Eindrücke vor Weihnachten

Donnerstag.
Diese Woche ist auf der Arbeit tatsächlich gar nicht mal so unruhig. Es gibt noch einiges zu tun, weil einige Patienten doch vor Weihnachten noch abreisen wollen und andere doch merken, dass die Weihnachtstage in der Klinik vielleicht doch nicht so einfach werden. Aber grundsätzlich habe ich die Patienten glaube ich gut ins Weihnachtswochenende gebracht.
 
Und manchmal bleibt dann nachmittags sogar Zeit, um sich mit den Kollegen zu treffen.
„Aber Mondkind, wenn man es mal objektiv betrachtet – Du hast nichts im Griff. Du hast da einen Typen, mit dem läuft auch etwas, aber ob das eine Beziehung ist, das weißt Du nicht. Dann mit Deiner Familie – guck mal, Dein Papa meldet sich nicht mehr bei Dir, seitdem Du auf der Psychosomatik bist – was ist das denn? Und dann mit dem Job. Das gefällt Dir hier zwar, aber Du hast keine Ahnung, wie das ab Ende September weitergeht. Was machst du mit dem Facharzt? Geht das, ohne, dass Du zurück in die Neuro musst? Es gibt an jeder Ecke ein Problem aktuell.“
„Na Danke.“
„Bitte.“
„Weißt Du, das schon seltsam: Du hast schon Recht und manchmal habe ich regelrecht Momente von Panik, wenn ich mir so über die aktuell Lage Gedanken mache. Und trotzdem würde ich sagen, mir ging es seit Jahren nicht so gut, wie jetzt.“
„Naja, geht es Dir wirklich gut?“
„Streckenweise.“
„Wir haben immer noch nicht meine Kaffeemaschine ausprobiert.“
„Nach Weihnachten. Zwischen den Weihnachtsfeiertagen.“
„Okay.“
 
Abends.
Der Kardiochirurg und ich waren zum Plätzchen backen verabredet. „Wir machen das auf gar keinen Fall Samstag“, hatte er gesagt. Am Montag. Und ich habe irgendwie darauf vertraut, dass das genug Motivation für ihn ist. Ich bin heute schon recht müde von der Woche und liege auf dem Sofa. Gerade als ich halb 10 umziehen möchte ins Bett, klingelt das Telefon. „Private Nummer.“ Naja – wer soll mich um die Zeit anrufen, abgesehen von ihm? „Ich bin noch im Krankenhaus, gerade in der Umkleide. Ich habe es nicht früher geschafft, wir hatten einen Notfall.“
Ich bin beeindruckt. Dass er das wirklich umsetzt, was ich sage. Betone aber auch nochmal, dass ich nicht meinte, dass er mich jeden Abend anrufen muss und mir mitteilen muss, wann er gedenkt nach Hause zu kommen, sondern dass das halt für die Tage gilt, an denen er ungeplant irgendeinen Dienst übernimmt. Ansonsten kann ich schon irgendwie damit leben, nie zu wissen, wann er kommt.
Wir beschließen, wir backen keine Plätzchen mehr. Zwar fragt er mich, ob ich noch vorbeikommen mag, aber wenn ich wieder nicht vor Mitternacht ins Bett komme – na ich weiß nicht. Zumal ich morgen bis 14 Uhr einen Termin nach dem anderen haben würde.
 
