Über die Frage nach dem Sinn

Eigentlich sollte ich mich gerade mit der Therapie von Migräne und Spannungskopfschmerzen beschäftigen. Das Thema der heutigen Vorlesungen.

Uneigentlich (gibt es das Wort überhaupt?), renn meint Kopf aber gerade Kreise und deshalb gibt es recht ungeplant schon wieder einen Blogpost.

Ich war heute bei meiner Therapeutin. Das erste Mal seitdem ich aus der Klinik raus bin und sie hat zugegeben über die Zeit ein wenig mit im Verlauf gelesen zu haben – also musste ich ihr nicht alles erzählen.
Sie wollte trotzdem wissen, was geblieben ist von der Klinik.
Natürlich erst mal das Offensichtliche. Ich bin umgezogen. Ob das nun positiv oder negativ zu bewerten ist – nun, ich weiß es (noch) nicht.
Und was noch? Was sollte ich mit heraus nehmen, von der Klinik in den Alltag retten? Was waren die Themen, über die wir gesprochen haben. Ich erkläre, dass wir uns häufig sehr im Kreis gedreht haben. Was übrig geblieben ist war: Suchen Sie sich Freunde. Suchen Sie sich ein Hobby. Lassen Sie sich im Job nicht ausnutzen.
Und was noch über geblieben ist: Die Leere. Und die Sinnlosigkeit, die ich jeden Tag erlebe.

Sinn – was ist das eigentlich?
Wann ist etwas sinnvoll? Vielleicht liegt ein wesentlicher Knackpunkt in der Tatsache, dass ich für mich im Leben (noch) keinen Sinn gefunden habe. Einer der Pfleger – er war recht selten da und hatte deshalb wahrscheinlich kein fest gefahrenes Bild von mir – meinte, dass ich vielleicht zum Großteil aus „philosophischen Gründen“ in der Klinik bin.

Warum soll ich mich denn nachmittags mit der Uni stressen, nur damit noch eine halbe Stunde Keyboard spielen raus springt? Oder Radfahren, spazieren gehen – was auch immer? Gibt es meinen Tagen mehr Sinn, wenn ich sie noch mit solchen Aktivitäten fülle?

Wie fühlt sich das an, wenn etwas sinnvoll ist? Und wie wird Sinn definiert?
Wie sinnvoll ist ein Medizinstudium? Heißt Sinn auch persönliche Bereicherung dadurch, dass ich jetzt alles Mögliche über den menschlichen Körper weiß und trotzdem nicht vernünftig mit meiner Gesundheit umgehe?
Ist es sinnvoll später eine Familie zu gründen, einen liebevollen Partner zu haben, Kinder in die Welt zu setzen, die mit dem immer komplexer werdenden Anforderungen umgehen müssen?
Oder ist es vielleicht sinnvoll als Ärztin später Menschen zu helfen, teilweise vielleicht vor dem Ableben zu bewahren oder manchmal auch einfach die Lebensqualität wieder zu erhöhen? So nach dem Motto: Ich finde meinen Sinn darin, anderen Menschen ein zumindest medizinisch – somatisches besseres Leben zu ermöglichen? Oder Menschen mit lebenslimitierenden Erkrankungen zumindest zu begleiten?

Aber so ehrenvoll die Aufgabe auch ist – warum stressen wir uns in einem System ab, das zumindest Assistenzärzten kaum Zeit zum Verschnaufen gibt? Weder in Form einer Pause (ich denke da so an 24 – Stunden Dienste), noch vor der ein oder anderen Standpauke des Oberarztes.
„Bis zur Oberärztin würde ich es machen“, habe ich mal irgendwann gesagt. Aber warum eigentlich? Ist es sinnvoll Oberärztin zu sein und sich zwischen seine Assistenten und den Chef zu stellen? Ist es sinnvoll jahrelang danach zu streben um im Endeffekt nicht wirklich in einer besseren Position zu stehen und am Ende auch noch den Kopf für seine Assistenten hinhalten zu müssen?
Und wie ist das in dem Zusammenhang mit Familie? Wenn ich eine zeitlang der Kinder wegen zu Hause bleibe – wird das nicht automatisch zu Kompetenzeinbußen führen?

Sinn ist glaube ich relativ. Und für alle Menschen anders. Vielleicht ist der Sinn für manche Menschen Karriere zu machen. Für andere, eine Familie zu haben. Für wieder andere, jeden Tag die Freiheit zu genießen, ohne eine Familie an die man sich bindet und ohne einen Job, an dem Überstunden an der Tagesordnung sind.

Und ich – ich weiß es noch nicht. Ich stelle mir die Frage nur ständig. Keine Ahnung, wie viele Leute sich die Frage, wie oft stellen. Vielleicht gibt es auch Viele, die einfach nur in den Tag hinein leben, ohne einen Sinn zu suchen.

Ich frage mich manchmal nach den Therapiestunden: „Wie soll das alles weiter gehen?“ Und „Wie soll ich weiter leben, wenn ich mir doch jeden Morgen die Frage stelle: Warum eigentlich?“
Nicht selten ziehen mich die Therapiestunden sogar irgendwie runter, weil mir doch irgendwie klar wird, dass die mir nicht so richtig helfen können.
 
Und letzten Endes ist die Sache mit dem Sinn vielleicht in gewisser Hinsicht der Schlüssel zur Lösung. Vielleicht kann ich dann „Freizeitaktivitäten“ und Freunde treffen in ein als sinnvoll empfundenes Leben integrieren, in dem es nicht nur darum geht, auf wie auch immer geartete Weise den Tag herum zu kriegen ohne „philosophisches Chaos“ in meinem Kopf und ohne Angst die Klausuren nicht zu bestehen. (Woran sich im Prinzip schon wieder die Frage anschließt: Warum müssen wir so dringen Klausuren bestehen? Wenn es nichts wird, schreiben wir sie halt nochmal. Werden wir halt später fertig, kommen später in dieses System Krankenhaus, das auch nur fraglich Sinn macht…)

Alles Liebe
Mondkind


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