Worte zum Thema "Dienste" im Keller


Derselbe Keller wie damals.
Aber ein anderes Büro. Das aber auch dunkel ist.
Und ein anderer Oberarzt
Ich klopfe vorsichtig. Schiebe die Tür zwei Zentimeter weiter auf. Und luge um die Ecke. Er hängt noch am Telefon, bedeutet mir aber mit einer Handbewegung rein zu kommen und mich auf den Stuhl neben ihm zu setzen.
Wir müssen Patienten besprechen. Im PJ waren wir noch beide Assistenzärzte und haben uns ein Büro geteilt. Dann hat er mir bei der Examensvorbereitung geholfen, während er selbst für den Facharzt gelernt hat. Ich habe das Examen bestanden, er seinen Facharzt. Und jetzt ist er Oberarzt und ich bin seine Assistentin. Aber wir sind beim „Du“ geblieben.

Und irgendwie kommen wir vor der Patientenbesprechung auf die Dienste zu sprechen. Weil ich heute einfach nur erledigt aussehe. Und in einem Nebensatz erwähne, dass ich gestern ewig da war, weil ich erst Stroke Dienst hatte und dann noch EEGs auswerten musste.

Und hinsichtlich des ersten Dienstes kommt ein sehr erstaunliches Statement: „Natürlich stressen die Dich jetzt Mondkind. Die wollen, dass Du erste Dienste machst. Du wirst da ganz dringend gebraucht und das ist natürlich das Interesse, das da im Vordergrund steht – nicht Du als Person. Wie lange Du hier auf der Arbeit bist, das interessiert niemanden. Was die sehen wollen ist, dass Du circa 80 – 90 % Deiner Arbeit gut schaffst und dass Du Dich traust Dir Hilfe zu holen, wenn Du es nicht kannst. Und das hast Du alles gemacht.
Mondkind, sind wir mal ehrlich: Du hast schnell – sehr schnell – angefangen die Visitendienste zu machen. Dann warst Du auf der Stroke Unit, hast die Notaufnahme gemacht und machst jetzt die periphere Station. Du hast – bis auf die Intensivstation – die ganze Neurorotation, die man hier machen kann, in etwas über einem halben Jahr hingelegt. Das hätte nicht jeder so hinbekommen wie Du. Das sagt Dir nur natürlich keiner, aber es ist so.
Und das bringt jetzt nichts, mit den Oberärzten um den ersten Dienst zu streiten. Du wirst Angst davor haben – aber das ist normal. Jeder hatte Angst. Du musst einfach zusehen, dass Du das mit Oberärzten zusammen machst, die Dir helfen. Ich weiß, das ist schwierig, weil wir uns nach Euch eintragen, aber versuch das hinzukriegen. Ich würde es auch mit Dir machen, aber ich bin ja leider nur noch einen Monat da. Und dann – wenn Du ersten Dienst machst – dann hört auch dieser Druck von denen auf und dann wird es irgendwie leichter werden für Dich denke ich. Und Du bist übrigens plötzlich ganz wertvoll für die Klinik. Jeder, der ersten Dienst macht, ist wertvoll…“

Wow… - auf eine merkwürdige Art berührt mich das. Und macht mich ein bisschen ruhiger. Irgendwie wurde mir in den letzten Wochen und Monaten immer vermittelt, dass ich quasi keine Daseinsberechtigung als Assistenzärztin habe, wenn ich es nicht so schnell und so gut schaffe, wie der Takt von meinen Vorgesetzten vorgegeben wird und vor allen Dingen - so lange wie ich keinen ersten Dienst mache. Und vielleicht ist das auch so. Gerade „mein“ Oberarzt ist immer sehr auf den Diensten herum geritten und hat so getan, als sei das ein absolutes Unding, dass ich mir das nicht schon so früh zutraue.
Aber wenn ich die Rotationen nicht so schnell geschafft hätte, dann wäre ich jetzt noch gar nicht so weit, dass ich zumindest formal die Voraussetzungen erfülle. (Wobei ich mich immer frage, wie „nicht schaffen“ aussieht).Und ob sie mich dann wohl raus geschmissen hätten? Eine Kollegin meinte letztens, sie kennt nur einen Assistenzarzt, der die Probezeit nicht geschafft hat und das war nicht hier. Vielleicht machen die auch einfach nur unfassbar viel Druck und hoffen, dass ich unfassbar viel Angst habe.

Jedenfalls bin ich heute Abend mal sehr froh über ein paar liebe Worte und ein bisschen Anerkennung in dieser Zeit, die gerade doch so schwer ist.

Mondkind

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