Paris 2018
Zusammenschnitte aus den letzten Tagen.
Beginnen wir mit ein paar Bildern und Eindrücken aus Paris.
Pont Alexandre III bei Nacht . |
Zu jeder vollen Stunde glitzert der Eifelturm in der Nacht sogar einige Minuten . |
Innenhof des Louvre mit Glaspyramide . |
Eine Mondkind in Paris... . |
Triumphbogen... - genauso faszinierend ist übrigens der mehrspurige Kreisverkehr rundherum . |
Notre dame von der Ferne . |
Die Oper von Paris . |
Seitenstraße mit vielen Restaurantes . |
Mautstation... - das erinnert Mondkind daran, dass sie als Kind immer mit dem Auto in den Süden fuhren |
11. Mai 2018
Geburtstag. Der Tag beginnt zwar viel zu früh für Mondkind, nachdem
sie gestern Abend weit über ihre Zeit im Bett war, aber zumindest mit einem
guten Kaffee. Das rettet schon echt viel.
Mondkinds Schwester hat heute die Führung durch die Stadt übernommen.
Champs elysees. Triumphbogen. Danach viel Diskussion darüber, wie es
weiter geht. Nur damit – kaum dass ein Plan steht – wieder jemand etwas zu
melden hat und am Ende so lange diskutiert wird, bis sie gar nicht mehr viel
machen können, da die Zeit schon zu weit fortgeschritten ist.
Immer wieder wandern ihre Gedanken an den Tag heute vor einem Jahr.
Liebe Menschen. Wertschätzung. Ein paar Mitpatienten, die am Tisch im
Gemeinschaftsraum saßen, als Mondkind von einer Therapie wieder kam. Sie hatten
eine Kerze und ein Stück Kuchen organisiert und Mondkind war so gerührt von
dieser Geste.
Kaffee auf den roten Sofas. Abends wurde irgendein komischer Film
geschaut und dazu wurden eine Menge Süßigkeiten gegessen.
Es war ein ruhiger Tag und Mondkind war umgeben von Menschen, denen
sie sich nicht erklären musste. Es war ein Klima von gegenseitigem Respekt.
Keine volle Stadt, die heute eine extreme Reizüberflutung darstellt.
Kein „Ich weiß alles besser und kann alles besser als Du.“ Kein „Das habe ich
so nie gesagt, aber lass und nicht streiten und ich habe trotzdem Recht.“ Kein „sucht
Euch ein Restaurant aus, in dem Ihr essen wollt an Eurem Geburtstag“, aber nach
der Entscheidung: „Nee Mondkind, da will ich nicht essen.“
Boykottieren von allem, was sie nicht will.
Hätte mir damals jemand gesagt, was heute in einem Jahr ist – ich hätte
so gehofft, dass es nicht so kommt. Dass ich immer noch unfähig bin, einfach
mal „nein“ zu sagen. Dass ich mich selbst immer noch hinten anstelle. Uns Mamas
Reisewunsch als Geburtstagsgeschenk zu verkaufen ist schon fast eine Frechheit.
Fishing for moments… - das ist alles, was man tun kann. Im T – shirt vor
dem Triumphbogen stehen und für einen winzigen Augenblick, vielleicht nur für den
Bruchteil einer Sekunde, schmeißt es sie zurück ins Gestern. Vielleicht ist es
auch nur der Anflug eines Gefühls von längst vergangenen Sommerurlauben, aber
es ist da. Kaffee trinken in Paris. Am Rand von einem der großen Plätze.
Mopeds. Laute Stimmen. Sonnenschein. Und Busse, die ab und an das Bild stören.
12. Mai 2018
Es ist gegen 20:45 Uhr, als Mondkind ins Hotel möchte. Heute war nicht
ihr Tag. Stimmungsmäßig ging es ihr nicht gut, aber das kann sie ja meist
überspielen. Allerdings war ihr heute auch alles zu anstrengend. Die
Reizüberflutung sowieso, aber auch einen Fuß vor den anderen zu setzen war ein
Kraftakt und sie ist ihrer Mutter und Schwester eher hinterher geschlichen.
Auch geredet hat sie nicht. Nur mit den Schultern gezuckt, wenn man sie etwas
gefragt hat.
Ihre Mutter war genervt, weil Mondkind schlecht gelaunt ist. Dabei ist
sie das nicht gewesen. Nur platt. So platt, dass verbergen nicht mehr möglich
war.
Demenensprechend ist die Stimmung am Abend bei allen ziemlich im
Keller, auch wenn es Mondkind wieder etwas besser geht. Mondkind versucht sich
in einer ruhigen Minute nochmal zu erklären, aber Mondkinds Mutter sagt dazu
nur, dass sie das nicht nachvollziehen oder verstehen könne und man sich ja
einfach nur zusammen reißen müsse. Immerhin sei sie ja gesund.
Depressionen – so hat Mondkind gelesen – sei ein bisschen so wie bei
der Mafia. Untereinander versteht man sich, mit Außenstehenden eher nicht. So
schlecht war der Vergleich gar nicht, befand Mondkind.
Ihre Mutter – die sich in der Folge noch als die Heldin des Abends
darstellen wird – beschließt noch eine Pizza essen zu gehen. Was Mondkinds Schwester
boykottiert und nichtsessend daneben sitzt. Sie sind zwei Straßen von ihrem
Hotel entfernt.
Plötzlich wird es chaotisch. Karawanen von Blaulicht schieben sich
durch die Straßen in Richtung ihres Hotels. Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen.
