Beziehungskrise

 „Mondkind… - bist Du wach?“
„Mh…“
„Ich muss langsam leider los…“
„Okay.“
„Nicht strecken, einfach weiter schlafen.“
„Viel Spaß heute. Und eine ruhige Nacht danach.“


***

Ehrlich gesagt war ich nicht darauf vorbereitet, dass die Zeit zwischen den Jahren so schwierig werden könnte.
Ich kann mich da wieder sehr gut an meine ehemalige Therapeutin erinnern, die immer angehalten hat, sich schon vor den ganzen Feiertagen darum zu kümmern, wie man gut durch die Tage kommt und wo man ein Ohr findet, wenn man eines braucht.  
Wenn man sich erst darum kümmert, wenn es schwer geworden ist, kann es bisweilen kritisch werden.

Die Arbeit ist herausfordernd. Wir haben Noro – Virus in der Klinik, was die ohnehin auf Kante genähte Besetzung zwischen den Jahren dekompensieren lässt. Es muss jeder ran. Und die Patienten sind auch teilweise dezent kratzbürstig. Mir ist eine Gruppe komplett um die Ohren geflogen. Interessanterweise hat die Übung mit meiner eigenen Gruppe super geklappt, aber als ich sie dann in der Vertretungsgruppe machen wollte, ging gar nichts. Hätte ich nicht morgen Neuro – Dienst gehabt, hätte ich zum frühest möglichen Zeitpunkt auch direkt einen Psychosomatik – Dienst geerbt. Ich habe angeboten es trotzdem zu machen und halt zwei Stunden später zu kommen – um 10 Uhr statt um 8 Uhr am 1. Januar, aber ich kann den Dienst nicht alleine machen. Wir sind ja immer zu Zweit im Dienst, aber wenn es Schwierigkeiten gibt, dann macht das auch schon mal jemand alleine – aber beim ersten Dienst in dieser Klinik überhaupt geht es nicht. Allerdings hat man dann befunden, dass ich mich ausruhen muss nach dem Dienst und es zur Not der Chef persönlich macht…

Und mit dem Kardiochirurgen ist es auch sehr herausfordernd.

Ich habe höflich beim Intensiv – Oberarzt um ein Ohr gefragt, konnte mir aber schon denken, dass er zwischen den Feiertagen sehr gestresst ist und so war es dann auch. Und beim ehemaligen Freund habe ich auch mal durchgeklingelt. Das ist übrigens tatsächlich noch nie passiert, dass er weder dran gegangen ist, noch geschrieben hat, dass er gerade nicht kann. Keine Ahnung, was da los ist.

Aktuell beim Schreiben entstanden...


***

Die Hütte brennt.  Aber so richtig. Zwischen dem Kardiochirurgen und mir.
Das hat er dann irgendwann – mit tagelangem Verzug – auch mal begriffen.
Nachdem er meine Nachrichten wieder mal zwei Tage nicht gelesen hat. Nachdem er dann etwas zurück geschrieben hat von „er möchte mich auch in seinen Alltag und sein Leben integrieren.“ Na Danke auch. Der Satz ist ungefähr steif wie ein Stock.
Und nachdem ich geschrieben habe, dass es erstmal okay ist, wenn er jetzt bei seinen Freunden ist und es scheinbar auch nicht schafft, um den Jahreswechsel herum zumindest mal hier zu sein, aber dass es darüber noch enormen Redebedarf gibt und ich definitiv nicht bereit bin, weiterhin eine fragliche Beziehung zu führen, bei der ich permanent das Gefühl habe, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Nachdem er gemerkt hat, dass es diesmal nicht reicht, ein paar beschwichtigende Zeilen zu schreiben.

„Ich melde mich morgen früh“, schreibt er gestern Abend.
„Dann mach das aber auch. Ich kann und will in so einem emotionalen Zustand keinen Dienst machen. Ich kann mich nämlich Null konzentrieren.“

