagt. „Das ist falsch“, habe ich ihn jedes Mal korrigiert. „Du musst sagen: Ich gehe „eine Freundin“ besuchen. Das ist ein Unterschied…“
Es ging nicht darum, dass ich keinen Freund haben wollte. Ich wollte immer einen Freund haben. Es ging darum, dass ich unverrückbar glaubte, dass zu einer Beziehung der Austausch von körperlicher Nähe gehört. Oder, etwas platter ausgedrückt: Dass man irgendwann miteinander im Bett landet. Und das war bei mir von Anfang an eine Grenze. Ich kann mir das generell nicht vorstellen. Ich hasse meinen Körper – vielleicht ein Überrest aus Anorexiezeiten. Ich ziehe nicht mal kurze Hosen an im Sommer – nur, wenn es überhaupt nicht anders geht, weil das Thermometer schon eher auf die 40 Grad zugeht. Ansonsten weite Stoffhosen. Und deswegen habe ich immer geglaubt, ich kann halt keine Beziehung haben mit diesem Problem. Umarmungen – die ich übrigens sehr mochte – sind zu wenig, um das „Beziehung“ zu nennen. 


Geredet habe ich nie darüber. Es war mir zu unangenehm. Und irgendwie sollte ich ja auch eher eine fleißige Studentin sein, als mir den Kopf über Beziehungen zu zerbrechen. Die alle haben dürfen außer eben ich, weil ich nur ein wertvoller Mensch bin, wenn die Uni läuft und ich diese Überfliegerin bin, die man sich erhofft.
Er hatte keine Schuld daran. Es lag nicht an ihm - so wie die potentielle Bezugsperson das gern sieht. Ich bin überzeugt, dass ich das Problem bei jedem anderen Menschen auch gehabt hätte.

„Aber Mondkind… - es gibt alle Formen von Beziehungen“, habe ich letztens vernommen. „Ich habe zwei Jahre gebraucht, bis ich das erste Mal mit meinem Freund geschlafen habe. Das ist vielleicht nicht normal… - aber was ist schon normal… ? Mondkind, es gibt Beziehungen in denen vielleicht viel körperliche Nähe ausgetauscht wird, aber wenn man die Menschen so sieht, dann fragt man sich, wie die zusammen passen können. Ob die sich überhaupt kennen? Und dann gibt es die Beziehungen, in denen die emotionale Verbundenheit eine viel größere Rolle spielt. Ihr hattet wahrscheinlich letzteres…“

„Am Ende hat er wahrscheinlich nicht mehr daran gelaubt…“. Das hat mir seine Mum letztens geschrieben. Obwohl es in trockenen Tüchern war, dass er zu mir zieht. Dass wir es irgendwie versuchen. Aber es war zu spät.

Ich wünschte, er hätte irgendwen kennen gelernt, mit dem er glücklich geworden wäre. Jemanden anderen, als mich. Jemand, der ihn besser verstanden hätte. Jemand, der gewusst hätte, wie Beziehungen funktionieren. Jemand, der ihm das hätte geben können, das er gebraucht hätte.
Ich wünschte, ich wäre nicht so offensichtlich verantwortlich für das, was passiert ist.

Ich glaube übrigens, dass die potentielle Bezugsperson und der Herr Therapeut zusammen mir vor über zwei Wochen den Rest gegeben haben. Wenn Mondkind ein was gut kann, dann ist es das Hoffen. Ich habe trotz der offensichtlichen tiefen Krater zwischen dem Herrn Therapeuten und mir seit der Verlegung auf die Geschlossene nicht aufgehört zu hoffen, dass er vielleicht die Person sein kann, die mir ein bisschen durch diese Zeit hilft. Denn hilfreiche Dinge hat er schon oft gesagt. Der „kleinen Mondkind“ zugehört. Er war einer der ganz wenigen Menschen, der vielleicht – während ich gesprochen habe – gedacht hat: „Was redet die für einen Schmarrn?“, aber das nie laut gesagt hat.
Und die potentielle Bezugsperson… - naja, wir haben das Problem, dass wir auch nicht mehr miteinander zurecht kommen seit diesem Drama. Er ist der Letzte, der übrig geblieben ist aus dem Leben davor. Und ich vermute auch er wird noch gehen, weil er nicht glauben kann, dass da etwas existiert hat, von dem er nichts wusste. Und ich kann ihm zu liebe nicht sagen, dass es  nicht das gewesen sei, was es war. Nur weil er das nicht akzeptieren möchte. Wenn er so unverrückbar daran festhält, dann müssen sich unsere Wege trennen. Ich ertrage das sonst nicht.

Und irgendwie wünsche ich mir so sehr, dass mich einfach jemand hier raus holt aus diesem emotional unerträglichen Zustand. Wie soll ich das noch weiter aushalten...?

 

Mondkind

Bidlquelle: Pixabay

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