Wie geht Trennung?

Wenn der Kollege morgens in die Notaufnahme kommt und Hundehaare an einer Hose hängen, nicken wir uns nur mit einem wissenden Lächeln zu. Seine Ex – Freudin hat Hunde.
Er und ich, wir sind in derselben Situation. Frisch getrennt, nicht wissend, wie wir damit umgehen sollen.
Die Gesellschaft hat für alles Normen, stelle ich fest. Nicht nur für den Umgang mit dem Sterben, was ich nach der letzten Beziehung schmerzlich feststellen musste, sondern auch für den Umgang mit einer Trennung.
Man hat sich nicht mehr zu sehen. Die ersten Male, in denen ich nach der Trennung mit meinem Papa telefoniert habe, konnte ich förmlich sehen, wie er die Augen verrollt, wenn ich gesagt habe, dass wir noch reden oder schreiben.
„Kein [ehemaliger Freund]“, hat der Intensiv – Oberarzt als Ermahnung in seine letzte Mail vor dem Wochenende als Ermahner geschrieben.

Und von wo aus schreibe ich diesen Blogeintrag… ? Von seinem Sessel aus.
Wir sind gestern gemeinsam eingeschlafen und heute gemeinsam aufgewacht.

Wir sitzen nebeneinander auf dem Sofa gekuschelt und schauen uns die Sendung mit der Maus an. Gehen in Stille spazieren, bis mir fast die Zehen abfrieren. Trinken Kakao und essen Kuchen. Liegen dicht an dicht aneinander gekuschelt unter der Decke. 





Und während wir da so liegen, er hinter mir, seinen Arm um meinen Bauch geschlungen, sieht er das Glänzen in meinen Augen nicht.
Er vermisse ihn, obwohl es so nah an mir dran liegt, wie es geht. Obwohl ich seinen Geruch in der Nase habe, seinen Atem in meinem Nacken fühle, obwohl ich ihn hinter mir spüre und mich noch ein bisschen fester an ihn dran schmiege.
Ich vermisse das Feuerwerk, das seine Hände auf meinem Körper auslösen und ich verfluche den Stoff der beiden dicken Winterpullis, der zwischen uns ist. Ich frag mich, ob’s im Sommer besser wird und erinnere mich dann daran, dass ich keine Ahnung habe, was im Sommer ist. Diese Beziehung ist keine Sicherheit mehr, keine Kontinuität. Ich hoffe immer, dass wir uns nochmal sehen, aber ich weiß auch, dass ich es nicht weiß. Ich vermisse den ehemaligen Freund als feste Person in meinem Leben. Wer ein Mal so verletzt hat, kann das nicht mehr sein und ich traue mich nicht mehr, mich emotional an ihn anzulehnen. Es stört nicht nur der Stoff zwischen uns, es stört nicht nur, dass sich unsere Nasenspitzen manchmal noch berühren, wenn wir uns gegenüber stehen, aber auf diese Aufforderung kein Kuss mehr folgt. Es stört auch diese emotionale Distanz, die da mittlerweile zwischen uns ist und da auch sein muss, um den Zustand so wie er jetzt ist, auszuhalten.
Es fühlt sich so fragil an, als könnte jedes „was soll das jetzt eigentlich sein mit uns?“ die Blase platzen lassen, in der wir von Zeit zu Zeit leben.


Und manchmal glaube ich, das geht alles nur, wenn man das Leben gerade ohnehin auf der hohen Kante lebt. Zumindest für mich, ich weiß nicht, wie er das macht.
Zukunftspläne sind lange verschwunden.
Ich hoffe immer es hält und es geht. Und der Intensiv – Oberarzt gibt es sich viel Mühe mir den Boden zu geben, den ich gerade brauche, auch wenn ich kaum noch vertrauen kann, was er auch schon bemerkt hat. Mit jedem Mal, in dem ein Mensch mich verlässt, in dem ich nicht gut genug bin um bleiben zu dürfen, reißt es diese Wunde stärker auf.
Aber eigentlich weiß ich nicht, ob es hält und geht.

Wir stehen im Flur.
Der ehemalige Freund und ich.
Ich bin spät dran; das hat sich nicht geändert, dass unser Zeitmanagement schlecht ist.
Und dann muss ich mich bemühen, nicht zu weinen.
Ich würd gern sagen „ich vermiss Dich.“
Aber ich will keine emotional nicht mehr händelbaren Situationen kurz vor dem Gehen hervor rufen.
Aber er fehlt mir. Ich fehle mir. Und mir fehlt ein Wir. 

Und auf dem Weg nach Hause frage ich mich, wie Trennung eigentlich geht?
Ist das nicht paradox, dass man erst das ganze Leben teilt und dann irgendwie nichts mehr? Ist das nicht zu hart? Ist das so okay, wie wir das machen? Und ist das überhaupt eine Trennung? Es läuft doch so Vieles so wie vorher, nur dass wir eben kein Paar mehr sind.


Mondkind


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