Wenig später klingelt das Telefon.
„Wo bist Du?“
„Auf dem Heimweg von meinen Freunden.“
„Ich dachte Du schläfst bei denen…“
„Nein, der Plan ist, dass die morgen zu mir zu Besuch kommen, damit ich vor dem Dienst nicht so weit fahren muss. Das ist dann günstiger.“ Und nach einer Pause. „Mondkind, ich dachte eigentlich, wir hätten einen ganz guten Dezember verbracht. Ich glaube, ich habe den Zeitpunkt verpasst, an dem das so gekippt ist.“ Das glaube ich aber auch.
„Naja, was soll ich denn jetzt dazu sagen? Weißt Du, es ist doch immer und immer wieder dasselbe. Das ist ja jetzt keine einmalige Situation. Absprachen funktionieren überhaupt nicht. Und es gibt so ein paar sensible Tage im Jahr. Weihnachten, Jahreswechsel, Geburtstag, irgendwie auch die Sonntage im Dezember. Die möchte ich einfach mit den Menschen verbringen, die mir wichtig sind. Und ich verstehe, dass das natürlich in unserem Job nicht immer möglich ist. Aber dann muss man das halt ein bisschen drum herum bauen. Und nachdem wir uns ja schon Weihnachten kaum gesehen haben, kommst Du dann darauf, dass es jetzt eine gute Idee wäre, das ganze Jahreswechsel – Wochenende mal auch nicht bei mir zu sein. Und Du sollst Dich ja auch mit Freunden treffen, aber das kannst Du mir doch auch mal sagen. Ich würde mich ja auch gern mal verabreden, aber ich habe den Eindruck, wenn keiner von uns beiden darauf achtet, dass wir die Zeit übereinander kriegen, dann geht hier gar nichts mehr. Und ich möchte da nicht immer zurück stecken müssen  - ich werde schon mittlerweile kaum noch gefragt. Da müssen wir besser miteinander reden.
Ich verstehe schon mittlerweile, dass wir ein unterschiedliches Nähe – Bedürfnis haben – meins ist ziemlich hoch und Deins recht niedrig – aber das löst bei mir irgendwie das Gefühl aus, dass Du das mit uns nicht ernst nimmst. Wir kennen uns jetzt bald sechs Monate und wir haben die wesentlichen Dinge nicht besprochen: Was wollen wir denn von Beziehung? Was glauben wir denn, wohin das mit uns geht? Was wollen wir da voneinander? Meinen wir, wir schaffen das unsere Leben mit diesen Jobs übereinander zu bekommen und was sind wir bereit für Kompromisse einzugehen? Wie viel Nähe wollen wir? Eine Lösung wäre ja auch, dass der Eine mal ein paar Tage beim anderen bleibt – das würde von alleine mehr Nähe und mehr gemeinsame Zeit ermöglichen und wir sind ja keine 16 mehr – was spricht dagegen das auszuprobieren? Ich haber immer das Gefühle ich ziehe so viel an Dir und schlage 50.000 Dinge vor, wie wir das verbessern können und von Du gehst da gar nicht drauf ein.
Und ich glaube, am Telefon ist vielleicht nicht das richtige Setting das zu besprechen, aber ich bekomme da Zweifel, wenn ich immer Rätselraten spielen muss. Denn von Dir kommt ja gar nichts. Keine Initiative, was ich mir schon wünschen würde und jegliche Gespräche enden mit Schweigen. Irgendwann fragt man sich dann halt: Will das Gegenüber überhaupt eine Beziehung? Und wenn nein, dann wäre es langsam Zeit, das zu sagen…“

„Soll ich noch bei Dir vorbei kommen?“, fragt er.
„Kannst Du machen. Ich bin halt schon im Schlafanzug.“
Kurz nach halb eins in der Nacht klopft es an meiner Tür.

Wir sitzen nebeneinander auf dem Bett.
„Manche Sachen waren blöd, das verstehe ich, aber das war nicht änderbar. Ich konnte Dich nicht mit zu meinen Eltern nehmen. Da gibt es gerade enorme Schwierigkeiten, Du kennst das von Deinen Eltern und lange wird das nicht mehr dauern, bis die beiden an dem Punkt sind. Und mit dem Montag – das habe ich mir auch anders gedacht, aber Rufdienst ist eben Dienst. Auch, wenn ich dann nicht immer etwas sage, aber ich bin ja nicht doof. Ich weiß schon wie wichtig Dir das war, dass wir uns bei Deiner Schwester treffen.“
Ich nicke. „Das ist aber auch nicht der Punkt über den wir reden – auch wenn das sicher auch dazu beigetragen hat, dass es mir mit der Situation so schlecht geht. Es gibt Dinge, die können wir nicht ändern. Aber es geht eben um die Zeit, die wir haben. Oder, dass wir halt irgendwann feststellen, dass eine Beziehung mit unserer Jobsituation nicht geht.“
„Das glaube ich nicht, dass das ein Hinderungsgrund ist.“
„Ich würde mir auch wünschen, dass es so ist. Aber dann muss es besser werden.“