Wir kommen dann zumindest noch kurz dazu, die Weihnachtsplanung zu besprechen.
Am 24.12. ist er bei seinen Eltern; da könnte er vielleicht so abends ab 19 oder 20 Uhr da sein. Also ich wüsste ja wirklich zu gern, ob seine Eltern irgendetwas von mir wissen. Ich glaube nämlich nicht. Und dann wüsste ich gern, wie er seiner Familie am Weihnachtsabend verkauft, wo er hin möchte. Ich sehe das mal noch nicht so, dass das klappen wird, wie geplant. Er ist bisher auch immer länger bei seiner Familie gewesen, als er gesagt hat. Und nachdem sein Opa dieses Jahr auch schwer krank war, genießen die sicher die Familienzeit – wer weiß, wie viele Jahre es noch so sein kann.
Am 25.12. hat er Rufdienst. Wenn wir Glück haben, ist er zumindest nicht den ganzen Tag unterwegs. Ich habe mich schon gefragt, ob er es wohl zulässt, dass ich in dieser Nacht bei ihm schlafen könnte, oder ob ihm das zu heiß ist, wenn es ja sein könnte, dass er los muss und ich dann alleine in seiner Wohnung bleibe.
Und am 26.12. haben wir dann Zeit füreinander. Und ich bete, dass er nicht die ganze nacht davor im OP stand. 

Weiterhin Urlaubsbilder 😏

 
Freitag.

Ich entlasse heute noch zwei Patienten.
Und was da beim Entlassgespräch raus kommt, ist auch immer sehr erstaunlich. Ich würde streng sein, ist die Rückmeldung. Zu streng. Immer schnellen Schrittes angerannt kommen, immer ein Eile, man würde schon am Schritt erkennen, dass ich es bin. Dann habe ich – als die andere Kollegin krank war, vor meinem Urlaub – erstmal Regeln für die Gruppe aufgestellt und die so klar formuliert, dass sich Keiner getraut hat, irgendetwas zu sagen. „Manchmal Frau Mondkind, waren Sie schon fast furchteinflößend“, hat eine Patientin gesagt. „Aber Sie kommen ja aus der Neuro. Da muss man wahrscheinlich so sein.“ Und was ich auch immer wieder höre ist, dass ich ja noch so jung sei und noch so viel lernen müsse und meine Kollegin ja schon älter sei. Die gehen alle davon aus, sie ist schon ewig Therapeutin. Allein das verschafft ihr in den Augen der Patienten einen Vorteil.
Ich bin ja in dem Fall Therapeutin und muss mich zurück halten, aber ich hätte das gern noch etwas weiter ausdiskutiert.
Ich war mal wirklich so schüchtern und weich. Bei den ersten Schritten, die ich in der Notaufnahme gesetzt habe, bin ich tatsächlich völlig unter gegangen. Die Notaufnahme lehrt Dich tatsächlich sehr klar und sehr strukturiert zu werden, immer einen Plan im Kopf zu haben, immer zu wissen, dass man zum Einen im Team arbeiten, sich zum anderen aber auch durchsetzen können muss. Die ZNA bedeutet zu lernen, auch in Notsituationen zumindest nach außen hin einen kühlen Kopf zu bewahren, sich nicht anmerken zu lassen, selbst unsicher zu sein.
Ich habe das gelernt von der ZNA mich ein Stück weit in diese Richtung zu entwickeln und da bin ich auch stolz drauf. Und gleichzeitig habe ich wahrscheinlich auch ein bisschen verloren. Ich würde mich nicht als unempathisch bezeichnen, aber wahrscheinlich muss man manchmal auch lernen ruhiger zu sein, ein bisschen weicher, ein bisschen einladender für die Patienten. Ich bin dankbar für die Rückmeldung.
 
Am Nachmittag gibt es noch eine Krisenintervention. Es ist schon komisch, die Leute in dieses Weihnachtswochenende zu begleiten. Ich habe immer das Gefühl jeder denkt, die Therapeuten haben ihr Leben im Griff. Da kommt gar niemand auf die Idee zu hinterfragen, dass man vielleicht auch nicht bei der Familie sitzt und sich vielleicht sogar mit diesem Gefühl, Weihnachten in einer Klinik verbringen zu müssen, identifizieren kann. Ich versuche die Patienten ein bisschen auf den Pfad zu geleiten, in dem ich sage, dass sie dieses Jahr mal nicht diejenigen sind, die sich um die Familie kümmern müssen, die kochen müssen, für die Kinder da sein müssen, sondern, dass sie sich selbst mal Zeit schenken können, für sich selbst da sein können, so wie sie das gern möchten. Dass „besinnliche Weihnachten“ vielleicht mal eine andere Bedeutung bekommen, weil das wirklich mal etwas mit Besinnung zu tun hat. Und ich merke, sie können es ganz langsam, aber noch sehr skeptisch, ein bisschen annehmen. Ich bin gespannt, was sie nach Weihnachten erzählen.
 
