Erster Weihnachtsfeiertag

1. Weihnachtsfeiertag.

20 Uhr ist durch.
Warten extended... Oder so.
Bis kurz nach acht Uhr haben wir geschlafen. Dann hat der Kardiochirurg im Krankenhaus angerufen, um sich zu erkundigen, wie die Lage ist. Man habe kurzfristig eine OP geplant. Eine Re - Op. Das halbe Herz voller Abszesse. Man muss kein Mediziner sein um zu realisieren, dass das dauern wird.
Zwischen vier und zwölf Stunden sagt er. Ehe er verschwindet.
Zwölf Stunden sind fast vorbei.

Gegen 17 Uhr hat er mal angerufen. 2/3 der OP sei geschafft. Das würde bedeuten, dass er demnächst kommen müsste.

Ich war ein bisschen lost heute. Hab erst in Ruhe einen Kaffee getrunken, geduscht, die Nase in ein neues Buch gesteckt, das mir meine Schwester geschenkt hat. Dann war ich kurz bei mir zu Hause, habe ein bisschen aufgeräumt und die Post sortiert und später am Nachmittag war ich dann bei meiner Schwester und ihrem Freund. Es gab einen vegetarischen Weihnachtsbraten, aber viel essen konnte ich nicht. Später haben wir ein paar Spiele gespielt. Und jetzt bin ich wieder hier, weil die beiden noch einen Sofa - Abend machen wollen.




***

Irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass ich am Leben vorbei bin. Ich hab immer den Eindruck es sortiert sich, aber wenn man ehrlich ist, sortiert sich nichts.

Ich habe mich so sehr darauf gefreut, dass wir uns zu Viert treffen können, dass wir auch mal ein kleines "Familientreffen" haben, dass ich nicht immer überall alleine auftauche.

Ich hab mich darauf gefreut, dass ich dieses Jahr mal kein Asyl unter dem Baum brauche, dass der Kardiochirurg und ich uns nochmal zwei Tage haben - zumindest weitestgehend, er hatte eigentlich nicht viel befürchtet hinsichtlich des Dienstes. Die nächsten beiden Wochenenden muss ich arbeiten, er auch mindestens eins davon. Und dann könnte er schon auf den Kanaren zum Paragliden sein. Wir könnten uns bis Ende des Monats nicht mehr 24 Stunden am Stück sehen.

Ich denk drüber nach, ob ich so leben will. Ich hab Angst irgendwann unter zu gehen neben ihm. Wenn ich das Weihnachtsessen nicht geplant hätte, hätte es keinen Plan gegeben (naja, heute kochen wir ohnehin nicht mehr, also ob es schlimm gewesen wäre, weiss ich jetzt auch nicht). Ich frag mich, wer irgendwann, so wir je ein Paar werden die Wohnung putzen wird, die Wäscheberge sortieren wird, die Planung übernehmen wird. Er macht das schon alles irgendwie, aber es ist deutlich, dass das neben seiner gefühlt 24/7 - Tätigkeit zu viel ist und dementsprechend sieht das hier aus. Wer soll mal Kinder gross ziehen? Ich habe keine Lust im Schatten meines Freundes zu stehen, damit er mehr arbeiten kann, als das eigentlich machbar ist.

Und doch sind da ja Gefühle. Die aber aktuell eigentlich nur verletzen.

Und ich kann es ihm nicht mal sagen, weil Patienten immer wichtiger sind. Und klar - wenn es um Leben und Tod geht... ist das irgendwie schon so.

Ich weiss nicht, ob ich auf Dauer so eine Beziehung führen kann. 

"Frohe Weihnachten", hat mir der ehemalige Psychosomatik - Oberarzt vorhin geschrieben. Ich glaube, das hat die Dämme dann mal zum Brechen gebracht. Es ist nicht schön. Und nicht froh. Gestern haben wir uns ab 22 Uhr gesehen. Haben also eigentlich nur hier geschlafen. "Wir hatten doch schon ein bisschen Weihnachten", sagt der Kardiochirurg dazu. Ich sehe das anders. Bisher war es kein Weihnachten.

Und langsam überlege ich, ob ich nicht zu mir in die Wohnung fahre...

Mondkind

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