Wir sitzen eine Weile nebeneinander.
„Es ist schwierig mit uns“, sage ich irgendwann. „Ich will Dich da auch nicht in irgendeine Ecke drängen, aber ich kann das so, wie es aktuell läuft eben, einfach nicht mehr. Und ich glaube, es ist schweirig, weil es so wichtig ist. Ich wünsche mir, dass wir das gut hinkriegen, aber ich weiß nicht, ob das geht.“
„Naja Du hast ja schon gemerkt, ich bin nicht so gut im Reden…“
„Ja, hab ich gemerkt.“
„Und ich verstehe schon, dass Du sagst, so langsam willst Du da mal etwas Tieferes. Ich wünschte, ich könnte Dir das sagen, was Du hören willst. Dass wir die nächsten 50 Jahre zusammen sind und dass das gut wird. Aber für mich gibt es zwei wichtige Prinzipien: Ich möchte Dich nicht anlügen und ich möchte Dir nicht wehtun. Naja, Letzteres hat nicht so gut geklappt. Ich meine, ich hab das auch so meine Gründe, warum mir das alles schwer fällt…“
„Du darfst darüber reden – musst Du aber nicht.“
Ich merke, er will etwas sagen, ich merke dass sein Herz ein bisschen schneller schlägt, aber meine Ohren hören nur Stress und Stille.
„Das hat nichts mit Dir zu tun“, sagt er irgendwann. Und, dass ihm das mit uns wichtig ist.

Weiter kommen wir auch nicht mehr an diesem Abend.
Das wird noch ein weiter Weg.
Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Irgendetwas muss ihn mehr erschüttert haben, als ich das bisher für möglich gehalten hätte.
Aber zumindest weiß er jetzt, dass wir Lösungen finden müssen. Und zwar zeitnah. Das habe ich mehrfach betont.

Irgendwann schlafen wir da einfach nebeneinander ein.
Zwischendurch – es muss irgendwann um fünf in der Früh sein -  wachen wir mal kurz auf und schlafen dann bis 9 Uhr weiter. Ehe er los muss. Seine Freunde kommen ja heute nochmal. Einer davon geht im April nach Japan. Mit dem Hintergrundwissen bin ich da etwas versöhnlicher.

Und dann hoffe ich sehr, dass das klappt, dass wir uns morgen um Mitternacht kurz sehen. Zwölf Stunden Dienst, damit wir uns fünf Minuten sehen können, ist auch ein bisschen irre. Aber das habe ich mir so ausgesucht. Sensible Momente des Jahres und so. Und wir wissen nicht mal, ob das klappt. Wenn die gerade Jemanden reanimieren natürlich nicht. Aber dann hätte ich halt am 1. Januar Psychosomatik – Dienst gemacht… von daher ist es schon okay.

So – und jetzt schnell putzen, einkaufen und Wäsche machen. Und Jahresrückblick schreiben. Heute kommt der nicht mehr und morgen habe ich Dienst. Ich denke frühestens am 1. Januar.
Und ich bete, dass ich bis morgen keinen Noro – Virus habe…


Mondkind


Kommentare

  1. Liebe Mondkind- WOW, ICH BIN SCHWER BEEINDRUCKT, WIE SEHR DU DICH MITTLERWEILE FÜR DICH UND DEINE BEDÜRFNISSE- UND DIES AUCH NOCH IN EINER ROMANTISCHEN, ZWISCHENMENSCHLICHEN BEZIEHUNG AUCH NOCH, MITTLERWEILE EINSETZEN KANNST! Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich den Eindruck, hättest du dies nie so gut gekonnt. Und ich find's unfaire, wenn er mit Dir über sich undn Inneres Seelenleben wie in Hyroglyphen mir Dir redet, während Du dich ihm ehrlich & mit offenem Herzen lffnest. Diese Beziehung ist viel zu einseirig- in Meinen Augen. Und Mondkind, bitte tue Dir den Gefallen & stresse Dich nun nicht so, auch wenn Deine Schwester nun eine Partner hat , ETC und du dies natürlich auch gerne hättest- alles verständlich. Aber , DU musst auch bedenken, das du auch nicht nicht so lange in Diesem Dating-und Beziehungsleben bist. Und ein Satz hat mich in deinem Text besoeft..Du schriebst, so was, wen er irgwndwas nicht mache, dann könedst Du Sich nicht auf den Dienst konzentrieren...EINE BEZIEHUNG SOOLLTE MEHRHWITLICHBKRAFT GEBEN UND NICHT SICH AUCH NOCH NEGATIV AUF ANDERE LEBENSVEREICHE AUSDEHNEN...BITTE/LIEBE MINDKIND, NIMM DEINE BEDÜRFNISSE ERNST & ICH BIN SO EKSEHR IRRER FAN VLN DIR, WIE KLASSE DU DAS MACHST!/aber nimm nicht die Taube auf dem Dach, wenn du einen Spatz/Schatz in Denen Händen halge könntest! Ich wünsche Dir WIEKLICH VON GANZEM HERZEN ALLES, ALLES GUTE FÜRS Jahr 2024, Nicole

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