Erste Woche Intensivstation

Eine Woche Intensivstation liegt hinter mir.
Eine Woche lang eine andere Medizin als die, die ich kennen gelernt habe und seit zwei Jahren versuche zu lernen. Auch wenn es eine neurologische Intensivstation ist – aber mit Neurologie hat das nicht mehr viel zu tun. Es sind viel eher die internistischen Komplikationen, die uns beschäftigen. Oder die beatmeten Covid – Patienten. Es ist eine seltsame Kombination zwischen Innere, Anästhesie, ein bisschen Chirurgie und ganz am Rand ein bisschen Neuro.

Hauptbeschäftigung des Tages: Zwei Mal pro Tag Visite machen und dazu bitte die Fälle auf dem Schirm haben. Dazwischen: zentrale Venenkatheter legen, Arterien legen, Shaldon – Katheter legen, Thoraxdrainagen legen, Trachealkanülen legen oder wechseln, Dialysen aufbauen oder abbauen, CT – Fahrten begleiten, bronchoskopieren, mit viel Glück mal ein Doppler machen. Und immer wieder an den Beatmungsparametern drehen, BGAs machen und auswerten, Dialysen kontrollieren und herausfinden, warum die Geräte piepen wie verrückt, was über den ganzen Stationsflur zu hören ist. Gelegentlich müssen auch Konsile organisiert werden, Verlegungen begleitet werden und Briefe geschrieben werden und ab und an mal eine Aufnahme, aber der Patientendurchlauf ist hier sehr viel geringer als das, was ich bislang gewohnt bin.

Es ist eine völlig neue Welt. Und ich komme mir eher vor, wie so eine Studentin im fünften Semester. Ich habe davon keine Ahnung. Ich habe auch nicht zu Beginn meiner Karriere auf der Reha gearbeitet, war nie auf der Frühreha, weshalb ich noch weniger Ahnung habe als die meisten Kollegen, die auf diese Station rotieren.
Es ist ein bisschen ein Abschied von allem, was ich kannte. Von den Routinen, den Kollegen. Und ein Neubeginn ganz woanders. Es wird wieder Zeit brauchen, bis ich ein bisschen etwas gelernt habe, bis ich mich etwas sicherer fühlen werde und es wird wieder viele erste Male geben. Der erste ZVK, den ich legen werde, der erste Schaldon bis hin zum ersten Spätdienst und irgendwann dann der erste ITS – Dienst. Dazwischen werde ich immer mal meine Fühlerchen nochmal in mein altes Arbeitsumfeld ausstrecken, erste Dienste muss ich nämlich immer noch machen, allerdings habe ich ein bisschen Sorge, dass mir dann die Routine flöten geht. Denn außer in diesen Diensten gibt es eben vorerst so gut wie keine Neuro mehr und keine Kommunikation mit wachen Patienten.

Diese Woche war ich noch stille Beobachterin, nächste Woche geht es dann wohl los. Am Wochenende habe ich mich schonmal ein bisschen in die wichtigsten Themen eingelesen, die man zum Überleben braucht. Grundlagen der Beatmung, Sepsis, ein bisschen internistischer Sono, Säure – Basen – Haushalt, Reanimation und Aufbau einer Dialyse. Zudem gibt es ganz gute Videos die praktische Dinge erläutern, wie das Legen eines ZVKs oder das Aufbauen einer Dialysemaschine. 

Und obwohl ich mir das alles nicht ausgesucht habe, versuche ich es bis zum Beweis des Gegenteils als Chance zu sehen. Vielleicht tun mir neue Routinen ja auch mal ganz gut. Was es dort auch gibt, ist es pünktlicherer Feierabend. Und damit bleibt mehr Zeit zum Lesen von Fachliteratur - vielleicht komme ich dazu tatsächlich mal. Vielleicht kann ich die Doktorarbeit retten (okay, sehr optmistisch... ;) ). Vielleicht bleibt mehr Zeit für mich selbst, für mein Helfersystem, was nicht zuletzt einfach durch Zeitmangel in sich zusammen gefallen ist. 


 

Ansonsten habe ich am Donnerstag nochmal mit meinem – hoffentlich – zukünftigen Therapeuten telefoniert. Wir haben viel über die aktuell immer noch sehr präsente Antriebslosigkeit geredet und er hatte ein paar Tipps auf Lager, mit denen es dieses Wochenende schon ganz gut funktioniert hat. Hauptsächliche Maßnahme: Druck rausnehmen. Und wenn man das ein bisschen aushält: Tadaa – dann kommt irgendwann ganz von alleine ein bisschen etwas wie Motivation um die Ecke. Und es muss ja auch nicht alles sofort perfekt sein. Es reicht ja erstmal die Themen zu lesen; eine Zusammenfassung kann ich ja immer noch schreiben. 

Ich habe auch durchblicken lassen, dass meine aktuelle Therapeutin schon seit zwei Wochen krank ist und ich nicht weiß, wann und ob sie vor ihrer Rente nochmal wieder kommt. Er hat mir angeboten, dass wir auch bis Mai weiterhin im Kontakt bleiben; nicht wöchentlich, aber ich darf mich melden, wenn etwas ist. "Für Sie springt aber gar nichts dabei raus", habe ich ihn erinnert. Das wisse er. 

Ich bin so unendlich dankbar ihn zu haben; das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen. 

Einen guten Start in die Woche allen Lesern
Mondkind

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