20 Monate - von einem Heimweg
Hey mein lieber Freund,
na, wie geht es Dir so?
Bei uns wird langsam Frühling, die Tage werden merklich länger. Der
zweite Frühling ohne Dich.
Das Thema Covid in den Nachrichten wird abgelöst durch das Thema
Krieg. Wenn Du noch hier wärst, dann würde es Dich bestimmt sehr doll
beunruhigen.
Ich habe kaum Zeit, mich mit all den Dingen zu beschäftigen; ich bin
jetzt nämlich auf der Intensivstation. Die letzten Tage war ich einfach
konstant überfordert und ich kann Dir noch nicht sagen, wie das ausgehen wird.
Ich möchte den 20 – Monate – Brief jetzt nicht nutzen, um mich bei Dir über die
Intensiv auszukotzen, sondern lieber gute Momente teilen.
Als ich letztens auf dem Heimweg den Berg hinter der Klinik hinab gelaufen bin, ist gerade die Sonne unter gegangen. Mir sind ein paar Gedanken dabei gekommen, die schon ein paar Tage aufgeschrieben sind und an denen ich Dich gern teilhaben lassen würde.
***
Heimweg. Am Horizont sehe ich gerade noch die Sonne verschwinden. Sie
lässt die grauen Wolken orange aussehen.
Sonnenuntergänge sind immer so Deine Zeit.
"Ich weiß, dass Du hier bist", murmle ich still vor mich
hin.
Es ist, als habe dieser 19 - Monate - Brief ein bisschen Frieden
zwischen uns gebracht. Ich konnte mir das so lange nicht vorstellen, dass Du
neben mir gehst. Ich wollte es mir nicht vorstellen. Ich hatte Angst, Du
könntest mir Vorwürfe machen.
Während ich da so den Berg hinab laufe, kann ich Deine Hand fast in
meiner spüren. Vielleicht ist das so ein Mediziner - Ding, aber ich achte immer
auf die Hände. Auf Deine habe ich auch geachtet und ich fand sie so wunderbar.
Wo immer ich Deinen Namen höre, zieht sich mein Herz zusammen.
Ich wünschte so sehr, ich würde heute wissen, wie das gewesen wäre.
Wir konnten es nie ausprobieren, dass Du im Arztzimmer stehst, mit den Fingern
auf den Türrahmen trommelst und möchtest, dass ich mich beeile. Es hätte
klappen können. Hättest Du hier noch die Gelegenheit gehabt, den Job zu
bekommen. Hätten wir unser Zusammenziehen hier noch erlebt.
Ein Teil von mir wird immer in dieser Sehnsucht leben, die mich fast
zerreißt.
Und ein anderer Teil wird immer dankbar sein für das, was wir hatten.
Und selbst, wenn ich nochmal irgendwann einen Partner finden werde,
der mich durch mein Leben begleitet, werde ich immer zwei Menschlein haben. Du
bleibst. Für immer. Solange ich lebe.
***
Entschuldige, dass ich heute so kurz angebunden bin. Ich bin einfach irre müde.
Die letzten Tage habe ich jede Nacht 10 Stunden durchgeschlafen und es hat
nicht gereicht, um diese massive Erschöpfung zumindest ein bisschen zu
durchbrechen. Es ist einfach viel gerade. Ich weiß noch nicht, in welche
Richtung das jetzt laufen wird.
Du fehlst hier immer noch sehr.
Ganz viel Liebe in Richtung Universum
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