Von einer Nacht und einem Weihnachtsgefühl

Ein Wecker reißt mich aus dem Schlaf.
Ich spüre, wie ein Arm über mich greift und den Wecker ausschaltet. Kurz vor sechs, ist auf der digitalen Uhr zu sehen. „Shht, schlaf weiter. Ich habe vergessen, ihn auszuschalten“
Ich habe mich schon aufgerichtet und schaue nach draußen. Es schneit wie verrückt und Leute schippen Schnee. „Schippen die bei Euch immer so fleißig am Sonntag um sechs Uhr Schnee?“, frage ich. „Es ist Dienstag, Du hast Urlaub“, sagt er, zieht mich wieder zu sich runter und legt die Decke über mich drüber.
Und wahrscheinlich schlafe ich fünf Minuten später weiter. Ich denke, ich komme langsam im Urlaub an. Noch viele gefühlte Sonntage.
Das nächste Mal schauen wir uns um 9 Uhr in die Augen.


***
Was erstmal klingt wie ein entspannter Urlaubstag, hat leider gar nicht so entspannt gestartet. Ich hatte ja verstanden, dass er Paragliden gehen wollte am Montag. Aber er wollte mir auch sagen, wie lange er weg ist und ob er überhaupt losgeht.
Aber ich höre gar nichts. Und whatsApps werden – wie üblich – auch nicht beantwortet.
Es ist schon fast 19 Uhr, als er mir schreibt, dass er auf dem Heimweg ist. Und fragt, ob wir heute noch Plätzchen backen wollen. Ich finde, es ist mittlerweile grenzwertig spät für solche Aktivitäten, aber er meint, dass es noch locker in den Tag passt. Und, dass er dann auch flott dafür einkaufen geht. Also gut – was kann ich machen…? Ich habe Urlaub und sonst sehen wir uns heute überhaupt nicht.
Während ich mich fertig mache, beginnt es zu schneien. „Fahr vorsichtig, es hat frischen Schnee gegeben“, schreibt der Kardiochirurg. Naja… - ich habe Augen im Kopf. Nur leider nützt es nichts, wenn die anderen nicht vorsichtig fahren. Einem schätzungsweise 18 – jährigen war eine Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde bei erlaubten 50 wohl zu langsam, sodass er zum Überholen angesetzt hat, aber nicht gesehen hat, dass ich auch daher kam. Eine Vollbremsung auf frischem Schnee ist jetzt auch nicht die Beste aller Ideen, aber es ist nichts passiert.
„Möhrchen und ich fahren heute nirgendwo mehr hin, wenn es nicht aufhört zu schneien“, erkläre ich, als ich beim Kardiochirurgen bin. Und es wird so schnell nicht aufhören.

Zuerst mal kochen wir Kakao. Mit Sahne. Und Marshmallows. (Meine Zähne fanden es nicht witzig, aber sonst war es cool).
Verziehen uns damit aufs Sofa. Und schauen, wie draußen die Flocken vor dem Fenster tanzen. Es ist fast schon wie Weihnachten.
Und dann backen wir Plätzchen. Mit Weihnachtsmusik.
Total kitschig. Aber auch ziemlich schön. Ich lieb so Weihnachtszeug tatsächlich. Unter der einzigen Voraussetzung, dass man das nicht alleine macht. 


Gegen Mitternacht beschließen wir, dass das jetzt langsam erstmal reicht. Wir legen uns schon mal aufs Bett und schauen einen Film an, aber nach einer Stunde schlafen wir beide fast beim Film ein und beschließen, dass es Zeit ist, das Licht zu löschen.

Dienstag.
Irgendwann um 11 Uhr ist es dann auch mal Zeit zum Aufstehen.  
„Aha, der Kaffee wirkt“, kommentiert er, als ich irgendwann mit meiner Tasse in der Hand auf dem Sofa sitzend auch mal anfange zu sprechen.
Nach dem Frühstück beschließen wir erstmal, dass wir nochmal in den Schnee wollen. Und dazu müssen wir ja diesmal gar nicht weit fahren. Tatsächlich fühlt es sich schon fast an wie Weihnachten. "Ich könnte mir keine bessere Woche vorstellen, um nicht arbeiten zu gehen", sage ich irgendwann in die Stille hinein. Er nickt. "Ich auch nicht", erwidert er.
Wieder zu Hause beschäftigen wir uns noch ein wenig mit der Urlaubsplanung. Der Kardiochirurg merkt an, dass wir ja jetzt eigentlich gar nicht mehr in den Schnee fahren müssen – da waren wir ja schon. Folglich müssen wir ja vielleicht gar nicht nach Österreich fahren. Die Frage ist nur – wohin dann? Im Laufe des Nachmittags stehen einige Ziele auf dem Programm, aber so richtig entscheiden können wir uns nicht. Zuletzt bleiben wir beim Schwarzwald hängen, dort wollten wir jetzt mal nach Hotels schauen. Und da er der Meinung ist, dass das Hotel definitiv einen Wellness – Bereich und ein Schwimmbecken haben wird, muss ich mir jetzt erstmal noch einen Bikini kaufen.

Danach ist es schon recht spät. Ich laufe die Wohnung auf und ab und werde langsam nervös. Heute muss ich kurz nach halb sechs los in die Nachbarstadt fahren, weil ich ja noch zur AGUS – Gruppe wollte. „Warum läufst Du Kreise in meiner Wohnung?“, fragt er, steht auf, zieht mich zu sich ran und nimmt mich in den Arm. Und manchmal sind es diese Gesten voller Wärme, die einen einfangen und die Emotionen raus lassen, die man eigentlich fest in sich verschließen wollte. Ich spüre die Tränen in meinen Augen und vermeide es ihn anzusehen, aber er hat es schon gemerkt. Seufzt, und nimmt mich mit zum Sofa. „Es ist schon gut, dass Du da heute hingehst“, merkt er an.
Er weiß auch nicht viel dazu zu sagen, aber er akzeptiert es mittlerweile schon besser. Dass das halt ein riesiges Kapitel meines Lebens ist. Und so oft wünsche ich mir selbst, ich könnte mal damit zur Ruhe kommen, aber es geht nicht. Und insbesondere dann nicht, wenn die  Welten aufeinander prallen. Und das tun sie im Moment. Nicht nur auf der Arbeit. Ein Ende der Zeit mit dem Kardiochirurgen bedeutet zunächst mal eine unruhige Zeit, die da auf mich zukommt. Ich werde die Mutter des verstorbenen Freundes besuchen und danach eben nicht nach Hause fahren, sondern weiter in die Studienstadt. Und da gibt es recht wenige Menschen, die mich erstmal halten können.

Ich fahre pünktlich beim Kardiochirurgen los und verabschiede ihn erstmal bis nächste Woche, obwohl wir ganz in der Nähe sein werden – auch wenn er auf Ultraschallkurs ist und ich auf Reisen – und düse los in die Nachbarstadt. Hier stellt sich dann aber erstmal heraus: Aufgrund des Wetters wurde das Treffen abgesagt – nur leider hat man es versäumt, alle zu benachrichtigen. Ein neuer Versuch startet dann wohl erst im Februar – im Januar habe ich nämlich Dienst an dem Abend, an dem die sich treffen.

Heute bin ich bisher tatsächlich den ganzen Tag herum gewuselt. Ich war beim Friseur, habe ewig gebraucht um einen Bikini zu kaufen, aber tatsächlich habe ich einen gefunden. Dann muss die Bude vor dem Abflug noch geputzt werden und packen muss ich ja auch noch… und morgen geht es dann in der Früh los.

Mondkind


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