Die stumme Rebellion der Kinder

Manchmal.
Manchmal würde die Mondkind einfach gern die Wände anschreien können. So laut, wie die inneren Kinder die Mondkind gerade selbst anschreien.
Manchmal würde die Mondkind den Kollegen am Telefon gern sagen: „Sagt mal Leute könnt Ihr nicht wen anders suchen, der Eure Visitendienst übernimmt…?“ Aber der Kollege weiß ja nicht, dass er innerhalb weniger Tage der Zweite ist, der der Mondkind versucht einen Dienst zu übergeben. Und dann würde die Mondkind manchmal gern sagen: „Ich weiß so oft abends nicht mal, wie ich noch meine Haare waschen und sie noch bis zur Schlafenszeit trocken kriegen soll. Und ich weiß nicht, woher ich noch die Kraft nehmen soll einkaufen zu gehen, wenn ich samstags auch noch arbeiten gehen muss, weil ich das unter der Woche nach 12 Stunden Krankenhaus einfach nicht mehr schaffe“ Aber das sagt die Mondkind natürlich alles nicht - es interessiert auch niemanden. Sie sagt nur: „Versuch das mal so zu tauschen, dass ich den Sonntagsdienst nehme und der Kollege den Samstagsdienst – aber ich mache es…“ Wohl wissend, dass der Kollege nicht mehr herum fragen wird als nötig und es unmöglich wird, den Samstagsdienst los zu werden.
Manchmal, wenn der Chef um 19 Uhr noch anruft und Mondkind um etwas bittet, würde die Mondkind gern sagen: „Herr Chef, es ist 19 Uhr. Ich bin schon mehr als zwei Stunden zu lange da – fragen Sie morgen früh nochmal…“ Aber natürlich setzt Mondkind alle seine Wünsche um.
Manchmal würde die Mondkind gern ihre ehemaligen Freunde fragen: „Wo seid ihr eigentlich alle? Und was fällt Euch eigentlich ein, Euch gar nicht mehr zu melden, nur weil ich jetzt nicht mehr da bin…?“ Einem Freund hat die Mondkind seit einem Monat auf allen möglichen Kommunikationswegen hinterher geschrieben und er meldet sich einfach gar nicht mehr. Und seitdem eine andere Freundin in einer Partnerschaft lebt, ist die Mondkind auch reichlich uninteressant geworden.
Manchmal würde die Mondkind gern zur potentiellen Bezugsperson gehen und fragen: „Was ist eigentlich mit uns passiert…??? Im PJ schien hier so viel machbar zu sein und im Moment funktioniert gar nichts. Können wir das nicht bitte ein Mal abschließend klären? Das ist so verdammt viel Leid in den letzten Monaten gewesen; langsam habe ich doch auch mal ein paar ehrliche Worte verdient.“
Manchmal würden die Mondkind – Kinder gern das Ruder übernehmen. In die Tasten hauen. Und dem Therapeuten schreiben: „Jetzt kümmern Sie sich doch endlich mal darum, diesen Kopf und dieses Leid einzufangen. Wie soll ich mit dieser Prioritätensetzung irgendeine Entscheidung treffen – das ist absolut unfair.“ Aber natürlich lenkt die Mondkind ein, bevor Herr Therapeut nochmal heraus kehren kann, dass das Mondkinds Sache ist. „Ich weiß, wir haben es tausendfach besprochen und ich muss mir Gedanken machen. Ich melde mich.“ Keine Ahnung wann, ehrlich gesagt. Was die Mondkind ihm noch zu sagen hat, wenn sie die Entscheidung für die Klinik nicht treffen kann.

Manchmal wäre ich gern ein bisschen mehr Mondkind – Kind. Aber damit würde ich mir im Moment keine Freunde machen. Weil die nur noch rebellieren, nur noch Angst haben, nur noch Panik schieben. Unfreundlich, anmaßend und einfach nur müde geworden sind. Und es so verdammt anstrengend ist, hinter der Fassade, hinter der alles rebelliert, die freundliche Mondkind zu bleiben. Die alle schätzen, weil sie eben alles macht. 



Aber so nach und nach bricht hier alles zusammen. Die Einsamkeit ist wirklich brutal geworden, wo die Brücken in die Studienstadt langsam einstürzen. „Man hört so grob was voneinander“, war einer der schmerzhaftesten Sätze gegenüber der potentiellen Bezugspersonen der letzten Woche. Scheiße man, ich hätte nicht gedacht, dass ich vier Jahre kämpfe für ein paar Monate, die auch nicht richtig geklappt haben.
Und nach dem Gespräch von Freitag ist auch klar: Therapeutisch ist hier nichts mehr machbar. Ich kann nicht zurück in die Studienstadt und in die Klinik, ohne alles zu verlieren. „Mondkind, ich glaube nicht, dass Du jemals suizidal gewesen bist…“ Manchmal komme ich mir wirklich ganz arg veräppelt vor. Die Menschen verstehen das glaube ich wirklich falsch. Es ist nicht so, dass ich exorbitant viel jammere, wenn es gerade mal nicht so läuft. Es ist so, dass Vieles nicht läuft und ich es trotzdem versuche zu machen.

Und eigentlich wollen die Mondkind – Kiddies nur, dass man sie ein Mal in den Arm nimmt. Dass die mal wieder Jemand sieht. Mal wieder Jemand mit ihnen spricht. Vermutlich würden sie explodieren, wie ein Vulkan, wenn sich wer mit denen beschäftigen würde. Also ist es wahrscheinlich für alle besser, wenn es keiner tut…

Heute vor einem Jahr… - das wird wohl ein häufiger Gedanke werden in den nächsten Wochen…

Mondkind

P.S. Jetzt fragt mich nicht, wie ich auf die wahnwitzige Idee kam, morgen Abend einen Arzttermin zu machen. Vermutlich ging es nicht anders, aber ich werde morgen ultra – gestresst sein, weil ich echt ziemlich pünktlich raus muss. Und vermutlich am Mittwoch sehr früh aufstehen muss…


Bildquelle: Pixabay

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