Später haben wir noch Großteam und die Chefs halten eine kleine Weihnachtsrede. Die unserer Akut – Psychosomatik – Chefin ist sehr formal gehalten, der Reha – Chefarzt verbindet ein bisschen Psychologie mit Kreativität und Kunst. Er postuliert, dass wir als Psychosomatik – Team diese Gedankensprünge wohl verstehen können und ich höre ihm tatsächlich sehr gern zu und kann mich gut damit identifizieren. Am Ende hat er noch ein kleines Gedicht mitgebracht, das er vorträgt.
 
Und dann ruft mich um kurz vor 16 Uhr noch der Intensiv – Oberarzt an. Seine Frau und er hätten da noch eine Kleinigkeit für Weihnachten und er würde das doch noch gern vorbei bringen wollen. Also damit habe ich nicht gerechnet. Wir sprechen nur kurz und ich bin froh, dass wir uns vor Weihnachten nochmal gesehen haben und ich ihm kurz vom Urlaub erzählen konnte.
 
Der Kardiochirurg und ich werden sich heute nicht hören. Er hat nämlich Dienst. Und ich muss mich außerdem um eine Freundin in der Studienstadt kümmern, der es sehr schlecht geht.
Und Morgen… - morgen muss er sich erstmal von seinem Dienst ausruhen, dann müssen wir mal besprechen, was wir über Weihnachten essen wollen. Ich habe da schon einige Ideen, möchte das aber nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden und er hatte gestern keine Lust mehr darüber nachzudenken. Demzufolge müssen wir aber noch planen, einkaufen, Baum schmücken – auf dem hängt bisher nur die Lichterkette – und Plätzchen backen.
„Entweder mit Ruhe oder gar nicht“, sagt er dazu. Wahrscheinlich müssen wir nächstes Jahr einfach viel früher anfangen mit der Planerei. Das klang erstmal noch viel, noch eine Woche Zeit zu haben, aber wenn man sich nur wenige Stunden gesehen hat und immer ziemlich fertig nach dem Tag, reicht das dann wahrscheinlich doch nicht.
 
Heute vor einem Jahr waren wir übrigens schon bei den Eltern des ehemaligen Freundes.
Es war ein skurilles Weihnachten. Und doch bin ich sehr dankbar, das erlebt zu haben. Ich habe mir damals gedacht, dass ich alle Momente, die wir dort zusammen sammeln, wahrscheinlich für immer aufheben muss. Und in gewisser Hinsicht war das richtig.
Ich kann mich erinnern, an diesem Abend als wir angekommen sind, das war am 22.12, sind wir noch spazieren gegangen. Zu einer kleinen Kapelle, die außerhalb des Ortes an einer befahrenen Landstraße lag. Es war eigenartig diese Diskrepanz zu spüren zwischen den über die Straße rasenden Autos, in denen in meiner Vorstellung gestresst Menschen saßen, die die letzten Erledigungen vor Weihnachten vorgenommen haben und uns beiden, die so ruhig und in sich gekehrt waren. Wir standen dort neben einer Tanne, die sich samt Lichterkette im Wind wog. Ganz eng aneinander geschmiegt in einer Umarmung haben auch wir uns neben der Tanne hin und her gewogen.
Diesen Moment wird es nie wieder geben. Nicht nur, weil es dieses Wir nicht mehr gibt. Sondern auch, weil diese Liebe, die damals noch da war, nicht mehr da ist. Ich könnte nie wieder so empfinden in seinen Armen.
Das war tatsächlich ein Moment für die Ewigkeit. Ein Moment, den ich damals im Herzen speichern wollte und der tatsächlich so tief eingespeichert ist, dass ich ihn jederzeit wieder heraus kramen und nachfühlen kann. Und ich bin dankbar dafür. Ich bin aber auch tatsächlich dankbar dafür, dass es heute nicht mehr so ist. 