Man hat das Gefühl, dass jegliches verfügbare Blaulicht sich hier sammelt.
Gegen 22 Uhr biegt Mondkind mit den anderen in ihre Straße ein. Die
Nacht wird vom Blaulicht zerrissen. Straßensperre. Sie kommen gar nicht in ihr
Hotel. Polizisten bis auf die Zähne bewaffnet. Mondkind sieht in die Läufe von
Gewehren. Die Presse. Schaulustige.
Zurück in ein Cafe. Und versuchen herauszufinden, was da los ist.
Attentat. Zwei Tote, vier Verletze. In der Straße ihres Hotels. Direkt vor der
Hoteltür. Zwei Stunden sitzen. Plötzlich ist alles so nah. Was sonst so weit
weg ist, hat Mondkind eingeholt. Warum tun sich Menschen so etwas an? Menschen,
die am Ende doch alle gleich sind.
Zwei Stunden später. Vorsichtiger Blick um die Ecke. Immer noch
gesperrt. Sie fragen einen Polizisten, wie lange es wohl noch geht. Das weiß er
nicht. Aber wenn sie in dem Hotel wohnen, dürfen sie mit Sondergenehmigung und
nach Überprüfung ob sie dort auch im System hinterlegt sind, unter dem
Absperrband hindurch und in ihr Hotel gehen. Mondkind findet das respektlos der Situation gegenüber und hätte die Nacht lieber in den Straßen von Paris verbracht.
Die Straße ist Schauplatz des Verbrechens. In der Bäckerei nebenan ist
die Eingangstür zerschlagen. Rote Flecken auf dem Boden. Blutige Kleidung
direkt vor dem Hoteleingang.
Warum? Während Mondkinds Schwester in dem Moment ihr Leben schätzt,
fragt sich Mondkind, ob sich die Presse auch Gedanken um diesen Menschen macht,
der da abgesehen vom Täter noch umgekommen ist. Wer war dieser Mensch? Hat
Mondkind ihn schonmal gesehen? Hat er auch in dem Hotel gelebt? Hatte er eine
Familie? Hinterlässt er Kinder? Wie sah sein Tag aus, von dem er nicht wusste,
dass es sein letzter ist? Was hatte er noch für Pläne von einer Zukunft? Was
wollte er noch vom Leben?
Und im gleichen Moment fühlt Mondkind eine tiefe Schuld. Hätte
Mondkinds Mutter nicht Pizza essen gehen wollen, wären sie wahrscheinlich
ziemlich genau um 21:15 Uhr am Hotel gewesen. Wieso hätte es nicht eine Mondkind
treffen können? Die doch ohnehin nicht mehr so richtig etwas vom Leben möchte.
Wieso musste da heute Nacht in der Straße vor ihrem Hotel ein unschuldiger
Mensch sterben, der dafür wahrscheinlich nicht mal im Ansatz bereit war?
Vielleicht ist der Gedanke bescheuert, aber er beschäftigt Mondkind.
Wieso hätte es sie nicht treffen können, wenn der andere Mensch dafür überlebt
hätte?
13. Mai 2018
Muttertag. Der eigentlich schon schlecht anfing. Mondkinds Mutter hat
ihre Tabletten durcheinander gewürfelt und dementsprechen geht es ihr nicht
gut. Sie versucht das geschickt zu überspielen und Mondkind und ihre Schwester
versuchen sich das nicht anmerken zu lassen, dass es trotzdem auffällt und
versuchen an allen Ecken zu helfen.
Aber Recht kann man es ihr heute nicht machen. Überall lauern
versteckte Vorwürfe. Nachdem sie lange geplant haben, was sie sich heute noch
anschauen können stellt sich heraus, dass der Zustand ihrer Mutter das nicht
zulässt. Sogar umsteigen in der Bahn geht heute nicht. Und 200 Meter weiter
laufen als nötig auch nicht, weshalb sie darauf besteht, dass immer die naheste
Bahnstation gewählt wird, was dann aber in einigen Fällen doch wieder umsteigen
nach sich zieht, was auch nicht erwünscht ist. Irgendwann gibt Mondkinds
Schwester genervt auf. Man kann es der Mutter heute nicht Recht machen.
Daher wird beschlossen, einfach nochmal auf die Champs Elysees zu
gehen.
Am Nachmittag noch einen Kaffee trinken. Mondkind wird von ihrer
Mutter gebeten ihre Handtasche aus dem Weg zu nehmen, woraufhin Mondkind sie
unter den Stuhl schiebt und ihren Fuß unter dem Träger hindurch schiebt, um
Dieben vorzubeugen. Mondkinds Mutter möchte, dass ihre Tochter die Tasche auf
den Schoss nimmt und wiederholt das fünf Mal. Und Mondkind wiederholt fünf Mal,
dass sie das nicht möchte und es doch okay ist, wenn die Tasche unter dem Stuhl
steht. Sie ist aus dem Weg und keiner kann drüber stolpern. Das Ergebnis ist
dasselbe.
Tränen im Lokal. Das tut Mondkind nun auch wieder leid, aber genau das
ist es, was Mondkind so nervt. Wenn es nicht nach der Pfeife von ihrer Mutter
geht, ist das ein Riesendrama. Und wenn es sich nur um solche Kleinigkeiten
handelt.
Abschied von Paris. Von einer Stadt, die sie gesehen, aber nicht
gefühlt hat. Es sei etwas Besonderes den Geburtstag hier zu verbringen, hat ihr
jemand geschrieben. Und sie wünschte, sie könnte das auch so sehen.
Mondkind
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