Ein paar Töne aus dem Urlaub

Urlaub.
Ein bisschen anders als geplant.
Ein bisschen sehr anders.

Aber dann besinne ich mich eben auf die „alte Mondkind“.
Sitze auf meinem Sofa und lese Romane – ich habe mich extra noch ein bisschen eingedeckt – und trinke Kaffee dabei. Habe den ersten Film seit… - keine Ahnung wie viel Jahren geschaut. Zehn vielleicht – ich weiß es nicht.
Ich war mit Möhrchen beim TÜV, habe einen neuen Briefkastenschlüssel, habe ein neues Lieblings – t – shirt gefunden. Ich mache Bananenpancakes oder Rührei zum Frühstück und koche neue Rezepte am Abend. Ich mache meinen geliebten Melonen – Feta – Salat, bis ich ihn bald nicht mehr sehen kann. Ich verabrede mich mit Menschen, die ich entweder ewig nicht gesehen habe oder die so weit weg leben, dass sehen nicht so einfach geht, ich sie daher ewig nicht gesprochen habe und das Telefon deshalb ein bisschen heiß läuft in den letzten Tagen.
Und ich schlafe in der Nacht mal 10 Stunden und stelle das erste Mal seit Jahren keinen Wecker.

Auf der To Do – Liste steht noch meinen Lieblingsberg zu besuchen, aber das hat bisher das Wetter nicht hergegeben und wenn man da oben gar keine Aussicht hat oder wie ein nasser Pudel dort ankommt – das kann man zwar machen, aber wirklich Spaß macht es nicht.
Ansonsten muss ich ein bisschen aufpassen, dass ich nicht noch laufend andere Punkte finde, die man doch erledigen könnte. Abstellkammer aufräumen zum Beispiel. Ich meine – muss das jetzt sein? Es heißt nicht umsonst Abstellkammer. 

Wenige Augenblicke von Sonne hinter der Burgmauer...


***
Ich habe die Füße auf der Sitzfläche abgestellt, meine Arme um die Beine geschlungen und schaue nach draußen.
„Ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll, wenn die Leute mich fragen, wie es mir geht. „Es plätschert so vor sich hin“, sage ich meist. Und das ist ja auch nicht so verkehrt. So fühlt es sich irgendwie auch an.“
Ich schweige eine Weile.
„Ich hab damals irgendwie gedacht, ich müsste nur zu Hause raus und danach muss alles gut werden. Und ich glaube, mittlerweile verstehe ich, dass das Leben nicht „einfach gut“ wird. Ich glaube, mittlerweile verstehe ich, dass das Leben ein ständiges Hinfallen und Aufstehen ist, dass langfristige Planungen ziemlich sinnlos sind, weil sich bis dahin sowieso noch 20 Mal die Lebensumstände geändert haben. Ich glaube manchmal, es geht weiterhin nur darum, die Goldmomente aus dem Alltag zu fischen. Die in all dem Stress und allem was passiert, nicht zu übersehen.“

***
Die wenigsten Menschen wissen, dass ich Urlaub habe.
Und ich spüre, dass das gut so ist.
Ich habe viel Zeit für mich und die braucht es auch gerade.