 Mondkind

Kommentare

  1. Liebe Mondkind Also, auf Mich wirkt auch diese "Verbindung" zum Kardiochirurgen höchst ambivalent. Vier nicht allzu langer Zeit schriebst du, ihr feiert das "WEIHNACHTEN ALS PAAR" & nun bleibst du alleine an Wrihnachten-/also sicher Heiligabend, 2. Weihnachtstag. Wusstest Du, dass er an Heiligabend zu seinen Eltern fährt? Dass er dich also auch nicht als "SEINE FREUNDIN" ansiehst., als eine "Freundschaft Plus", wo noch gar nichts sicher ist. Oder wie siehst du das? Eine "Freundschaft Plus"- Nein, die bringt nab nicht mit ab Weihnachten, eine Freundin/Partnerin-das ust gesellschaftlicher Usus... Übrigens, so leids mir tut (musste da auch durch) deine ständige Verfügbarkeit leider sehr unattraktiv. Ich wünsche Ddir trotzdem gute Tage, an denen du wirklich Sachen machst, du deiner Seele gut tun & die GedNken an ihn versucht, ai gzt es gdht zu minimieren. Aber , Uhr braucht nach Weihnachten unbedingt eine Ausssorache, was Uhr denn nun seid & ich würde uhn auch mit dem Vorwurf konfrontieren, dass er Dir ein "WEIHNACHTEN ALS PAAR VORGAUKELTE JND ES DOCH NUN NICHT SO IST ..SO GEHT MAN NICHT MIT MENSCHEN UM..

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  2. Liebe Mondkind Uff ,also deine "Verbindung" zum.Karfiochirurgen scheint dich nicht so eindeutig zu sein, wie ich es nach dem Urlaub dachte. MMn sieht er dich mehr las "Freundschaft Olzs" an - denn gesellschaftlicher Usus ist ist es halr schon seine deezeitigw Freundin/Partnerin mir zu den Elterb zu nehmen..Aber weshalb warst Du Die denn so im.Klaren, sass ihr WEIHNACHTN ALS OAAR verbringt - wemnn er dir das so tatsächlich vorgegaukelt hat, dann ist eine dringende Aussprache über dieDefinirion eurwr '"Verbindung' DRINGENDST NOTWENDIG EHE ES SELBSTDESTRUKTIV WIRD.

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    1. Und ja, dein Lebem auch anderem widmen
      wie mit ihm & der Psychosomatik- das wünsche ich Dir sehr!/Und Dir wünsche ich trotzdem schöne Stunden it Dir - und dass du Sir das Positive (wie nun auch mit dem Intensiv-Oberarzt-Paar) ganz fedt ins Herz verankert!

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    2. Guten Morgen,
      Naja, dass er am Heiligabend zu seiner Familie fährt, das wusste ich. Und ich glaube, die wissen bislang auch noch nichts von mir. Allerdings - da er sich halt noch nicht hat dazu hinreißen lassen, das mit uns eine Beziehung zu nennen, (also vielleicht war dieser Ausdruck kürzlich eher Wunsch als Realität), ist das halt schon die logische Konsequenz. Wie er das mit uns sieht, dass weiss ich ja nach wie vor nicht. Ich habe gestern mit meiner Schwester und ihrem Freund geredet, die wussten das auch lange nicht. Die haben keinen Jahrestag, sondern eher einen "Jahreszeitraum" und meinten, ich soll den armen Mann nicht so stressen...

      Na ich weiss nicht. Was tatsächlich nicht ganz im Plan war ist, dass er jetzt schon wieder im OP ist und irgendeine komplizierte OP machen muss und wohl vor heute Abend nicht mehr hier ist. Das kann passieren, wenn man Rufdienst hat, ist aber schon ein bisschen bitter. Da bin ich dann eigentlich doch alleine an zwei von drei Tagen...

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