Ich denk viel nach und ich schreibe viel auf.
Ich sehe, dass der verstorbene Freund nie aufgehört hat zu sterben. Weil es auf die vielen Fragen immer noch keine Antworten gibt.
Ich sehe, dass ich dachte, dass das mit dem ehemaligen Freund die „Endstrecke“ auf dem Weg in ein „gutes Leben“ ist, dabei war das nur eine Etappe auf dem Weg zum Ziel. Ich habe viel lernen dürfen, aber wahrscheinlich würde ich keine Beziehung mehr so führen. (Was den ehemaligen Freund angeht, ist eine Sache übrigens sehr interssant: Ich habe das schon häufiger erlebt, dass ich ewig nicht loslassen konnte und dann ist irgendeine Sache passiert, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat und dann war es okay. Obwohl man das eine halbe Stunde vorher noch nicht glauben konnte, dass dieser Punkt wirklich kommt. Und dann fühlt sich das einfach richtig so an. Traurig, aber richtig. Und da konnten alle Menschen vorher reden wie sie wollten - das hätte nie etwas gebracht. Alles was ich brauchte waren Menschen, die da waren, bis ich selbst zu dieser Erkenntnis kam. Und ich glaube manche Menschen ruhen sich irgendwann darauf aus, dass die Erkenntnis wohl nie kommen wird und glauben, mich nie verlieren zu können. Da hat es schon blöde Situationen gegeben).
All das habe ich auf sechs oder sieben Seiten ausgeführt, aber das gehört hier nicht her.

Aber was ich mich frage ist, wie ich umgehen möchte.
Mit mir, mit meiner Vergangenheit, mit dem was kommt.
Das was war, werde ich wohl nie ganz verstehen. Mein Elternhaus, diese erste Beziehung, die am Ende mehr gekriselt hat, als ich das gern zugeben möchte. Aber ich sehe auch, dass zwischen der Mondkind von 2015, die verzweifelt zwischen meiner Therapeutin, meinem Psychiater und dem Sozialdienst saß in diesen Konferenzen, in denen manchmal über mich geredet wurde, wie über eine Vierjährige und der Mondkind von heute, ein gewaltiger Unterschied liegt.

Ich kämpfe immer noch viel, ich falle auch noch des öfteren, wie hier ausreichend dokumentiert ist, ich brauche noch ein bisschen Unterstützung, aber ich habe den Weg ins Leben geschafft. Ich hätte damals niemals gedacht, dass das mal möglich sein würde, mich mit einem gleichaltigen männlichen Wesen zu treffen, das man halt so kennen gelernt hat. Zu sehr war ich die Außenseiterin, die Verrückte, diejenige, die nichts im Griff hatte außer ihren Noten.

Ich habe letztens ein Buch gelesen, das heißt „dem Horizont so nah“ und ist eine ziemlich dramatische Liebesgeschichte. Im Epilog erzählt die Autorin, dass ihr Ehemann 20 Jahre nachdem das alles passiert ist, eine Lücke in ihrem Lebenslauf entdeckt hat. Und dass sie die erst dann gefüllt hat. Und irgendwie denke ich mir: Vielleicht kann ich für alles was jetzt kommt, so gut es geht ein normaler Mensch gewesen sein.
Vielleicht brauche ich für alles andere irgendwann in diesem Leben nochmal einen Therapeuten. Wenn man denn einen findet. Damit es einen Raum gibt für all das, was gewesen ist. Aber das sollte vielleicht kein öffentlicher Raum sein. Vielleicht plätschert für die Öffentlichkeit das Leben halt so vor sich hin. (Und damit ist nicht unbedingt der Blog gemeint – der ist zwar öffentlich, aber anonym. Also keine Sorge, Ihr werdet keine weiße Wand bekommen).

Und fürs Protokoll: Ja, der Kardiochirurg und ich treffen sich. Und wir lassen es langsam angehen. Sehr langsam. Ob das etwas wird mit uns auf einer partnerschaftlichen Ebene, weiß wohl noch keiner von uns. Dazu sind auch zu viele Fragen, die man vorher klären muss, noch nicht geklärt.
Aber ich habe beschlossen, alles was zwischen uns beiden passiert, bleibt dort erstmal. Außer dem Intensiv – Oberarzt und einer Freundin in der Studienstadt, die zu weit weg ist, um Gerüchte zu verbreiten, weiß das erstmal niemand. Und das wird sich erst ändern, wenn wir wissen, wohin die Reise mit uns geht. Und dann werde ich die Geschichte, wenn sie gut ausgeht, auch erzählen. Von den ersten Pirouetten bis zum Ende.

Mondkind



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